Die Stimmung hat sich gewandelt business im Breisgau | 14.03.2023 | Philip Thomas

Karte mit Kennzeichnung des Ortes Energetisches Dreierlei: Die Standorte auf der Linacher Höhe sollen mal 20 Megawatt Windstrom bringen.

Mit einem Anteil von 25,2 Prozent war die Windkraft im Jahr 2020 erstmals der wichtigste Energieträger zur Stromerzeugung in Deutschland. Doch der Ausbau stockt. Südbadens Energie-Experten bemerken jetzt Rückenwind. Mit dem werde sich die Anzahl der Windmühlen zwischen Basel und Karlsruhe binnen fünf Jahren verdoppeln.

Die Bundesregierung hat ehrgeizige Ziele ausgegeben: Windkraft an Land soll sich von 58 Gigawatt im Jahr 2022 auf 115 Gigawatt bis 2030 verdoppeln. Das ist auch notwendig: Planung, Genehmigung und Bau eines einzigen Windrads dauern in Deutschland bislang zwischen fünf und sieben Jahre.

Die Folge: Genau drei Windkraftanlagen gingen vergangenes Jahr in Baden-Württemberg ans Netz, so das Landesumweltministerium. Energiewende sieht anders aus. Kein Wunder also, dass der Präsident des Bundesverbandes Windenergie, Hermann Albers, dem deutschen Süden jüngst ein „Armutszeugnis“ ausstellte.

Andere Experten bemerken frischen Wind: „Im vergangenen halben Jahr hat sich mehr getan als in den 30 davor“, sagt Andreas Markowsky. Den frischen Wind führt der Geschäftsführer der 1994 gegründeten Freiburger Ökostromgruppe auf verbesserte Rahmenbedingungen zurück: „Die durchschlagenden Erfolge kamen von Bund und EU.“

Mitte Dezember wurde im EU-Energieministerrat eine Notvereinbarung getroffen, wonach einzelne Prüfungen innerhalb von Genehmigungsverfahren für bereits ausgewiesene Windkraft-Gebiete entfallen können. Ende Januar beschloss das Bundeskabinett den von Wirtschaftsminister Robert Habeck getauften „Windausbau-Beschleuniger“ für Anlagen und Trassen an Land und auf See.

Andreas Markowsky

Bemerkt bessere Rahmenbedingungen und mehr Interesse von Kommunen: Andreas Markowsky, Geschäftsführer der Freiburger Ökostromgruppe.

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine wurde die Energiesicherheit in Deutschland zu einer Frage nationaler Sicherheit. „Alle Windkraftanträge, die bis zum Sommer 2024 eingereicht werden, haben deswegen stark vereinfachte Genehmigungen“, erklärt Markowsky. Gegenüber Denkmal- und Tierschutz werde der Ausbau von Windkraft nun stärker gewichtet. Der zweite Grund für den Aufwind sei gestiegene Nachfrage von Kommunen und Industrie: „Neue Energiegenossenschaften gründen sich.“

Auch die Zahl der Genehmigungsverfahren von Windkraftanlagen habe sich erhöht. Aktuell laufen bei der Freiburger Ökostromgruppe 25 Anträge. „Die allermeisten haben sehr gute Genehmigungschancen“, sagt Markowsky. Vergangenes Jahr erhielt sein Unternehmen nur zwei Zusagen von Ämtern. Der Experte prophezeit nun: „In den nächsten fünf Jahren wird sich der Anlagenbestand zwischen Basel und Karlsruhe verdoppeln.“ Aktuell drehen sich rund 100 Windmühlen in diesem Gebiet.

