Alte Tradition und neue Technik: Tabakanbau in der Ortenau Land & Leute | 05.07.2021 | Wolfgang Speer

Tabak_Ernte Anfang August werden die Tabakblätter geerntet.

In den 50er-Jahren sicherte der „Geudertheimer“ das Auskommen vieler Familien im Südwesten. Heute sind die goldenen Zeiten des dunklen Tabaks vom Oberrhein längst vorbei. Doch Markus Kreis aus Ringsheim baut weiterhin spezielle Sorten für den Markt an.

Markus Kreis ist ein heiterer Mensch. Er hat alles bestens im Griff, so auch sein Weingut in Ringsheim, das er zusätzlich betreibt. Seine Tabaksaison startet im Februar mit der Anzucht der Jungpflanzen mit Saatgut aus Holland. Achtsam legt eine Sämaschine die einen Millimeter großen Körnchen in Vertiefungen von Styroporplatten. Dann werden die kleinen Näpfchen mit Anzuchterde verfüllt. Im Gewächshaus schwimmen die Platten in flachen Becken in einer Nährstofflösung, die für das gleichmäßige Wachstum der Zöglinge sorgt. „Die schwimmende Anzucht braucht wenig Platz und Pflegebedarf, lediglich Nährstoffgehalt und PH-Wert müssen konstant sein, damit die Pflanzen perfekt wachsen und ein gesundes Wurzelwerk bilden“, erzählt Kreis.

Bereits Ende April, wenn keine Nachtfröste mehr zu erwarten sind, ist Pflanzzeit. „Für die gesamte Ackerfläche sind etwa 1,2 Millionen Setzlinge erforderlich“, erklärt der Landwirt. Dazu gibt es Unterstützung durch seine Helfer, die später auch die Ernte einholen. Ein kleiner Traktor zieht die Setzmaschine über den geebneten Acker. Vier Personen stecken die Setzlinge aus den Styroporplatten in einen kreisenden Teller. Die Maschine drückt in vier Spuren die jungen Pflanzen gleichmäßig in den Boden. „Wie sich die Tabakpflanze entwickelt, hängt vom Wetter ab. Weder lange Trockenheit noch viel Nässe ist gut für die Pflanzen. Perfekt ist ein Wetter-Mix mit Regen und anhaltendem Sonnenschein mit warmen Temperaturen“, merkt Kreis an.

Testen der Qualität Tabak_Ernte

Nach dem Trocknen im Heißluftofen prüft Markus Kreis die Qualität.

Anfang August ist Erntezeit. Beim Eintreten in die Tabakhalle streichelt der süßliche Tabakduft die Geruchszellen. Erinnerungen aus den 50er-Jahren werden wach. An einem Tisch sitzen Helfer zusammen, erzählen und vespern. Eine verdiente Pause, denn sie haben am Vormittag bereits erste reife Tabakblätter geerntet.

Ernten mit Knick

Nachmittags geht’s nochmals ins Feld, die Sonne sticht gnadenlos vom blauen Himmel. Eine Truppe von sechs Personen erntet die reifen Blätter. Eine anstrengende Arbeit, besonders an solchen Hitzetagen. Das Feld ist gut 200 Meter lang, daran schließt sich noch ein weiteres an. Zwischen den Viererreihen zieht ein Traktor im Schritttempo den Erntewagen. Die Erntehelfer brechen die gelblichen Tabakblätter mit einem leichten Knick ab, sammeln diese geschickt unter dem Arm, bis das Bündel seinen Umfang hat.

Flink legen die Helfer die Blätter auf ein etwa vier Meter langes Förderband, das die Blätter zum Wagen befördert. Dort klemmen zwei weitere Helfer die Tabakbündel in kleine Boxen und stapeln diese auf dem Pritschenwagen. Die verbliebenen grünen Blätter reifen in wenigen Tagen für die spätere Ernte nach. Jetzt ist der Wagen halb gefüllt, Zeit für eine ausgiebige Trink- oder Zigarettenpause für die Helfer. Danach geht’s weiter ins nächste Feld.

„Früher wurden Tabakblätter in Scheunen an frischer Luft getrocknet, heute muss der Prozess schneller gehen“, erzählt der Tabakbauer, „wir arbeiten mit Heißluft-Trocknungsöfen“. Helfer hängen den Tabak in die Öfen hinein; sind diese bestückt, werden sie rund um die Uhr beheizt. „Von 32 Grad steigt die Temperatur bis auf 68 Grad Celsius. Die Blätter verlieren Feuchtigkeit, zum Schluss sind es noch 15 Prozent, ideal für die Weiterverarbeitung“, erklärt Kreis. Dabei kommt der Landwirt ins Schwärmen: „Wenn früher die alte Tabaksorte, der dunkle Geudertheimer, in großen Schöpfen an der Luft getrocknet wurde, hatte man alle Zeit der Welt. Zur Kontrolle der Feuchte wurde der Tabak von Hand betastet. Das Tabakanfassen war auch die Gelegenheit, den Fasswein aus dem Keller zu holen, Nachbarn einzuladen und Neuigkeiten aus dem Dorf zu erzählen. Das waren noch Zeiten!“

 

Info

In einer alten Tabakfabrik in der südlichen Ortenau erzählen mehr als 5000 Ausstellungsstücke vonder Geschichte des Tabaks.

Oberrheinisches Tabakmuseum
Kirchstraße 4, 77972 Mahlberg
Öffnungszeiten:
1. Mai bis 30. September
So. und Feiertage: 10–17 Uhr

www.tabakmuseum-mahlberg.de

Fotos: © Wolfgang Speer