Alte Tankstelle – Stylischer Wirtschaftswunderschatz Wohnkultur | 09.02.2025 | David Pister

Tankstellen Haus

Kochen im Verkaufsraum. Essen und schlafen in der Kfz-Werkstatt. Billard spielen, wo einst Autos gewaschen wurden. Marcus Ehrhardt und Katja Altmann wohnen zusammen mit Altmanns Tochter Livia Fringer in einer alten Tankstelle in Kirchzarten. In einer 0815-Neubausiedlung zu wohnen, war für das Architektenpaar undenkbar. Aber eine denkmalgeschützte Tanke? Damit hat Marcus Ehrhardt nicht gerechnet.

Ehrhardt wohnte in Freiburg – Altmann in Burg-Birkendorf. An der heruntergekommenen Tankstelle aus den 50er-Jahren sind die beiden täglich vorbeispaziert. Da müsste man doch was machen, sagten sich die beiden – ein Café oder ein Biergarten. Dann tauchte das Gebäude auf einem Immobilienportal im Internet auf. „Nach der Besichtigung war für uns klar: Wenn wir das kaufen, dann wohnen wir auch darin“, sagt Ehrhardt.

Wohnzimmer

Der Architekt vermutete hinter den weiß gestrichenen Fenstern eine dunkle Halle. Stattdessen kamen zum Vorschein: tolle Räume, Riesenfenster und eine Wand aus Glas. Die Bausubstanz war gut erhalten. Im Juni 2022 kaufte das Architektenpaar die Tankstelle. Anfang 2023 begannen sie mit dem Rückbau.

Wer bis Ende der 80er-Jahre von Freiburg in den Schwarzwald fuhr, kam unweigerlich an der Tankstelle vorbei. Die alte B31 führte Wochenendausflügler und Touris an die Zapfsäule von Oskar Schmidt. In der Bauphase gewann das Gebäude etwas vom alten Ruhm zurück: „Die Kirchzartener sind hier ganz selbstverständlich hereingelaufen“, erzählt Ehrhardt lachend.

Auch böse Überraschungen lauerten hinter der historischen Fassade: So wurden damals sogenannte Sauerkrautplatten in der Decke zubetoniert. Der Beton entmischte sich – der flüssige Teil sickerte in die Platten. „Das Zeug musste raus. Das wäre uns sonst weggeschimmelt und in fünf bis zehn Jahren eingestürzt“, sagt Ehrhardt. Auch bei einer Art Öl-Auffangstation, der Ölbar, musste viel Zeit investiert werden. Mehr als 30 Jahre sickerte dort unkontrolliert Öl in den Untergrund – Ehrhardt erinnert sich an „Fettbollen in Kinderkopfgröße“.

Zapfen in der Zukunft

Bereut haben sie es dennoch nie. Einige Kleinigkeiten müssten noch erledigt werden, aber zum Wohlfühlen reiche es dicke. Ehrhardt ist zufrieden, dass so viel wie möglich erhalten werden konnte. In der alten Ölbar ist jetzt tatsächlich eine Bar. Das Grubengitter der Waschanlage wurde aufgearbeitet und ist heute im Wohnzimmer verlegt.

Vielleicht wird an der alten Tanke in Kirchzarten auch bald wieder gezapft: Ehrhardt hat zwei Zapfsäulen ersteigert. Ob dort Bier oder Strom für ein künftiges E-Auto fließen wird, steht noch nicht ganz fest.

Wohnen in der alten Tankstelle: Damit haben Marcus Ehrhardt, Katja Altmann und Tochter Livia nicht gerechnet.

Wohnen in der alten Tankstelle: Damit haben Marcus Ehrhardt, Katja Altmann und Tochter Livia nicht gerechnet.

Fotos: © Marcus Ehrhardt, David Pister