Ungewöhnlicher Bau: Das Ricola-Kräuterzentrum in Laufen Land & Leute | 15.05.2021 | Arwen Stock

aus Lehm gebautes Haus

Lehm galt lange als Baumaterial der Armen. Mittlerweile greifen bekannte Architekten wie Herzog & de Meuron darauf zurück: Auch für den Bau des Ricola-Kräuterzentrums in Laufen, für den eigens eine Maschine entwickelt wurde.

Modern und doch wie aus einer anderen Zeit liegt der Lehmbau des Ricola-Kräuterzentrums in der Landschaft – 111 Meter lang, 30 Meter breit und 11 Meter hoch. Der Klotz mit Holztoren und einem großen runden Fenster auf jeder Seite lässt die Handschrift von Herzog & de Meuron erahnen. Und doch verschmilzt er in seiner erdfarbenen Unauffälligkeit fast mit der Magerwiese, die das Gebäude umgibt.

2014 fertiggestellt, ist das Kräuterzentrum der siebte und bislang jüngste Bau von Herzog & de Meuron für Ricola. Seit 1983 hat die Eignerfamilie des Schweizer Bonbonherstellers immer wieder die Basler Architekten mit Um- und Neubauten beauftragt. Am Produktionsstandort des Unternehmens in Laufen ist damit ein einzigartiges Ensemble gewachsen, das die Entwicklung der Architekturauffassung von Herzog & de Meuron seit den Anfängen aufzeigt. Und dessen jüngstes Gebäude in diesem alten, fast vergessenen Baumaterial ausgeführt ist.

Perfektes Klima für Kräuter

„200 Jahre hat man sich keine Gedanken über Lehm gemacht“, betont Martin Rauch. Der 63-jährige Vorarlberger ist der Spezialist hinter den Stampflehmwänden des Kräuterzentrums. Bereits 1998 war er im Rahmen einer Machbarkeitsstudie für ein Schaulager in Basel mit den Architekten in Kontakt gekommen. Als Material für das Kunstmuseum war damals Stampflehm vorgesehen gewesen. Doch am Ende, so Rauch, war für die Bauherren ein irdenes Gebäude ein zu großes Risiko.

Gigantische Blöcke aus Lehm für den Lehmbau

Gigantische Blöcke aus Lehm: Genau 666 davon stecken im Lehmbau des Ricola-Kräuterzentrums (o.li.) in Laufen.

Zehn Jahre später war genau das sein Trumpf: Herzog & de Meuron wandten sich für das Kräuterzentrum an den Lehmbau-Pionier. Denn Rauch hat nach seiner Ausbildung zum Keramiker an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien Keramik studiert und 1983 seine preisgekrönte Diplomarbeit dem Thema „Lehm“ gewidmet. „Für mich war der Lehmbau wie der Makrokosmos der Keramik“, berichtet Rauch. Fortan war er fasziniert von der ökologischen Bauweise, in der einst französische Landschlösser und Industriebauten errichtet wurden, die aber im Zuge der Industrialisierung dem gebrannten Ziegel weichen musste – und zum „Baustoff der armen Leute“ wurde.

Maschine als Meilenstein

Als selbstständiger Künstler für Keramik und Lehmbau erhielt Rauch zahlreiche Preise, Dozenturen und immer größere Aufträge. Doch der Ruf von Lehmbauten hatte lange gelitten und erholt sich in der breiten Öffentlichkeit erst langsam. Umso größer war Rauchs Freude, dass die Ricola-Eignerfamilie so klar Position bezog. „Erst mit Stampflehm als Material hat die Bauherrschaft des Kräuterzentrums Begeisterung gezeigt.“ Kein Wunder, denn für die Verarbeitung von 250 Tonnen Kräuter pro Jahr schafft Lehm die perfekten Voraussetzungen: eine konstante Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent.

„Stampflehm ist wie ein Klimagerät“, sagt der Spezialist über die Eigenschaften des nachhaltigen Baumaterials. Zudem isoliere er gleichzeitig – eine weitere der vielen guten Eigenschaften, die der Qualität der Kräuter nach der Anlieferung bei Schnitt, Durchmischung und Lagerung zugute kommen.

Für dieses Klima stecken laut Rauch zwischen 3500 und 4000 Tonnen Lehm in den Wänden des Kräuterzentrums. Damit er mit seiner Firma „Lehm Ton Erde Baukunst“ diese Mengen in dem engen Zeitplan verarbeiten konnte, entwickelte er in einer nahen Werkhalle eine „Feldfabrik“ mit einer entsprechenden Maschine. Mit dieser ließen sich vor Ort 666 Blöcke innerhalb von fünf Monaten herstellen.

Die Idee, Blöcke aus Stampflehm vorzufertigen, hatte Rauch schon 1997. „Aber für eine entsprechende Maschine braucht es ein hohes Investitionsvolumen, das hat sich erst mit dem Ricola-Kräuterzentrum gelohnt“, berichtet er. Für das Bauen mit Lehm war diese Maschine – liebevoll „Roberta“ genannt – ein Meilenstein: Rauchs Firma in Schliens zählt nun 26 Mitarbeiter.

Dem Kräuterzentrum folgte der Lehmbau für den Alnatura-Campus in Darmstadt. Rauch ist froh über die Aufbruchsstimmung: „Jetzt haben wir völlig neue Möglichkeiten, den Lehmbau zu entdecken.“ Noch immer fasziniert ihn die Sinnhaftigkeit seiner Arbeit. Lehmbau und -architektur sind für ihn „ein guter Beitrag für Mensch und Umwelt, eine alte Sache, die man neu entdecken kann – wie ein ungehackter Boden“.

Info 

Aktuell gibt es aufgrund der Pandemie leider keine (Architektur-)Führungen durch das Ricola-Kräuterzentrum.

www.ricola.com
www.lehmtonerde.at

Fotos: © Ricola Group AG, Laufen; Lehm Ton Erde Baukunst / Emmanuel Dorsaz