Unglaublicher Digitalisierungsschub: Wie Firmen aus der Regio mit Home-Office klarkommen business im Breisgau | 02.06.2021 | Till Neumann

Grafik: Home-Office

Rund 30 Prozent der Beschäftigten in Deutschland arbeiten ganz oder teilweise von zu Hause aus. Laut einer Studie der Deutschen Bank leidet jedoch deren Produktivität. Wie sehen das Arbeitgeber·innen in Freiburg und dem Umland? Wie viele ihrer Mitarbeitenden arbeiten von zu Hause aus? Wie gut klappt das?

Jobrad 

„Es hat funktioniert“
Innerhalb von nur wenigen Tagen hat das Unternehmen im Frühjahr 2020 auf Home-Office umgestellt. „Es hat funktioniert“, sagt Pressesprecher Tassilo Holz. Rund 80 Prozent der Beschäftigten arbeiteten derzeit von zu Hause aus. Dafür wurde umgestellt. „Wir haben Team- und Projektmeetings und unseren wöchentlichen Gesamt-Jour-Fix, an dem nahezu das komplette Unternehmen teilnimmt, in den digitalen Raum verlegt und häufiger abgehalten“, berichtet Holz.

Die Zahl der Mitarbeiter·innen hat sich 2020 annähernd verdoppelt (von rund 250 auf knapp 500). Für die Einarbeitung der Neuen musste das Team kreativ werden: „Wir halten digitale Einführungsveranstaltungen ab und bieten regelmäßig Events wie Online-Spieleabende an, damit sich die Beschäftigten auch abseits des Arbeitsalltags kennenlernen können.“

Mitarbeitenden, denen zu Hause die entsprechende Ausstattung fehlt, habe Jobrad einen Ergonomie-Zuschuss gezahlt. Zudem biete die Firma freiwillige Resilienz-Trainings an, die Angestellte im Umgang mit dieser nicht alltäglichen Situation stärken sollen. Von einem „unglaublichen Digitalisierungsschub“ berichtet Holz. Gleichzeitig sehne sich das Team nach einem normalen Büroalltag. „Auf Dauer bleiben einfach zu viele Kontakte auf der Strecke.“ Dennoch werde Home-Office als freiwillige Option sicher erhalten bleiben – auch weil es CO2 einspart.

Stadtverwaltung Freiburg

„Massiver Schub“
„Viele Mitarbeitende arbeiten zu Hause oder organisieren ihre Arbeit flexibel“, berichtet Pressesprecherin Martina Schickle. Sie lobt das enorme Engagement der Kolleg·innen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Essentiell sei die Bereitstellung der technischen Möglichkeiten: „Es braucht geeignete Hardwareausstattung, sichere Zugänge, Möglichkeiten zu Telefon- und Videokonferenzen, den Ausbau der elektronischen Akte und Tools, die eine datenschutzkonforme Interaktion mit externen Partnern ermöglichen.“

Die Anforderungen seien extrem: „Innerhalb von wenigen Wochen hat unser Amt für DIGIT im März neben klassischen Telearbeitsplätzen mehr als der Hälfte der Verwaltungsmitarbeitenden einen sicheren Zugang zum städtischen Netzwerk ermöglicht“, so Schickle. Auch die Lizenzen für den Zugang über das Smartphone seien deutlich ausgeweitet worden. Rund eine Million Euro habe das Rathaus für die Umstellung auf Home-Office investiert.

Nach Eindämmung der Pandemie will das Team evaluieren: Was lief gut? Was lief nicht so gut? Schickle vermutet schon jetzt, „dass die Corona-Pandemie für die technische Weiterentwicklung der Verwaltung einen massiven Schub bedeutet“.

SICK AG

„Virtuelle Kaffeepausen“
„Die Sick AG setzt seit vielen Jahren auf flexible Arbeitszeitmodelle“, sagt Personalleiterin Cornelia Reinecke. Mobiles Arbeiten sei schon vor der Pandemie möglich gewesen, die technische Infrastruktur vorhanden. Somit konnte Sick „schnell auf die veränderten Gegebenheiten während der Pandemie reagieren“. Etwa 80 Prozent der Mitarbeitenden seien derzeit im Home-Office.

Die Krise habe die Digitalisierung erheblich beschleunigt, berichtet Reinecke. Die Folge sei eine steile Lernkurve im gesamten Unternehmen. Das Team habe – teilweise mit Erstaunen – festgestellt, dass virtuell viel mehr funktioniert, als für möglich gehalten wurde. „Viele Meetings liefen effizienter.“ Sie seien auch künftig nicht mehr wegzudenken. Dennoch seien sie nur bedingt für kreative Prozesse geeignet. Etwas Neues gemeinsam im Team und im direkten persönlichen Dialog zu entwickeln, gehe auf die klassische, persönliche Art und Weise erheblich besser. 

Auch der soziale Zusammenhalt leide: der Austausch von Angesicht zu Angesicht, das zufällige Treffen in der Kaffeeküche oder das gemeinsame Mittagessen. Als „sozialer Schmierstoff“ sei das wesentlich für ein gutes Miteinander. Daher seien auch virtuelle Kaffeepausen eingeführt worden.

Uniklinikum Freiburg

„Keine größeren Probleme“
Auch das Universitätsklinikum Freiburg setzt auf Home-Office, teilt Pressesprecher Benjamin Waschow mit. „Mitarbeiter in der Verwaltung können von zu Hause aus arbeiten und machen damit gute Erfahrungen.“ Schon vor der Pandemie haben Beschäftigte Home-Office beantragen können. Zuletzt seien mehrere hundert zusätzliche Home-Office-Arbeitsplätze eingerichtet und Laptops gekauft worden. „Als Universitätsklinikum achten wir natürlich ganz besonders drauf, dass die Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden.“

Da das Universitätsklinikum in der Digitalisierung weit vorne liege, habe es keine größeren Probleme bei der schnellen Umstellung gehabt. Waschow ist sicher: „Wir werden die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens auch nach der Pandemie weiter unterstützen.“

Studien

Wie produktiv ist Home-Office?
Eine Untersuchung der Deutschen Bank zeigt, dass die Arbeit im Home-Office weniger produktiv ist als im klassischen Büro. Grund dafür seien vor allem die erschwerte Kommunikation und IT-Probleme. Zudem seien gerade ältere Mitarbeitende nicht immer ausreichend mit der Technik vertraut. Kurioserweise zeigt jedoch eine Studie der Krankenkasse DAK, dass Angestellte sich im Home-Office produktiver einschätzen als im Büro. Unter 7000 Befragten gaben 59 Prozent an, zu Hause besser arbeiten zu können. 

Auch die Industrie in Südbaden setzt verstärkt auf Home-Office. „80 Prozent der Mitgliedsunternehmen arbeiten effizient mit dem Mobile Office“, berichtet der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden e.V. (wvib).  „Mobiles Arbeiten ist für die Industrie in Baden-Württemberg ein fester Bestandteil – nicht erst seit Corona“, betont Geschäftsführer Christoph Münzer. Unternehmen seien unterschiedlich, daher brauche es individuelle Lösungen, keine Zwangsjacken aus Berlin.

Illustration: © freepik.com