Gerangel um Nachträge – Neues BGH-Urteil Bauen & Wohnen | 02.03.2020 | bar

Es gibt so gut wie keine Baustelle, auf der nicht während des Bauens Mehrarbeiten zu erledigen sind. Beispiel Rohbau: Ausgeschrieben sind 200 Quadratmeter Schalung, beim Stellen derselben wird klar, dass 240 Quadratmeter benötigt werden.

Für die über 110 Prozent der ausgeschriebenen Menge hinausgehende Schalung, in diesem Fall 20 Quadratmeter, können Rohbauer und Bauherr einen neuen Preis verlangen. Dies sieht die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) vor. Dieser neue Preis ermittelt sich nach dem bisherigen Preisniveau des Vertrags – juristisch ausgedrückt: nach dem Grundsatz der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung. Das hat sich nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) nun geändert. Mit Folgen für beide Seiten.

Der BGH hat verfügt, dass für diesen Mehraufwand nicht mehr der ursprünglich kalkulierte Preis, sondern nur die tatsächlich angefallenen Lohn-, Geräte- und Materialkosten sowie „angemessene“ Zuschläge berechnet werden dürfen. „Und es bestehen gute Argumente für eine Übertragung dieser Grundsätze auch auf die Mehrvergütung bei geänderten und zusätzlichen Leistungen“, sagt Raffael Greiffenberg von der Staufener Baurechtsspezialistenkanzlei Steiger, Schill und Kollegen. Streitigkeiten um Nachträge sind in der Kanzlei so alltäglich wie der morgendliche Kaffee.

Da der BGH aber in einem Fall entschieden habe, in dem die Parteien ausschließlich die Regelungen der VOB/B zugrunde gelegt hatten und diese selbst keine Regelung enthält, wie der neue Preis konkret zu berechnen ist, enthält der Vertrag eine sogenannte planwidrige Regelungslücke. Diese sei nun anhand der tatsächlichen Kosten zu schließen.

Für Nicolas Schill gibt es diese Lücke aber nur, wenn die Parteien neben der VOB/B nicht von vornherein einen konkreten Maßstab für die Preisbildung vereinbart haben. Häufig gibt es eine solche Vereinbarung. Etwa auch die gute alte vorkalkulatorische Preisfortschreibung. Und wenn beide Seiten diese ausdrücklich vereinbart haben, dann greift das neue BGH-Urteil ins Leere. Entsprechende Vertragsgestaltungen gehören in Staufen auch zu den Alltäglichkeiten.

Eine ganz andere Frage sei jedoch, ob die Preisermittlung nach der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung bei Neuverträgen auch wirksam in den AGBs geregelt werden könne. „Dies ist vor dem Hintergrund des gesetzlichen Leitbildes in § 650 c BGB zumindest fraglich“, sagt Greiffenberg. Man müsse abwarten, wie sich die Rechtsprechung entwickelt.

Foto: © Pixabay