Kollektives Lauschen – Preisgekrönter Plattenladen setzt auf „Betreutes Hören“ Musik | 20.02.2025 | Till Neumann

Der Plattenladen in der Freiburger City lockt viele zur „Betreutes Hören“-Session. Der Plattenladen in der Freiburger City lockt viele zur „Betreutes Hören“-Session.

Streaming boomt. Es lebe der Tonträger? Das Team von „Der Plattenladen“ in der Freiburger City glaubt fest ans Musikhören mit Haptik. Ihre Listening-Session „Betreutes Hören“ wird zum Magneten. Einen Bundespreis gibt’s on top.

Dienstag. 19 Uhr. Anfang Januar. Während es sich viele zu Hause gemütlich machen, geht’s im Plattenladen erst richtig los. Rund 30 Menschen haben sich eingefunden zum Betreutes-Hören-Abend rund um Tom Waits. Dem legendären US-Sänger mit Reibeisenstimme.

Markus Muffler vom Trio, das den Laden betreibt, führt durch den Abend. „Es gibt bestimmt genügend hier, die sich hervorragend mit Tom Waits auskennen, ich will daher gar nicht so viel erzählen“, stellt er klar. Die Gäste sind meist männlich, mittleren Alters. Mutmaßliche Musiknerds. Wie er selbst. Gekommen sind sie, um zusammen Songs zu hören. Knisternd vom Plattenteller.

Die Instagram-Seite des Musikgeschäfts ist an diesem Abend down. Vielleicht ein Grund mehr, auf ein Format zu setzen, das fast altmodisch wirkt. Durch drei Phasen von Tom Waits will Muffler heute führen. Für die Besuchenden gibt’s Brezeln und Wasser aufs Haus.

Los geht’s mit Songs vom Debütalbum Closing Time. „Ol’ 55“ tönt durch die weißen Boxen an der Decke. Köpfe nicken, Füße wippen im Takt. In den Regalen stehen Vinyl von Radiohead, Robbie Williams und Beethoven. „Einfach wunderschön“, schwärmt Muffler, als der Waits-Track zu Ende ist. Und kommt zu dessen legendärer Stimme: „Er hat sehr viel gesoffen, aber auch Stimmprobleme gehabt.“ Außerdem habe er unglaublich viel geraucht.

Muffler erzählt vom gescheiterten Supportkonzert für Frank Zappa, vom Wandel zum bluesigeren Sound und vom mitwirkenden George Duke unter Decknamen. Der Laden füllt sich im Laufe der rund 90 Minuten weiter. Mittlerweile sitzen Gäste auch auf dem Boden.

Das Konzept kommt an. Erfunden hat das Trio es im November 2023: „Die Idee ist daraus erwachsen, dass man alleine mit Verkauf von irgendwas nicht viel reißen kann“, erklärt Muffler. „Wir dachten, Listening Sessions sind ein guter Einstieg, die Leute in den Laden zu bekommen und ein easy zugängliches Kulturprogramm zu bieten.“

Anfangs seien rund zehn gekommen. Inzwischen konstant 20 bis 30. Auch in Berlin scheint man das zu wissen: Ende 2024 ist der Laden mit dem „Emil – Der Deutsche Preis für Schallplattenfachgeschäfte“ ausgezeichnet worden. 14 Geschäften kommt diese Ehre zu. „Wir sind mächtig stolz“, sagt Muffler.

Zu späterer Stunde spielt er „Clap Hands“ von Tom Waits. Der im Song geforderte Applaus könnte auch dem Laden selbst gelten. Er stellt sich wacker dem Streamingboom – und hat mit dem Angebot zum kollektiven Lauschen einen Nerv getroffen. An Optimismus fehlt es nicht. Wie lange die Vinyl noch lebt? Muffler reicht ein Wort: „Ewig.“ 

Fotos: © Till Neumann