Chansionnier Florian Schneider über die Mundart im Baselbiet Land & Leute | 09.02.2021 | Beat Eglin

Musiker Porträt Seine Lieder nennt Florian Schneider (l. mit Mütze) „Schangsongs“. Er begleitet seinen Gesang mit der Gitarre, besonders gern musiziert er gemeinsam mit Kollegen wie dem Pianisten Roman Bislin (l.)

Der Sänger Florian Schneider mag heute kleine Bühnen. Eigentlich war er daran gewöhnt, dass ihm mehr als tausend Zuschauer zujubeln. Doch vor einigen Jahren wechselte er in die Kleintheaterszene, wo er mit seinen Mundart-Liedern dem Publikum sehr nahe kommt.

Lust auf REGIO: Florian, welche Bedeutung hat für dich die Mundart?

Florian Schneider: Es ist die Erstsprache, die Sprache der Eltern, der Großeltern, der Geschwister und die Sprache, in der ich träume. Die habe ich klanglich ganz tief im Ohr, wie eine Prägung. Gesprochen wird meine Sprache nur kleinräumig in einer ganz bestimmten Region, dem oberen Teil des Kantons Baselland. 

Lust auf REGIO: Wann hast du mit deinen Mundartprojekten begonnen?

Florian Schneider: Die ersten Mundartlieder schrieb ich mit 15 im Berner Internat aus Heimweh. Keiner sprach dort so wie ich, also fühlte ich mich einsam und musste mich selber trösten. Und Lieder sind gute Tröster! Diese Sehnsucht wird wohl ursprünglich mein Antrieb gewesen sein. Und so entdeckte ich den Gesang. Dann kam ein über dreißigjähriger Umweg als Tenor in Oper, Oratorium, Operette und Musical, bis ich vor ein paar Jahren wieder zum Mundartlied zurückfand. Alle meine Lieder nenne ich heute Schangsongs, so spricht man bei uns das französische Wort Chanson aus.

Musiker Auftritt

Schlüpft mit seinen Lieder in andere Rollen: Florian Schneider.

Lust auf REGIO: Wie viele Projekte sind es inzwischen? Welches ist das wichtigste?

Florian Schneider: Bisher sind in unterschiedlichen Besetzungen sechs Mundartalben auf CD entstanden. Zwei davon mit vollen Rockbands, zwei dann nur im Duo mit Gitarre und Geige, und nochmals zwei im Trio mit Gitarre, Piano und Geige. Alle Projekte sind mir wichtig, aber am liebsten spiele ich schon im Trio mit meinen beiden wunderbaren Kollegen, dem Geiger Adam Taubitz und dem Pianisten Roman Bislin.

Lust auf REGIO: Was ist in diesem Jahr und in nächster Zeit von dir Neues zu erwarten?

Florian Schneider: Wir hatten im September noch erfolgreich das neue Album „Schangsongs 4“ rausgebracht und waren eben voll auf Tournee. Dann kamen die Beschränkungen und der zweite Lockdown, und die anstehenden Konzerte mussten auf Frühling 2021 verschoben werden. Einen Trost gibt es aber, denn ganz aktuell wurde unser Album „Schang-songs 4“ für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik nominert. Eine große Ehre und Anerkennung!

Lust auf REGIO: Kannst du dich in Mundart präziser ausdrücken als in Hochdeutsch?

Florian Schneider: Ich sehe es so: Weil meine Mundart aus einer kleinen Region kommt, bildet sie in Liedtexten auch immer die Mentalität der Figuren ab, die singend etwas erzählen. Ich schlüpfe in meinen Liedern immer wieder in die Rollen anderer Leute – sowohl in die von Männern als auch von Frauen. Das ist genau wie im Theater. Ich wüsste nicht, was man in Mundart inhaltlich weniger genau sagen könnte als in der Hochsprache – und umgekehrt! Die Unterschiede finden sich lediglich im Klang der Sprachen und im Rhythmus.

Weltklassegeiger Adam Taubitz

Weltklassegeiger Adam Taubitz

Lust auf REGIO: Woher kommen deine Mundarttexte und die Melodien dazu?

Florian Schneider: Das ist exakt wie bei einem Zeichner oder Maler. Alle Motive für seine Bilder sind ständig da, rund um ihn herum. Wo er Linien und Farben benutzt, um sie in ihren Stimmungen abzubilden, gebraucht der Liederschreiber dafür Wörter und Töne. Den Sinn und das Auge für das zu schulen, was dich direkt umgibt, und alltägliche Nichtigkeiten als schöne Motive sehen zu lernen, das ist die eigentliche Kunst. Und das ist ein Prozess, der ein Leben lang nie aufhört.

Lust auf REGIO: Könntest du deine Botschaften in Hochdeutsch oder Englisch nicht weiter verbreiten?

Florian Schneider: Botschaften – das ist ein Wort, das ich im Zusammenhang mit Liedern nicht gerne habe. Das klingt mir zu sehr nach Sendungsbewusstsein. Politiker oder Prediger haben Botschaften. Liedersänger sind mehr zuständig für Seele, Bauch und Herz – und für das Lachen. Und das ist dann keine Frage der Sprache. Ein tolles Lied in Suaheli kann genauso gute Laune machen, auch wenn mans nicht versteht.

Musiker

„Für die Kunst lohnt sich der Aufwand immer.“

Lust auf REGIO: Aber der Markt für schweizerdeutsche Texte und Lieder ist doch klein. Lohnt sich der Aufwand?

Florian Schneider: Das stimmt allerdings, der Markt hier ist sehr überschaubar und es ist ein ständiger Kampf, sich darin zu behaupten. Aber für die Kunst lohnt sich der Aufwand immer. Kann man das nicht so sehen und sucht Sicherheit, dann wird man von vornherein wohl besser Bürobeamter. Aus Deutschland bekomme ich von der Musikkritik regelmäßig schöne Rückmeldungen, und einige Lieder werden auch am Radio gespielt, aber mit dem Sprachverständnis hapert es doch. Darum mache ich jetzt endlich eine CD mit meinen Liedern in hochdeutschen Übersetzungen. Ein längst überfälliger Schritt!

Zur Person

Florian Schneider wuchs im oberen Baselbiet auf, wo er auch heute wieder zu Hause ist. Nach seiner Ausbildung zum Opernsänger und einigen Wanderjahren wechselte er bald ins Musicalfach. Eines seiner wichtigsten Engagements war die Titelpartie in „The Phantom of the Opera“. In den neunziger Jahren spielte und sang er den Mann mit der Maske im extra für diese Großproduktion gebauten Musical Theater Basel in mehr als 500 Vorstellungen.

Info

Konzerttermine 2021 im Baselbiet
19. März, 20.13 Uhr:
Waldenburg, Theater im Pfarrhauskeller
8. April, 18.30 Uhr: Pratteln, Dorfturnhalle
15. April, 18.45 Uhr:
Lausen, Alte Turnhalle Mühlematt
17. April, 18 Uhr: Dietisberg Läufelfingen

www.florian-schneider.ch

Fotos: © Kathy Horn, Beat Eglin/www.presstime.ch