Versuche am Patienten Erbpacht: Rathaus legt neues Konzept vor Bauen & Wohnen | 20.08.2020 | Lars Bargmann

Siegerentwurf fürs geplante Neubauviertel Kleineschholz: Erbbauzinsen bei gefördertem Wohnungsbau null Prozent?

„Die Erbpacht ist nicht tot.“ Auf die Formel bilanzierte Oberbürgermeister Martin Horn die Neufassung der städtischen Erbbaurechte für Ein- und Zweifamilienhäuser, die die Verwaltung der Wohnungsnot-City unlängst vor Journalisten vorstellte. Und die der Gemeinderat hernach absegnete. Die Formel drückt aber auch aus, dass das jahrzehntelang funktionierende Erbbaukonzept angesichts steigender Bodenpreise und historisch gesunkener Zinsen zumindest am Tropf hängt.

Am Beispiel Ebnet, bei den Vergaberichtlinien für 14 Baugrundstücke, hatte sich in Freiburg eine lautstarke Debatte über Sinn und Unsinn von Erbbauzinsen entzündet, die vier Prozent des Bodenrichtwerts einfordern. Wenn der Bodenwert bei 1000 Euro liegt und das Grundstück 500 Quadratmeter groß ist, muss der Erbbaunehmer jährlich 20.000 oder monatlich 1667 Euro an den Geber bezahlen. Allein fürs Grundstück. Das konterkariert die politische Parole bezahlbares Wohnen.

Also musste nachjustiert werden. Auf drei Prozent vom Bodenwert – nicht vom pauschalen Bodenrichtwert – drückt das Konzept den Zins nun nach unten. Den Wert für jedes betroffene Grundstück soll die kommunale Bewertungsstelle beim Vermessungsamt ermitteln. Es ist fraglich, ob dieser Wert unterm Bodenrichtwert liegen kann.
Für jedes kindergeldberechtigte Kind,­ für pflegebedürftige Menschen oder Schwerbehinderte gibt es zudem 0,5 Prozent Nachlass. Sind die Kinder aus dem Haus, werden die Zinsen auf 2,75 Prozent gedeckelt – um die älter gewordenen Eltern zu schützen. „Wir richten das Konzept auf verschiedene Lebenssituationen aus und erreichen damit breite Schichten der Bevölkerung“, sagte Liegenschaftsamtsleiter Bruno Gramich.

Zudem können die Erbbaunehmer die Zinsen (je nach nun erstmals auch flexibler Laufzeit des Vertrags) auch auf einmal zahlen – was deutlich günstiger ist als über die komplette Laufzeit. Es gebe keinen Grund, Erbbaurechte beim Thema bezahlbares Wohnen zu verteufeln, sagte Sabine Recker, die das Referat für bezahlbares Wohnen im Rathaus leitet.

Auf bestehende Verträge hat das alles keinen Einfluss, wohl aber – seit Anfang August – auf neue oder zu verlängernde. Wer solche Verträge abschließt, wird trotz des Sozialpakets mehr als heute bezahlen. „Aber weniger als es sein könnte“, so Breiter. „Wir verzichten aus sozialer Verantwortung auf Einnahmen“, sagte Horn.
Da der Gemeinderat im Oktober 2018 beschlossen hatte, städtische Grundstücke ausschließlich nur noch zu verleihen – nichts anderes sind Erbbaurechte –, werden diese Regelungen fortan stadtweit gelten. „Erbbaurechte sind auch ein Mittel gegen Bodenspekulationen“, so Breiter.

Die Initiative „Bezahlbare Erbpacht in Freiburg“ findet die neuen Grundsätze grundsätzlich richtig, kritisiert aber etwa, dass es trotzdem teurer sei, auf einem Erbbaugrundstück zu bauen als eines zu kaufen und zu bebauen. Die „Vereinigung Freiburger Wohnungs- und Gewerbeunternehmen“ (VFW) sieht darin nur einen Anfang, „keinen großen Wurf“. Wenn man berücksichtige, dass die Idee des Erbbaurechts vor allem Bürgern mit nicht so gut gefülltem Portemonnaie den Immobilienerwerb ermöglichen soll, werde das auch durch das neue Konzept noch konterkariert. Da Banken Erbbaugrundstücke auf der Seite der Absicherung ungünstiger bewerten, müssten die Nehmer zudem höhere Finanzierungskosten stemmen.

In den Jahren 2017 bis 2019 wanderten aus den aktuell 1370 Erbbaurechten – etwa die Hälfte betreffen Ein- und Zweifamilienhäuser – jeweils zwischen 4,5 und 5,5 Millionen Euro in die Stadtkasse. Wie sich diese Zahl ändern werde? „Die Neuregelung wird darauf keine schwerwiegenden Auswirkungen haben.“

Im Herbst wollen Horn und Breiter auch neue Erbbaurechtregelungen für Grundstücke vorstellen, auf denen Mehrfamilienhäuser gebaut werden können. Das beträfe dann auch das Gebiet Stühlinger-West oder den Dietenbach – mithin Hunderte oder Tausende Wohnungen. Die VFW erwartet es „mit Spannung“. Und erinnert daran, dass es einen Gemeinderatsbeschluss gebe, der das Rathaus auffordert, zur Schaffung öffentlich geförderter Wohnungen den Erbbauzins auf null zu setzen. Es sei zu hoffen, dass Verwaltung und Gemeinderat sich dann daran erinnern. 

Foto: © Visualisierung: Dietrich | Untertrifaller Architekten ZT und Ramboll Studio Dreiseitl, Überlingen