Inspirierend Mehrsprachig: Pierre Kretz erhält den Johann-Peter-Hebel-Preis Kunst & Kultur | 18.08.2024 | Erika Weisser

Pierre Kretz Pierre Kretz freut sich in Hausen im Wiesental über den mit 20.000 Euro dotierten Hebel-Preis.

Er ist einer, der die Mehrsprachigkeit als Quelle der Inspiration begreift. Und der dazu auch den regionalen Dialekt zählt, den er oft spricht und in dem er einige Hörspiele verfasst hat: Der elsässische Autor Pierre Kretz, der heuer den alle zwei Jahre verliehenen Johann-­Peter-Hebel-Preis des Landes Baden-Württemberg erhielt.

Der Preisträger strahlt über das ganze Gesicht. Es sei ihm „a großi Ähr“ und „a immensi Freijd“, als seinen ersten deutschen Literaturpreis ausgerechnet jene Auszeichnung  für sein Werk entgegenzunehmen, der nach dem von ihm „hochgschätzta“ Dichter Johann Peter Hebel benannt ist, sagt er in seiner ganz in elsässisch gehaltenen Dankesrede bescheiden. Noch dazu in Hausen im Wiesental, dem Ort am Fuß des Schwarzwalds, in dem der Zeitgenosse Goethes vor 250 Jahren seine Kindheit verbrachte – und sich für immer seine alemannische Sprache aneignete.

Nach einem herzlichen „Merci an alli“ erzählt Pierre Kretz von seinem Aufwachsen in einem am Rand der Vogesen gelegenen „Hungerdorf“ nahe Séléstat, wo er 1950 zur Welt kam. Dass er außer französisch von Anfang an auch elsässisch lernte und sprach, empfindet er bis heute als Glück: Die durch das später dazugekommene Hochdeutsche erworbene Dreisprachigkeit habe ihm nicht nur sein Jura-­Studium in Straßburg und Saar­brücken ermöglicht, sondern auch seine Horizonte erweitert und ihm zu einem Gespür für die Nuancen des literarischen Ausdrucks verholfen, der bei ihm oft zwischenzeilig sei. Nicht nur sein literarisches Ich bestehe nämlich aus „drei verschiedene Ichs“: einem elsässischen, einem französischen und einem deutschen. Das erste Ich habe mit einem Gefühl von „Heimet“ zu tun, ohne heimattümelig zu sein, das zweite mit Weltläufigkeit, das dritte mit Genauigkeit.

Mehr als eine Identität

Woher er an seinem 50. Geburtstag den Mut zu dem Entschluss nahm, seine erfolgreiche Anwaltskarriere zu beenden und als freier Autor zu arbeiten? Schon immer, sagt Kretz, der seine Texte außer bei Mundart-Hörspielen auf Französisch verfasst, wollte er „nicht nur eine einzige Identität haben und leben“. Und er habe nie bereut, diesen ganz anderen Weg eingeschlagen zu haben, auch wenn ein Schriftsteller ein „Mensch mit vielen einsamen Phasen“ sei . Und auch wenn so manches von dem Geschriebenen „fir d’Katz isch“.

Pierre Kretz Bücher

Autobiografische Bezüge vebinden sich in Kretz‘ Büchern mit teils dramatischer historischer Erinnerung.

Seine Bücher, die von Irène Kuhn ins Deutsche übersetzt wurden und in der Kröner Edition Klöpfer erschienen sind,  sind alles andere als „für die Katz“: Sowohl der „kleine Katholik“ als auch der „Seelenhüter“ sind, trotz immer wieder erinnerter Ereignisse in der belasteten und oft problematischen elsässisch-­deutschen Geschichte, reine Lesefreude und zeigen, dass eine fortschrittliche Weltsicht und Mundart sich überhaupt nicht ausschließen.

Foto: ewei