So plant die Ökostromgruppe zwei Rotoren auf dem Hohfirst bei Pfaffenweiler. Zwei 246 Meter hohe Anlagen sollen rund 15 Millionen Euro kosten und jährlich zehn Millionen Kilowattstunden Strom produzieren. „Die Gemeinden zeigen Interesse“, sagt Markowsky über die Beteiligten Schallstadt, Pfaffenweiler und Ebringen. Auf einer Informationsveranstaltung Mitte November in Schallstadt-Wolfenweiler sei von Windkraftgegnern wenig zu hören gewesen: „Die Stimmung hat sich gewandelt.“

Auch für Anlagen auf dem Kohlernkopf im Hexental laufen erste Gespräche. Geben die involvierten Gemeinden Bollschweil, Bad Krozingen, Sölden und Wittnau grünes Licht, könnte 2027 mit dem Bau von drei Anlagen begonnen werden. Laut Markowsky kann eine rund 250 Meter hohe Anlage an dem Standort rund zwölf Millionen Kilowattstunden bringen und damit einen großen Teil des Söldener Stromverbrauchs decken.

Die Gemeinde St. Peter ist stromtechnisch bereits Selbstversorger. Schon 2001 ließ dort ein Landwirt die erste Anlage in Betrieb nehmen. Seitdem sind fünf hinzugekommen. Zusammen produzieren die Mühlen jährlich rund 18,4 Millionen Kilowattstunden Strom. Fast drei Mal so viel wie der Ort verbraucht. Aktuell prüft die rund 2700-Seelen-Gemeinde die Möglichkeit weiterer Anlagen.

Und auch die Badenova dreht kräftig am Rad. 300 Megawatt will der Versorger bis 2035 durch Windenergie erzeugen. 20 Megawatt soll ein Windpark mit drei Anlagen auf der Linacher Höhe bei Furtwangen beisteuern. Entsprechende Verträge zwischen Badenova, Bürgern aus dem Oberen Bregtal sowie der KWA Contracting AG aus Stuttgart wurden am 13. Februar unterzeichnet.

»Die allermeisten haben sehr gute Genehmigungschancen«

Die Parteien versprechen sich von den drei Anlagen jährlich jeweils 15 Millionen Kilowattstunden und damit grünen Strom für 30.000 Personen. Drehen sollen sich die Windräder ab 2027. Die Badenova betreibt bereits Windparks am Kambacher Eck und am Hohenlochen in der Ortenau. Unterm Strich peilt das Unternehmen 60 neue Windkraftanlagen bis zum Jahr 2035 an. Auf der Agenda stehen Windparks in Oberndorf am Neckar sowie auf der Sirnitz bei Müllheim. Am Kallenwald bei Biberach ist derzeit eine Windmühle mit 4,2 Megawatt Nennleistung im Bau und geht im kommenden Jahr ans Netz.

Auch Sebastian Schüßler, Leiter Projektentwicklung Wind bei Badenova, spricht von mehr Tempo: „Aktuell sehen wir viele gute Zeichen, dass die Politik den Ausbau der regionalen Windkraft beschleunigen will. Das stimmt uns zuversichtlich, dass wir zukünftig bei einer schnelleren Umsetzungszeit landen als die bisherigen rund fünf Jahre.“

Insgesamt will die Badenova bis 2035 Anlagen bauen, die ein Gigawatt grünen Strom liefern sollen. „Ein Drittel davon durch Windkraft. Und das wollen wir in unserer Region gemeinsam mit den Kommunen und Partnern erreichen“, erklärt Klaus Preiser, Geschäftsführer der Badenova-Tochter Wärmeplus.

Markowsky fürchtet nun Lieferengpässe: „Die Logistik flutscht nicht mehr so wie früher.“ So verzögert sich das Repowering-Projekt auf der Holzschlägermatte am Schauinsland. Dort sollen zwei Alt-Anlagen durch eine neue ersetzt werden. Den Bauantrag hatte die Ökostromgruppe bereits im Sommer 2020 gestellt. Die Inbetriebnahme war ursprünglich für dieses Jahr vorgesehen.

Auch am Taubenkopf bremst der Beschaffungsstau. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Klage einer Initiative gegen zwei Windräder auf dem Berg abgewiesen hatte, begannen im Winter lediglich die Rodungsarbeiten. Neuer Spatenstich-Termin für die bereits im Dezember 2021 genehmigten Anlagen: 2024. Ohne den massiven Ausbau der Windkraft wird die Energiewende in einem Luftloch steckenbleiben.

Foto: © Badenova, Eberle