Aprilscherz mit Nachhall: der Attilafelsen am Tuniberg Land & Leute | 06.04.2021 | Wolfram Köhler

Attilafelsen April, April! Seinen Namen verdankt der Felsen bei Niederrimsingen einem Scherz – der später zum werbewirksamen Schachzug wurde.

Der Tuniberg ist ein beliebtes Ausflugsziel. Spektakulär wird es, wenn die Tour zu einer Lösswand führt, über der ein Schriftzug prangt: ATTILAFELSEN. Doch woher kommt dieser Name? War der legendäre Hunnenkönig hier zu Gast? Eine Spurensuche.

Am 1. April wird geflunkert, was das Zeug hält. Meist haben die Scherze ihren Zweck erfüllt, wenn der Ulk mit dem Ruf „April, April!“ entlarvt ist. Nur ganz wenige Narreteien haben nachhaltige Wirkung und werden zu modernen Legenden. Eine davon ist die Geschichte vom Hunnenkönig Attila und dem Felsen gleichen Namens am Tuniberg.

Urheber der wahrhaft wunderbaren Geschichte war Otto Fischer, Bürgermeister der Tuniberggemeinde Niederrimsingen. Er ließ verlauten, das Grab des Hunnenkönigs Attila sei an einem Felsen gefunden worden. Auf die glorreiche Idee hatte ihn der Fund eines sargförmigen Steines bei Erdarbeiten gebracht. Die regionale Presse berichtete am 1. April 1955 von der Entdeckung der Grabstätte Attilas: Planierungsarbeiten im Rebumlegungsgebiet Himmelreich hätten einen Eisen- und Silbersarg freigelegt, das Gebiet sei abgesperrt, das Amt für Ur- und Frühgeschichte eingeschaltet worden.

Atilla

Attila-Hauptes

Einmal in der Welt, begann die sagenhafte Reise der fantastischen Geschichte. „Attilafelsen“ wurde zum Namen der Weinlage am – scheinbar – mythologischen Ort. Der Aprilscherz verwandelte sich in einen werbewirksamen Schachzug. Eine „Ballade vom Attilafelsen“ hat diese Meisterleistung in Reimen verarbeitet, die damit schließt, wie sich der Urheber des Scherzes in sicherem Versteck über die herbeiströmenden Genarrten lustig machte: „Erst langsam war den Leuten klar, dass alles ein Aprilscherz war!“

Scherz mit wahrem Kern

Dietmar Fischer aus Niederrimsingen sieht in der Aktion seines Großvaters allerdings mehr als einen Aprilscherz: „In der damals armen Gegend war man auf der Suche nach Wohlstand wie auf Schatzsuche nach Attilas Goldsarg.“ Der Hunnenkönig Attila, im 5. Jahrhundert Herrscher eines kriegerischen Reitervolkes, soll der Legende nach in einem dreifach gefertigten Sarg aus Gold, Silber und Eisen bestattet worden sein.

Die Suche nach seinem Grab war – und ist bis heute – geheimnisvoll und spannend, aber genauso vergeblich wie die Jagd nach dem sagenhaften Nibelungenschatz im Rhein, dem Goldland Dorado oder der versunkenen Stadt Atlantis. Am Tuniberg wurde man dennoch fündig, berichtet Fischer, wenn auch auf ganz andere Weise: „Das Ziel wurde nicht durch Warten auf ein Wunder in Form eines Goldschatzes, sondern durch Tatkraft und Fleiß mit dem Gold in den Reben belohnt“ – durch Strukturverbesserungen, Flurbereinigung und edlere Rebsorten. Das war die in Humor verpackte Botschaft des Aprilscherzes.

Hollywood lässt grüßen

Ein weiterer Aprilscherz stellte den Humor der Tuniberggemeinde nochmals auf die Probe. Die Attilasage werde von einem Team aus Hollywood am Tuniberg verfilmt, hieß es in der regionalen Presse am 1. April 1970. Gesucht seien daher Statisten, insbesondere aus Niederrimsingen, weil die als „Nachkommen der Hunnen kriegerischer seien, von leichter aufwallendem Blut“ als die Bewohner der Nachbardörfer. Die Aussicht verlockte viele Menschen, die sich wohl gerne in einem spektakulären Hollywoodfilm gesehen hätten. Am Ende hieß es: „April, April!“

Keine Aprilscherze waren eine Komposition und ein Theaterstück zum spannenden Thema, vor dem auch die bildende Kunst nicht Halt machte. In Niederrimsingen erinnert seit 1979 eine von Rainer Stiefvater geschaffene monumentale Zement-Plastik des Attila-Hauptes an den Hunnenkönig, der wohl niemals hier war. Wann wurde das Monument enthüllt? Natürlich an einem 1. April.

Foto: © Wolfram Köhler