Kräftige Signale gegen die 50-Prozent-Quote business im Breisgau | 03.08.2019 | Stefan Pawellek

Gerne wird von der „guten alten Zeit“ geredet. Doch wenn man genau hinschaut, dann war die alte Zeit keineswegs so gut – was erst jüngst wieder bewiesen wurde anlässlich der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen der Genossenschaft Heimbau Breisgau.

Denn auch 1919 gab es massive Probleme auf dem Wohnungsmarkt. Heute kritisiert Vorstand Martin Weiner die vom Gemeinderat beschlossene 50-Prozent-Quote für den öffentlich geförderten Mietwohnungsbau: „Es kann nicht im Sinn einer Genossenschaft sein, ein Haus mit zehn geförderten Wohnungen zu bauen und den Verlust über die Miete für zehn andere, frei finanzierte wieder reinzuholen.“

Gerne würde Weiner, schon seit 2000 amtierender Vorstand, auch im geplanten neuen Stadtteil Dietenbach bauen, aber mit der Sozialquote rechne sich das nicht: „Auch wir müssen wirtschaftlich arbeiten.“ Weiner plädiert vielmehr für ein Abkommen mit der Stadt, wonach neue Heimbau-Wohnungen im Dietenbach für unter zehn Euro pro Quadratmeter vermietet werden.

„Wir sind eine traditionelle Genossenschaft“, sagt er. Es gehe nicht um Profitmaximierung, sondern um bezahlbaren Wohnraum für die Mitglieder. Das war schon vor 100 Jahren so. Am 12. Mai 1919 hatten Privatpersonen die Baugenossenschaft gegründet, um sich am eigenen Schopf aus einem Sumpf aus Wohnungsnot, Geldentwertung, steigenden Preisen und sozialen Verwerfungen zu ziehen. Die Motoren der Gründung, Architekt Curt Balke und Baurat Wilhelm Sattler, hatten 100 Bürger um sich geschart, um gemeinsam – getreu der Devise des Genossenschaftsgedankens „Was einer nicht schafft, das schaffen viele gemeinsam“ – neuen und vor allem auch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und wer würde diese Problematik heute nicht als hochaktuell erkennen.

Heimbau_Baugenossenschaft

Heimat der Heimbau: Das beinah herrschaftliche Ensemble an der Ecke Stefan-Meier-Straße und Rennweg. Die historische Aufnahme zeigt den Innenhof.

Was heute problematisch ist, das war es auch damals schon: Waren schon 1919 Reihenhaussiedlungen für kinderreiche Familien in den Freiburger Stadtteilen Herdern und Waldsee entstanden, so musste sich die Heimbau angesichts der hohen Grundstückspreise auf den Mehrfamilienhausbau verlegen, um erschwinglichen Wohnraum realisieren zu können. Größtes Projekt damals, 1927 bis 1930, war der markante „Heimbau-Block“ an der Stefan-Meier-Straße mit 75 Mietwohnungen. In diesem beinahe herrschaftlichen Ensemble ist die Baugenossenschaft noch heute beheimatet. 

Derzeit baut die Heimbau für 4,1 Millionen Euro an der Blumenstraße in Gundelfingen 15 Mietwohnungen, im Schnitt liegt die Mitte bei 9,50 Euro, drei Euro unter der marktüblichen Neubaumiete. Im September startet in Elzach der Bau von zwölf Wohnungen, die inklusive des Grundstücks 3,1 Millionen Euro kosten. Im Januar 2020 ist Waldkirch dran: Ein zusätzliches Sechs-Familien-Haus wird auf dem genossenschaftseigenen Grundstück Hödlerstrasse 47 entstehen. Übergeben wurden unlängst 30 Mietwohnungen in Waldkirch-Batzenhäusle. Die Durchschnittsmiete liegt um die 9 Euro, die Investitionshöhe bei 6,5 Millionen Euro.

»Sozialpolitische Wunderwaffe«

Credo war und ist, „gediegene, mustergültige und gesunde Mietwohnungen“ zu errichten, wie es der frühere Geschäftsführer Karl Kuhn formulierte. Balkone, Einbaubäder, Lärmschutzfenster und zentrale Heizungsanlagen waren bei Freiburgs Heimbau schon seit den 60er-Jahren Standard. 90 Prozent aller 1238 eigenen Wohnungen sind bereits energetisch saniert. Die Heimbau steckt jedes Jahr rund 2,5 Millionen Euro in ihren Bestand. 

Gegründet wurde sie einst für den Mittelstand, heute reicht das Mitgliederspektrum vom Professor bis zum Hartz-IV-Empfänger. Alle erhalten vier Prozent Dividende auf ihre Geschäftsanteile und entscheiden auf jährlichen Mitgliederversammlungen mit. Die Mitgliederzahlen haben sich zwischen 2008 und 2018 fast verdoppelt (siehe Zahlen & Fakten), die Fluktuationsrate halbiert. Ein Spiegelbild der Situation auf dem Wohnungsmarkt. 

700 Mitglieder stehen mittlerweile auf der Warteliste für Wohnraum, teilweise bis zu fünf Jahre lang. „Das variiert, in Freiburg muss man eher länger warten, kürzer, wenn der Wohnungsort flexibel ist, beispielsweise auch Teningen oder Regio“, sagt Weiner.

Mit 1236 Wohnungen im Bestand und einem Eigenkapital von 33,5 Millionen Euro (2008 waren es 14,4 Millionen) ist die Heimbau Breisgau die kleinste der drei Freiburger Wohnbaugenossenschaften. Und vielleicht auch die am wenigsten bekannte. „Wir  sind weniger auf die kurzfristigen Schlagzeilen in den Medien aus als vielmehr auf nachhaltige und generationenübergreifende Bestandsentwicklung – für alle Bevölkerungsgruppen“, erzählt  Weiner. 

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Duo an der Spitze: Der nebenamt-liche Vorstand Hugo Ruppenthal (l.) und der hauptamtliche Martin Weiner.

Welch wichtige soziale Funktion auch die Heimbau hat, wurde in den Redebeiträgen anlässlich der Jubiläumsfeier im Denzlinger Kultur- und Bürgerhaus deutlich: Wohnen ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, Wohnungsmangel daher sozialer Sprengstoff. Aber auch: Genossenschaften müssten gewinnorientiert sein, damit sie gemeinwohlorientiert handeln können. Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn und der Emmendinger Landrat Hanno Hurth dankten der Heimbau daher für das, was sie in 100 Jahren in privater Initiative, nicht staatlich verordnet, für die Menschen und damit für das Gemeinwohl geleistet hat. „Weiter so“, rief Horn den Verantwortlichen zu. Theresia Theurl, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen der Universität Münster, sah dafür in ihrem Gastvortrag gute Chancen: „Das Geschäftsmodell ist nachhaltig, und wer 100 Jahre alt wird, der hat auch gute Aussichten, 200 Jahre alt zu werden.“ 

Sie warnte allerdings davor, dass sich Genossenschaften von der Politik vereinnahmen lassen. Politiker sähen im genossenschaftlichen Gedanken gern eine „Art sozialpolitische Wunderwaffe“, und das könne eine solche Institution unmöglich sein, insbesondere dann, wenn durch einen Wust an unrealistischen Vorstellungen, Vorschriften und Gesetzen die Rahmenbedingen für einen qualitativ hochwertigen, aber eben auch bezahlbaren Neubau erschwert würden. 

Fotos: © Heimbau