„Herzensarbeit“: Nachgefragt bei Dolmetscher Ahmed Yasin Land & Leute | 10.02.2021 | Liliane Herzberg

Ahmed Yasin Dolmetscher in Freiburg

Ahmed Yasin beherrscht sieben Sprachen – von Beruf ist er Dolmetscher und hilft traumatisierten Jugendlichen. Mit seiner Arbeit möchte er Gutes tun.

Lust auf REGIO: Sie haben besondere Fähigkeiten?

Ahmed Yasin: Ich bin in der Hafenstadt Massaua in Eritrea geboren, die war erst Teil der italienischen Kolonie, dann unter britischer Verwaltung und dadurch sehr international. Deshalb bin ich mehrsprachig aufgewachsen. Meine Mutter hat Tigrinya gesprochen, mein Vater Tigre, die offizielle Sprache war Amharisch, die in der Schule Arabisch.

Lust auf REGIO: Heute leben Sie in Freiburg?

Ahmed Yasin: Ja, in meinem Land gab es Krieg, deshalb wurden wir Flüchtlinge. Seit 1984 leben wir hier.

Lust auf REGIO: Beruflich dolmetschen Sie?

Ahmed Yasin: Genau. Meistens übersetze ich die afrikanischen Sprachen Tigrinya, Tigre, Amharisch und Arabisch. Neben dem Hocharabisch und Schriftarabisch beherrsche ich auch verschiedene Dialekte der Volkssprache. Jedes Land hat seinen eigenen Slang. Das habe ich mir über die Zeit hinweg beigebracht.

Lust auf REGIO: Wo arbeiten Sie vor allem?

Ahmed Yasin: Meistens arbeite ich in Psychiatrien und Krankenhäusern mit unbegleiteten Jugendlichen, die viel Schlimmes durchlebt haben. Die Leute haben mehr oder weniger die Hölle erlebt, und viele sind mit Albträumen belastet, haben Konzentrationsprobleme, mit ihnen arbeite ich gerne. Die Deutschen sind sehr hilfsbereit, die Ärzte auch, aber es fehlt die Sprache. Und die Jugendlichen wollen ihre Probleme und ihren Schmerz erzählen, aber sie können nicht. Da habe ich meinen Platz gefunden. Für mich ist das Herzensarbeit. Ich finde es toll, wenn ich sehe, dass es ihnen besser geht und sie jetzt zur Schule gehen und unterwegs sind. Das macht mir die größte Freude, die ich überhaupt empfinden kann. Manchmal habe ich auch gedacht, ich schaffe das nicht. Wenn ich gesehen habe, wie am Ende sie sind. Dann sehe ich sie wieder umherspringen und lachen und fühle, dass ich was Gutes gemacht habe.

Lust auf REGIO: Gab es besondere Herausforderungen?

Ahmed Yasin: Natürlich. Es gab Jugendliche, die sind durchgedreht, die kamen mit niemandem mehr klar. Sie haben alles verloren, kennen niemanden, können die Sprache nicht, und das einzige, woran sie sich klammern, bin ich. Weil ich die Sprache kann, weil ich ihre Probleme fühle, weil ich ähnlich aussehe, auch geflüchtet bin. Die wollten auch keine anderen Dolmetscher, sondern nur mich. Sie vertrauen mir. 

Foto: © Mona Mahmud