Sammelplatz für Suchtkranke: Auf dem neuen Pergolaplatz für Drogenabhängige wird es bereits eng Stadtentwicklung | 13.07.2024 | Philip Thomas
Umgezogen: Der „Käfig“ im Colombipark ist geschlossen. Der neue Szenetreff ist kleiner geraten.Freiburgs offene Drogenszene wurde umgesiedelt. Seit Ende Juni treffen sich Suchtkranke auf einem Pergolaplatz am nördlichen Ende des Colombiparks. Rund 2,2 Millionen Euro hat der Umbau gekostet. Der neue Szenetreff liegt in unmittelbarer Nähe zum Konsumraum, wurde aber möglicherweise zu knapp kalkuliert.
Der „Käfig“ macht seinem Namen zuletzt alle Ehre. Der langjährige Treffpunkt von Freiburgs offener Drogenszene hinter dem Trafohäuschen an der Ecke Rotteckring und Rosastraße ist seit Ende Juni von groben Maschen umzäunt. Neuer Sammelplatz für Suchtkranke ist ein Pergolaplatz am nördlichen Ende des Colombiparks. „Voll hier“, findet ein Mann dort und kramt weiter in seinen Taschen. Die Ecke ist an einem Freitagmittag gut besucht, rund 25 Personen tummeln sich darin.
„Wir wollten einen attraktiven Aufenthaltsraum schaffen. Der Colombipark soll ein Treffpunkt für alle Bürger werden“, erklärt Freiburgs Erster Bürgermeister Ulrich von Kirchbach zwei Wochen zuvor bei der Eröffnung. Schon seit 2016 gab es laut Stefan Lauber vom Freiburger Garten- und Tiefbauamt Planspiele für einen solchen Platz. Im Sommer 2022 gab der Gemeinderat grünes Licht für den Umbau.
Ausgestattet ist der Platz mit Bänken, einem Trinkwasserbrunnen und einem Urinal samt Sichtschutz. Für Verschattung und Sichtschutz sollen mal Ranken sorgen, aktuell wird die Ecke noch von provisorisch angebrachter Baufolie abgeschirmt. Außerdem gibt es zwei Eingänge, damit sich Streithähne aus dem Weg gehen können. Für Benedikt Vogt, Vorstand des Freiburger Drogenhilfe-Trägers AWO, ist der Platz ein wichtiges Mosaikstück. Und in der Szene sei die Erleichterung groß gewesen, als klar wurde, dass sie nicht aus der Freiburger Innenstadt vertrieben wird.
Ein großes Plus des Platzes ist laut Beteiligten die unmittelbare Nähe zum im Februar eröffneten Drogenkonsumraum beim Kontaktladen an der Rosastraße (wir berichteten). „Es liegt in Sichtweite. Diese Synergien sind landesweit einzigartig“, sagt Vogt. Während Stuttgart und Mannheim noch in der Planungsphase für Drückerstuben stecken, liegen Szenetreff und Konsumraum in Karlsruhe einige hundert Meter auseinander. Laut Vogt überlegen Suchtkranke dann zweimal, ob sie diesen Weg zur sauberen Nadel auch antreten.
1,45 Millionen Euro hat der Umbau der Freiburger Ecke gekostet. Obendrauf kommen 755.555 Euro für archäologische Untersuchungen: Forscher fanden unter anderem einen Springbrunnen aus dem 19. Jahrhundert, Mauerreste einer ehemaligen Vauban-Festung und einen 19 Meter langen Gang aus dem Mittelalter. Auch die Sicherung des knapp 130 Jahre alten Bergahorns an der Nordseite des Parks verzögerte den Bau des Pergolaplatzes.
Ist Freiburg nun ein Leuchtturm für Suchtkranke? Baden-Württembergs Minister für Soziales, Gesundheit und Integration, Manfred Lucha, gibt sich auf chilli-Anfrage zurückhaltend: Das Land habe flächendeckend gute Strukturen. AWO-Vorstand Vogt kritisiert indes fehlende Möglichkeiten, zum Konsumraum mitgebrachte Drogen auf lebensbedrohliche Verunreinigungen und Streckstoffe zu kontrollieren. Zwar gestattet eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes aus dem Jahr 2023 den Ländern seither sogenanntes Drug-Checking, wann diese Ermächtigung jedoch genutzt wird, ist laut Ministeriumssprecherin Theresa Osterholzer noch offen.
Kein Drug-Checking in Sicht
Ein rechtsfreier Raum soll der Platz laut Boris Gourdial, Leiter des Freiburger Amts für Soziales, nicht werden. Die Polizei werde das Dealen unterbinden. Der Drogenkonsum soll beim Kontaktladen stattfinden. Mit den Nachbarn habe man sich auf Öffnungszeiten von 8 bis 22 Uhr im Sommer und 8 bis 20 Uhr in den Wintermonaten verständigt. Mit den Anwohnern will Gourdial das Gespräch suchen und gegebenenfalls nachjustieren.
Die Vorsitzende des Lokalvereins Innenstadt, Anca Rosler-Koslar, kommentiert bei der Eröffnung: „Wir haben eine kleine Innenstadt und müssen den vorhandenen Raum unter allen Bürgern aufteilen.“ So sieht es nicht jeder. An der angrenzenden Colombistraße weht ein Protest-Plakat am Balkon. „Nai hämmer gsait“, ist darauf zu lesen.
Die für die Schließung des Platzes zuständige Sicherheitsfirma Eisenkolb meldet nach der ersten Betriebswoche keine Zwischenfälle. „Es gab keine Diskussionen“, sagt Geschäftsführer Alexander Eisenkolb. Allerdings habe ein Mitarbeiter bereits Verstärkung angefordert. „Der Platz war rammelvoll. Die Leute saßen auf den Treppen“, berichtet Eisenkolb. Schätzungsweise 40 Personen passen auf den neuen Platz – weniger als in den geschlossenen „Käfig“. Im Freiburger Kontaktladen auf der anderen Straßenseite sind derzeit 122 Suchtkranke registriert. Pro Tag verbucht die Anlaufstelle zwischen 80 und 100 Besuchen.
Fotos: © pt