Springen bis die Beine brennen: Lostboi Lino überzeugt auf dem ZMF Musik | 22.07.2024 | Till Neumann

HipHop, Rock, Elektro. Die Musik von Lostboi Lino ist schwer in eine Schublade zu packen. Möglicherweise war auch deswegen das Spiegelzelt auf dem ZMF am Samstagabend nur überschaubar gefüllt. Wer dabei war, konnte es aber kaum bereuen: Der Sänger überzeugte mit starken Texten, drückenden Beats und einer mitreißenden Sympathie.
„Wer von euch liebt mich?“
Wer am Samstagabend ins Spiegelzelt kam, war erstmal überrascht: Warum ist so wenig los? Gähnend leer wirkte der Raum, der bei ZMF-Shows in der Regel gut gefüllt bis rammelvoll ist. Doch als Lino die Bühne betritt, füllt sich die Tanzfläche dann doch.
Und der Lostboi lässt sich nicht vom Kurs abbringen: Mit „Erschieß mich“ startet der gebürtige Stuttgarter in den Abend. Und zeigt mit den ersten zwei Lines, um was es an dem Abend gehen wird: „Wer von euch liebt mich? Wer von euch hasst mich?“ Um die großen Gefühle also. Und rumgedruckst wird dabei nicht. „Komm bitte erschieß mich und mach es mit Absicht“, singt er weiter.
Mama und das Wasser
Das dürfte von den Fans keiner wollen. Die drei auf der Bühne fesseln schnell: Lino liefert mit seiner Gitarristin und dem Drummer Songs zum Tanzen, mit Texten zum Mitsingen. Dazu gibt’s Entertainment-Einlagen wie die mit der Wasserflasche. „Mama sagt, ich soll bei den Shows mehr trinken“, erzählt der Mann im schwarzen Netzhemd. Und das möchte er tun und macht daraus eine Challenge. Sobald er aus der Wasserflasche trinkt, soll das Publikum jubeln. „Der Rekord liegt bei 120 Dezibel“, verrät Lino. Am Mischpult misst sein Kollege am Ende zwar nur 107 Dezibel, das tut dem Spaß mit einigen Finten aber keinen Abbruch. Und ist für eine so überschaubare Menschenmenge mehr als ordentlich.
Die Drops zünden
Linos Stimme ist durchdringend. Mit einem Mix aus Rap und Gesang erzählt der Mann von Gefühlschaos, von Selbstzweifeln und Emotionsausbrüchen. Das geht beim Song „Gewitter“ unter die Haut. „Keiner kann mir sagen, wie lange du lebst / Und wann die Sonne endlich wieder scheint / Doch was keiner von den anderen versteht / In meinem Kopf ist Gewitter.“
Lino war als Support von Cro, ASD und den Orsons unterwegs. Sein Album „Phase“ erreichte 2023 Platz 51 der deutschen Albumcharts. Soundtechnisch macht er sein eigenes Ding: Die Songs mischen Elektronisches mit Live-Instrumenten und sind packend arrangiert. Die Drops zum Refrain zünden und bringen die Menge auf Temperatur. „Seid ihr ein Moshpit-Publikum?“ fragt Lino. Die Antwort ist verhalten, doch der Kreis schnell gemacht. Und dann gibt’s die vielleicht smoothste Rempelrunde aller Zeiten. Auch mal schön.
Show wird Family-Happening
Gesprungen wird viel an dem Abend. Höher, höher, höher. Lino feuert an, bis die Beine brennen. Bei seinem Hit „Taxi nach Berlin“ klappt das fantastisch. Zum Abschluss steigt Lino von der Bühne und singt inmitten seiner Fans. Da wird das halbleere Zelt einfach umgedreht in ein intimes Family-Happening. Beim nächsten Freiburg-Stop sollten mehr Leute da sein. Es lohnt sich. Der Muskelkater in den Waden am Tag danach ist der beste Beweis.
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Fotos: © Till Neumann