Voll von der Rolle: Aus den Fugen geraten Kinonews | 12.03.2020 | ewei

„Reguläres Essen ab 12.30 Uhr“ ist auf dem Aushang an der blickdichten Glastür zu lesen. Und: „Reste-Essen 13 bis 13.30 Uhr“. In dem einladenden Raum hinter der Tür ist gleich zu spüren, dass es hier um mehr als einen gemeinsamen Mittagstisch geht: Die Anwesenden reden, schweigen, lachen, leiden, trauern und feiern miteinander; in freundlicher Atmosphäre tauschen sie sich aus über die kleinen oder großen Freuden und Sorgen ihres Alltags.

„Club 55“ ist der Name dieser in der zweiten Etage eines Altbaus in der Schwarzwaldstraße gelegenen Begegnungsstätte. Sie ist an allen Werktagen der Woche ge-
öffnet und wird betrieben von der Freiburger Hilfsgemeinschaft (FHG), die im Oktober 1970 gegründet wurde. Hier treffen sich regelmäßig ein paar Dutzend Menschen, manche kommen täglich, andere eher sporadisch. Die meisten bleiben nach dem Essen noch da, sprechen auch mit Außenseitern „mit beeindruckender Offenheit“ über ihre Psychiatrie-Erfahrungen.

Diese Erfahrung hat die Freiburger Dokumentarfilmerin Reinhild Dettmer-Finke gemacht: In den zwei Jahren, da sie – mit dem „sehr empathisch filmenden“ Kameramann Ingo Behring – die Menschen der FHG begleitete, hätten viele von ihnen frei heraus erzählt, wie die Krankheit plötzlich in ihr Leben trat. Wie alles aus den Fugen geriet, wie sich Mitmenschen, Lebensziele, Gewohnheiten und das Welterleben veränderten. Und wie sie sich „wieder berappelten“. Der Film, sagt sie, sei ihr „zu einer Herzensangelegenheit“ geworden. Sie hofft, dass er zur Entstigmatisierung beiträgt, indem er zeigt, dass „irre sein“ durchaus menschlich ist.

 

Info

Irre – Die Freiburger Hilfsgemeinschaft
Deutschlandpremiere im Koki Freiburg:
Sa., 14. & So., 15. März, 19.30/17.30 Uhr

 

Foto: © Reinhild Dittmer-Finke