Verein zur Rettung der Baukultur: Bauwerk Schwarzwald Schöner Wohnen | 31.10.2021 | Tanja Senn

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Moderne Schwarzwaldhöfe statt gesichtsloser Neubauten – dafür engagiert sich der Verein Bauwerk Schwarzwald. Warum, erklärt Architektin und Vorsitzende Diana Wiedemann im Interview.

Lust auf Regio: Warum braucht es einen Verein, der sich für die regionale Architektur einsetzt?
Diana Wiedemann: Es gibt sehr viele Akteure und Initiativen, die alle am gleichen Thema arbeiten: der Entwicklung und dem Fortbestand der Schwarzwälder Baukultur. Sie alle sind aber regional an einem Ort verhaftet oder betreffen nur ein spezielles Thema, sodass sie nicht das große Publikum erreichen. Das wollen wir ändern, indem der Verein als Dach über diesen ganzen Initiativen steht und die Aktionen bündelt, um mehr Schlagkraft zu entfalten.

Lust auf Regio: Ihr Verein ist seit gut einem Jahr aktiv. Wie sieht diese Schlagkraft bisher aus?
D. Wiedemann: Bereits bei der Gründung hatte der Verein 71 Mitglieder, jetzt sind es 104. Dazu zählen große Organisationen wie die Landkreise Waldshut-Tiengen und Lörrach oder der Naturpark Südschwarzwald, aber auch Einzelpersonen aus den Bereichen Architektur, Handwerk und Design. Sie alle beschäftigen sich mit der Frage: Wie kann man Schwarzwaldhöfe in die Zukunft bringen?

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Historischer Kornspeicher neu belebt: Der Kinzigtäler Sumhofspeicher wurde von Architekt Hardy Happle geplant und von Holzbau Göppert sowie Elektro-Wolber als Energieerzeuger mit Solardach in Schindeloptik umgesetzt.

Lust auf Regio: Will man das denn? Mit dem Lebenswandel der Menschen ändert sich eben auch die Architektur …
D. Wiedemann: Das ist das Problem mit den Schwarzwaldhöfen: In ihrer Nutzung haben sie ausgedient. Der Eindachhof wird von den meisten Landwirten nicht mehr für die Landwirtschaft genutzt, sondern als Wohnhaus oder für Ferienwohnungen. Die Ställe sind nicht mehr im Haus. Aber nichtsdestotrotz sind die Schwarzwaldhöfe ganz klar prägend für das Erscheinungsbild des ganzen Schwarzwalds.

Lust auf Regio: Und diese prägenden Gebäude verschwinden?
D. Wiedemann: Ja, leider. Es ist ein Phänomen im Baubereich – das nicht nur im Schwarzwald, sondern überall zu beobachten ist –, dass viele Neubauten keinerlei regionalen Bezug und Stil erkennen lassen. Die Fachzeitschriften sind voll mit Projekten, die architektonisch sehr schön sein mögen, aber überall stehen könnten. Und das ist ein Problem, denn Alltagsarchitektur, die austauschbar ist, vermindert die Identifikation des Menschen mit einem Ort. Dann fängt es schnell an, dass irgendwelche Versatzstücke aus anderen Regionen geholt werden und zum Beispiel ein mediterraner Garten angelegt wird. Das ist die Suche der Bewohner nach einer eigenen Formsprache, nach einer Identifikation mit dem Ort.

Lust auf Regio: Der typische Schwarzwaldhof zeichnet sich durch das weit heruntergezogene Dach und dunkle, niedrige Räume mit winzigen Fenstern aus – so möchten die wenigsten heutzutage wohnen …
D. Wiedemann: Deswegen geht es darum, die Höfe mit in die Zukunft zu nehmen. Beispiele, wie ein Schwarzwaldhof in einer modernen Formsprache aussehen kann, sind etwa der Neubau des Hotels derWaldfrieden in Herrenschwand oder das SteigenHaus des Hofguts Sternen in der Ravennaschlucht: Das hat die typische Form eines Schwarzwaldhofs, aber mit einem Glasdach. Denn das Ziel ist nicht, eine Puppenstube aufzubauen, wo die Dinge originalgetreu, aber in anderem Maßstab mit höheren Räumen oder größeren Fenstern nachempfunden werden. Wir wollen nichts eins zu eins übertragen, sondern neu und modern interpretieren.

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Architektin und Energieberaterin Diana Wiedemann

Lust auf Regio: Für viele Bauherren ist das sicherlich auch eine Kostenfrage.
D. Wiedemann: Nicht unbedingt. Die meisten Neubauten sind ja nicht billig. Über eine Billigarchitektur könnte man salopp hinwegsehen. Doch von den Bauträgern und Architekten werden die Gebäude als gute Architektur dargestellt – und das ist sie meist auch. Aber sie lässt eben den regionalen Bezug vermissen. Ein Beispiel: Im Schwarzwald haben wir kaum ebene Lagen. Doch Bauträger wollen üblicherweise eine flache Ebene, weil das viel einfacher ist mit dem Keller, mit Zugängen nach allen Seiten im Erdgeschoss … Dadurch wird die Landschaft massiv verändert. Beim Schwarzwaldhof wird hingegen die Topografie genutzt. So kommt man bei einer Hanglage zum Beispiel über die Hocheinfahrt ins Dach. Nicht, dass ich sage, so etwas braucht jeder, aber man kann
daraus lernen, wie man die Topografie eines Grundstücks nutzt.

Lust auf Regio: Die Schwarzwälder Bauweise schont nicht nur die Landschaft, sondern auch das Klima.
D. Wiedemann: In jedem Fall. Wir bearbeiten seit einigen Jahren das Thema „graue Energie“. Das umfasst die gesamte Energie, die es braucht, um einen Baustoff oder ein Material zu produzieren, um es vom Ursprungs- zum Verbrauchsort zu bringen, es einzubauen und – wenn das Gebäude wieder abgerissen wird –, die das Wegwerfen oder Recycling benötigt. In dieser Gesamtbilanz haben heimische Baustoffe eindeutig die Nase vorn. Wenn man die gesamten Kosten von erdölbasierten Materialien betrachtet – Transportkosten, Raffineriekosten und so weiter – dann kann es zukünftig einfach nicht mehr günstiger sein, einen Polystyrol-Dämmstoff anstelle einer Holzfaserdämmung aus heimischen Hölzern zu nutzen.

Fotos: © derWaldfrieden naturparkhotel, Holzbau Göppert GmbH, Felix Kästle