„Ein knallhartes Geschäft“: Bauverein Breisgau und die Wohnungsnot business im Breisgau | 31.07.2019 | Lars Bargmann

„Wir haben ein sehr erfolgreiches Jahr hinter uns.“ So eröffnete der Aufsichtsratschef Martin ­Behrens die Bilanzpressekonferenz des Bauvereins Breisgau. Bei der Verarbeitung dieses Zuspiels hatte der Vorstandsvorsitzende Marc Ullrich leichtes Spiel …

Die Bilanzsumme kletterte erstmals über die 300-Millionen-Euro-Grenze (siehe Zahlen & Fakten), der Jahresüberschuss liegt bei 5,7 Millionen Euro, die Zahl der Mitglieder in Freiburgs ältester Baugenossenschaft kletterte auf 23.299, die Spareinrichtung wuchs um 5,8 auf 112,5 Millionen Euro – und die Bautätigkeit ist durchaus als ambitioniert zu beschreiben.

Allein im vergangenen Jahr bauten die Genossen 148 neue Wohnungen: 123 im Uni-Carré, 16 im Carl-Sieder-Hof und 9 in Gundelfingen. Noch liegt die Durchschnittsmiete bei 6,54 Euro, lange wird sich dieser Wert aber nicht mehr halten lassen. „Für zehn Euro Miete kann man heute nicht mehr seriös bauen“, sagte Ullrich. Die Bodenpreise gingen „massiv hoch“, die Baupreise auch. Vor 20 Jahren gab es 5000 Bauvorschriften, heute sind es 20.000. Die Herstellung wird immer teurer.

Natürlich interessiere man sich für die Freiburger Baugebiete Kleineschholz und Dietenbach und habe dies in Gesprächen mit Oberbürgermeister Martin Horn auch gezeigt. Noch aber fehlten die Konditionen bei der Grundstücksvergabe. Und wenn die nicht zur beschlossenen 50-Prozent-Quote für sozialen Mietwohnungsbau ­passten? „Wenn es nicht wirtschaftlich ist, bauen wir nicht.“ Sein Vorstandskollege Jörg Straub sagte: „Wenn wir in Freiburg nicht wachsen können, werden wir das im Umland tun.“

Ullrich kann sich im Gespräch mit dem business im Breisgau nicht vorstellen, dass die 50-Prozent-Quote auf Erbpachtgrundstücken (in Freiburg sollen städtische Flächen nur noch auf Erbpacht vergeben werden) unterm Strich ein wirtschaftlich machbares Szenario ist. Wer erfolgreich Wohngeld beantrage, der bekomme schon heute mehr als 6,50 Euro Mietzuschüsse. „Also fördern die Bauherren solcher Wohnungen nicht am Ende das Land Baden-Württemberg?“, fragt er.

2300 Menschen stehen beim BVB derzeit auf der Wohnungswarteliste, die Fluktuation in den fast 5000 eigenen Wohnungen ist mit 5,9 Prozent auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Ullrich und Straub wissen, was die Genossen von ihnen erwarten. „Wir müssen liefern und das ist ein knallhartes Geschäft.“

Sehr rührig: Die BVB-Chefs Marc Ullrich und und Jörg Straub (r.)

Derzeit sind 312 Wohnungen im Bau oder projektiert. In Freiburg sind die Genossen noch auf den Gutleutmatten aktiv, wo ein Dutzend Mietwohnungen entsteht, in St. Georgen bauen sie das Haus Lukas mit ebenfalls zwölf Mietwohnungen, einer Seniorenwohngruppe mit zwölf Zimmern und einen Pflegestützpunkt für die evangelische Sozialstation Freiburg, in Opfingen an der Kirche St. Nikolaus zwölf Mietwohnungen und Räume für eine Wohngruppe.

Zudem ist der Baustart für ein Projekt auf dem Güterbahnhof mit 56 Wohnungen und einer fünfgruppigen Kita geplant. In Littenweiler, Ecke Alemannen-, Schlesier- und Sudetenstraße, war unlängst – nach dem Abriss zweier Bestandsgebäude mit der typischen Qualität von Nachkriegsbauten – Spatenstich für 24 neue Mietwohnungen, und an der Lichtenbergstraße wird auf einem Bestandshaus ein Stock draufgepackt und ein Anbau realisiert. Es gibt 13 neue Einheiten.

Die Spielorte im Umland sind in Gundelfingen, Kirchzarten, Schallstadt zu finden. Am Schobbach haben sich die Genossen bei einem Wettbewerb durchgesetzt und bauen bald 26 Wohnungen, zwei Wohngruppen und einen Quartiersraum. Beim Projekt „Wohnen am Kurhaus“ baut der BVB 35 Mietwohnungen sowie sechs Doppelhaushälften zum Verkauf. In der Ortsmitte von Schallstadt 16 Eigentumswohnungen (Quadratmeterpreise zwischen 4400 und 4800 Euro), 33 zur Miete, eine Kita, ein Café und eine Senioren-Tagespflegeeinrichtung.

Der größte Ball aber liegt im Herbolzheimer Quartier Herrengüter West III auf dem Feld: Hier bekam der BVB vom Rathaus den Zuschlag für die Bebauung eines 5500 Quadratmeter großen Areals, auf dem insgesamt 99 Einheiten entstehen: 64 Mietwohnungen für den eigenen ­Bestand, 15 Einfamilienhäuser und 20 Doppelhaushälften, die die Stadtverwaltung vermarktet. Im vergangenen Jahr hat der Bauverein knapp 32 Millionen Euro in den Neubau (23,4) und die Modernisierung des Bestandes (8,5) investiert. In den vergangenen zehn Jahren waren es 250 Millionen. Und in den kommenden zehn Jahren werde es ebenso viel sein, kündigte Ullrich an.

„Es wäre schön, wenn wir Unterstützung für ein zusätzliches Neubauprogramm auf den geplanten Flächen in Freiburg erhalten würden“. Diesen nachdrücklichen Wunsch haben Ullrich und Straub in der Vertreterversammlung Horn mit auf den Heimweg gegeben. Der setzt bekanntlich auf gemeinwohlorientierte Bauunternehmen. Und muss sich Gedanken machen, wie er sozialen Mietwohnungsbau, Erbpachtgrundstücke und wirtschaftlich darstellbare Bodenpreise unter einen Hut kriegt. Wenn es einen solchen Hut gibt. 

Fotos: © Bauverein Breisgau