Für Meerjungfrauen: Kirsten Söller fertigt Nixenschwänze Land & Leute | 30.11.2020 | Liliane Herzberg

Meerjungfrauen

Mit der Serie „H2O – Plötzlich Meerjungfrau“ tauchten die Märchenfiguren vor einigen Jahren auf dem Bildschirm auf und entfesselten einen Boom: Millionen Fans wollten selbst Nixe werden. Um diesen Traum ihrer Tochter zu erfüllen, gründete Kirsten Söller das weltweit erste Nixen-Unternehmen: „Magictail“.

„Ich mag Fernsehen eigentlich nicht, aber als Moja ‚H2O’ angeschleppt hat, hab ich mitgeschaut und war völlig gebannt“, erinnert sich Kirsten Söller aus Waldkirch an den Ursprung der Idee. Als die Tochter dann auch eine Meerjungfrau sein wollte, fackelte sie nicht lange, kaufte auf dem Flohmarkt Flossen und nähte aus einer alten Wachstuchdecke einen Nixenschwanz. „Da waren noch ungefähr zehn Reißverschlüsse dran, und die Schuppen haben wir mit Wachsmalkreiden draufgemalt.“

Beim ersten Schwimmversuch im Freiburger Westbad dann die Überraschung: Moja Söller war kaum zehn Minuten im Wasser, da umringte sie bereits eine ganze Traube Mädchen, die wissen wollten, woher sie den Schwanz habe, denn so was brauche die Welt. Die Idee zu Magictail war geboren. Es entstand ein Unternehmen, das auch nach zehn Jahren und mittlerweile großer Konkurrenz den eigenen Prinzipien treu bleibt: hochwertige Qualität, individuelle Designs und nachhaltige Produktion.

Voller Fantasie

Im Juni 2010 kam mit der Online-Schaltung der Website der Durchbruch: Bereits am ersten Tag verkaufte Söller 17 Nixenschwänze. „Wir starteten den Verkauf aus unserem 40-Quadratmeter-Haus heraus, gefertigt haben wir auf dem Tisch, Essen gab’s nur, wenn fertig geschneidert war. Man konnte eigentlich nicht mehr laufen im Haus“, erinnert sich die 48-Jährige heute.

„Die ersten vier Jahre ging es steil bergauf. Die Produkte waren international heiß begehrt. Es entwickelte sich eine richtige Bewegung“, erzählt Söller. Etwa Meerjungfrauenmeisterschaften und -schulen. Die halten sich bis heute. In Freiamt etwa gibt es Nixenkurse, in Freiburg können kleine Fans Meerjungfrauengeburtstage feiern, in Weil am Rhein gemeinsam schwimmen. Auch auf Facebook vernetzen sich die Meerjungfrauen, tauschen sich aus, professionalisieren Schwimmfiguren und organisieren Treffen.

Die Philosophie reicht für Söller jedoch weit tiefer als die bloße Freude am Schwimmen. „Mein Gedanke ist, dass Menschen sich ihre Welt zusammenfantasieren können. Das ist wie ein Gruß aus der Märchenwelt, und ich bin die Geburtshelferin für Träumer.“

Aktuell laufe der Verkauf nicht sehr gut. Glück hänge für sie aber nicht mit Besitz zusammen, deshalb habe sie auch keine Angst. Schon längere Zeit gibt es starke Konkurrenz durch billige Nachahmungen aus China und auf Amazon. Nun auch noch eine Pandemie. Der Umsatzrückgang sei extrem und katastrophal. „Corona war schon heftig, wir hatten ein Jahr an der neuen Kollektion gearbeitet, am 13. März haben wir sie rausgebracht, am 15. März haben die Schwimmbäder geschlossen. Dasselbe ist uns mit der Herbstkollektion passiert.“ Aus einst 25 Mitarbeitenden wurden dreieinhalb Festangestellte, aus 1500 Bestellungen monatlich etwa 300.

Ganzheitliche Flossen

Dennoch will Söller dem Konkurrenzdruck nicht nachgeben, geschweige denn aufgeben. „Die China-Mentalität passt nicht zu uns. Wir wollen ganzheitlich bleiben und zu dem stehen können, was wir verkaufen.“ Ihre Flossen seien das Original und sie habe die meiste Erfahrung. Außerdem sind die Magictails nachhaltig produziert, das verwendete Econyl-Garn bestehe zu 80 Prozent aus alten Fischernetzen, die Polycarbonat-Flossenblätter teilweise aus recyceltem Gummi. „Wir arbeiten mit hochwertigen Materialien und mit einem Designer zusammen.“

Die Unternehmerin ist unterdessen in die Offensive gegangen und hat ihr Angebot angesichts der Konkurrenz nicht reduziert, sondern erweitert. Etwa mit Accessoires wie Oberteilen, Stulpen oder Röcken. Die Designs zu den Magictails können bei Interesse auch vom Kunden selbst erstellt werden – in Zusammenarbeit entsteht eine ganz individuelle Flosse. Denn ein zufriedener Kunde bedeutet für sie, dass sie etwas von ihren Stärken und Fähigkeiten an andere weitergeben konnte.

Foto: ©  Miss Mermaid 2016 in Ägypten