„Nah am Himmel“: Freiamt im Porträt Erkunden & erleben | 31.03.2023 | Wolfgang Speer

Sicht nach Ottoschwanden

62 Weiler, Zinken, Höfe und Häuser schmiegen sich in die leicht gewellte Landschaft: Freiamt bietet ausgezeichnete Wandermöglichkeiten. Außerdem sind erneuerbare Energien ebenso ein Thema wie der Erhalt bäuerlicher Schwarzwälder Alltagskultur.

Heimatmuseum Freiamt

In Ottoschwanden gibt die Stube im Heimatmuseum Einblicke ins Alltagsleben früherer Zeiten.

Seine „Alemannischen Gedichte“, die ihn weltberühmt machen sollten, waren gerade im Druck, als Johann Peter Hebel sich im Jahr 1801 von Karlsruhe aus aufmachte zu einem Besuch bei einem Freund: „Anderthalb Stunden von Emmendingen bergein und auf, verbreitet sich nah am Himmel über unzählige Hügel und Tälchen hin, drei Stunden weit im Durchschnitt, eine Pfarrei von 2000 Seelen in lauter vereinzelten Höfen.“ Die Schönheit der Gegend um Ottoschwanden – heute neben Brettental, Keppenbach, Mußbach und Reichenbach ein Ortsteil von Freiamt – begeisterte den Dichter. Die Zahl der „Seelen“ ist gewachsen – Freiamt hat heute etwa 4200 Einwohner –, und die per pedes kalkulierte Anreise aus dem elf Kilometer entfernten Emmendingen lässt sich wohl schneller bewerkstelligen. Aber wer die mehr als 50 Quadratkilometer große Gemeinde erwandern möchte, um den „romantischen Anblick der Höfe, die grünbewachsenen Hügel“ zu genießen, sollte – wie seinerzeit Hebel – mindestens drei Stunden einkalkulieren.

Spektakuläre Himmelsbilder

Spektakuläre Himmelsbilder auf den Höhen der „Hocke“.

Mildes Klima ist garantiert in der Lage auf einer Höhe zwischen 255 und 744 Metern, die großen Wald- und Wiesenflächen sind durchzogen von gut markierten Wanderwegen. „Gerade die Zinken sind sehenswert“, erzählt Gerhard Rist, Wanderführer und Kenner vieler Besonderheiten in Freiamt. Wer bei Zinken zuerst an eine Gabel oder Forke denkt, liegt gar nicht so falsch: Im Alemannischen bezeichnet das Wort wie ein Zacken von einer dörflichen Ansiedlung „abstehende“ Gehöfte: „Da liegt ein Bauernhof oft idyllisch und zauberhaft in der Landschaft, umgeben von Weiden und Streuobstwiesen“, erklärt Rist.

Obere Rost-Mühle

Das Rad der mehr als 250 Jahre alte Oberen Rost-Mühle dreht sich im Bleichtal.

Rist und seine Kollegen bieten von Mai bis Oktober geführte Wandertouren an: zur Kniesteinkapelle oder zu einer der fantastischen Aussichten entlang des Hohecks. Aber auch andere Ziele finden sich im abwechslungsreichen Angebot, das nicht nur für Urlaubsgäste kostenlos ist.

Wanderglück

Wer auf eigene Faust die Naturschönheiten erkunden möchte, findet in der Wanderkarte Freiamt 140 Kilometer ausgeschilderte Wege. Neben leichteren Touren wie der Acht-Kilometer-Runde vom Kurhaus zur Burgruine Keppenbach und über die Glasig zurück, sind auch sportliche Herausforderungen möglich: Gipfelstürmer kommen auf der Hünersedel-Tour auf ihre Kosten. Schweißtreibende 744 Meter hoch ist der Freiamter Hausberg. Der 29 Meter hohe Aussichtsturm auf dem Gipfel bietet grandiose Ausblicke auf die Rheinebene, die Vogesen, den Jura und den Schwarzwald. Mindestens viereinhalb Stunden sollten für den „Historischen Wanderweg“ einkalkuliert werden, der aufschlussreiche Einblicke in eine Zeit verspricht, in der die Gemeinde ihren Namen bekam: Die Grundherren im Mittelalter gaben den hier ansässigen Menschen das Recht, über den von ihnen geliehenen Grundbesitz relativ frei zu verfügen, ihn gar zu vererben. Es war diese seinerzeit ganz außergewöhnliche Praxis, an die der Name „Freiamt“ erinnert.

Raum des Heimatmuseum

Das Heimatmuseum in Ottoschwanden dokumentiert liebevoll ein Stück Geschichte.

Frei und unabhängig ist die Gemeinde heute mit Blick auf die Energieversorgung: Hier kommt das gesamte Spektrum erneuerbarer Energien zum Einsatz, um den Bedarf an Strom und Wärme zu decken. Sechs Windkraft- und zwei Biogas-Anlagen sind in Betrieb, mit Wasserkraft betrieben werden zwei Sägewerke und eine Mühlenbäckerei. 160 Sonnenkollektoren werden zur Warmwasserbereitung genutzt. Ein findiger Landwirt nutzt sogar die beim Kühlen von frisch gemolkener Milch entstehende Abwärme, um Nutzwasser aufzuheizen. Allein durch den Betrieb der Windkraft-Anlagen werden jährlich 20.000 Tonnen CO2 eingespart. Letztere sind bei Besichtigungstouren für interessierte Besucher zugänglich, ebenso wie eine der Biogas-Anlagen.

Bäuerliche Schwarzwälder Alltagskultur ist auf dem Freihof im Ortsteil Ottoschwanden zu erleben: Auf dem großzügigen Areal hat der Heimatverein Freiamt einen Bauerngarten angelegt und in den Gebäuden ein Heimatmuseum geschaffen. Das alte Leibgedinghaus, auch „Bäule“ genannt, beherbergt eine historische Küche, Stube und Schlafkammer sowie eine Schuhmacherwerkstatt. Im oberen Stockwerk warten „magische Augen“ auf die Besucher: Das Radiostüble, eine kleine, aber feine Sammlung, zeigt die Geschichte des Radios vom einfachen Detektor bis zum Röhrenradio in den 70er-Jahren. In der urigen Scheune gleich nebenan sind historische landwirtschaftliche Geräte zu sehen. Und wer hören will, wie die Zeit vergeht, besucht im ehemaligen Stall des Freihofs die einmalige Sammlung funktionstüchtiger Turmuhren mit unterschiedlichsten Antrieben.

Jeden Freitagnachmittag gibt’s auf dem Freihof einen Bauernmarkt mit Marktcafé – ein beliebter Treffpunkt zum „Schnadere“, wie auf Freiämterisch das Schwatzen heißt. Zum „Schnadere“ gehört das „Schlemmen“ – und da bleiben in Freiamt keine Wünsche offen. Ob Käse, Schnaps, Eier, Obst oder das beliebte Holzofenbrot: Der Weg zu regionalen Produkten ist kurz, denn dreizehn Direktvermarkter warten mit einem reichhaltigen Angebot – oft in Bioqualität. Die Gastronomie ist vielfältig und reicht von der Vesperstube über die urige Dorfgaststube bis zum Hotel-Restaurant.

Wer die Gegend „nah am Himmel“ erkunden möchte, sollte sich mit der Broschüre „Ferienzeit“ und der Wanderkarte ausrüsten, die in der Tourist-Information erhältlich sind. So werden Urlaubstage oder ein Tagesbesuch in Freiamt zum himmlischen Vergnügen für Groß und Klein.

Info
www.freiamt.de

Fotos: © Wolfgang Speer