»Das Gefühl, es wird unscharf diskutiert« – Neuer Regierungspräsident wehrt sich gegen Bürokratieschelte Verwaltungsrecht | 20.04.2025 | Philip Thomas

Carsten Gabbert (unten) nimmt Wärmeversorgung in den Fokus: Denn nur 20 Prozent der Wärme, die im Land verbraucht wird, stammt aus erneuerbaren Energien.

Ein Jahr ist Freiburgs Regierungspräsident Carsten Gabbert im Amt. Den Fokus setzt der 51-Jährige auf Klima-, Hochwasserschutz sowie Land-, Forstwirtschaft und grenüberschreitende Zusammenarbeit. Den Vorwurf, Verwaltungen in Deutschland arbeiteten zu langsam, möchte sich Gabbert nicht gefallen lassen.

Das Mikrofon im Veranstaltungssaal des Freiburger Regierungspräsidiums (RP) brauchte Carsten Gabbert nicht. Immerhin arbeitete der ehemalige Unternehmer und Bürgermeister von Schuttertal auch sieben Jahre als Kinderfußballtrainer. „Eine große Organisation leiten zu dürfen, ist eine spannende Erfahrung“, sagt der Chef einer Behörde mit knapp 1800 Mitarbeitern.

Knapp die Hälfte aller 295 Gemeinden hat Gabbert im ersten Jahr seiner Amtszeit als Regierungspräsident bereits besuchen können. Besonderen Fokus legen möchte er neben grenz­überschreitender Zusammenarbeit mit Frankreich und der Schweiz auf den Ausbau erneuerbarer Energien: „Da ist Musik drin, und wir haben, was das angeht, viel Erfolg.“  Aktuell macht die Wärmeversorgung im Land mehr als die Hälfte des Energieverbrauchs aus. Aber nur 20 Prozent der Wärme, die in Baden-­Württemberg verbraucht wird, stammt laut RP aus erneuerbaren Energien.

Auch das am 1. April in Kraft getretene sogenannte Konsumcannabisgesetz und die damit verbundenen Gründungen von Cannabis-Social-Clubs hält die Erlaubnisbehörde auf Trab. „Wir kriegen teilweise Kritik, dass es zu langsam geht. Gleichzeitig fordern uns Leute auf, genau hinzusehen“, sagt Gabbert.

Der Ton wird rauer

92 Anträge für Cannabisclubs seien beim RP bisher eingegangen, 13 Erlaubnisse hat die Stelle erteilt. Zwei Anträge seien laut Gabbert abgelehnt worden – wegen eines von Rechts wegen untersagten Sponsorings sowie ebenfalls untersagter geschäftsähnlicher Strukturen im anderen Falle. Gegen sechs Genehmigungen wurde geklagt. Mit dieser Quote sieht sich das Freiburger Regierungspräsidium gut aufgestellt: Mehr Zulassungen als im Südwesten gebe es bundesweit nur in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

Gabbert sieht die Verwaltung in Deutschland zunehmend im Zent­rum von Kritik. Gegen Klagen und Vorwürfe, Institutionen wie das Regierungspräsidium bremsten die Bundesrepublik, wehrt er sich: „Wir reden unsere Leistungen klein.“ Und Gabbert entdeckt Parallelen zu Parolen aus dem US-Wahlkampf. „Ich habe das Gefühl, es wird unscharf diskutiert“, sagt er. Der Ton sei auch hierzulande rauer geworden.

Der Regierungspräsident will jedoch nichts relativieren. So sei etwa der Digitalisierungsgrad zu niedrig: „In den vergangenen Jahrzehnten haben wir Trends wie Prozessmanagement oder agile Methoden in der Verwaltung nicht nachvollzogen. Da sind wir als RP dran.“ Häufig seien es jedoch Einzelbeispiele, anhand derer Bürokratie verteufelt wird. Dafür verantwortlich sei auch die Presse.

Für den zur anschließenden Podiumsdiskussion geladenen Chef des Freiburger SWR-Studios, Christoph Ebner, ist das kaum nachzuvollziehen: „Wir berichten nicht, wenn der Schulbus pünktlich kommt, sondern wenn er in den Graben fährt.“ Im Zusammenhang bat der Studioleiter um verständliche Behördensprache – und verlas von der RP-Homepage einen 122 Wörter langen Bandwurmsatz.

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