Nussiger Herbstgenuss: Esskastanien Haus & Garten | 18.10.2022 | Frank von Berger

Esskastanien am Boden

Die Sammelsaison beginnt im September und reicht bis in den Oktober hinein: Derzeit haben Esskastanien Hochkonjunktur. Das frühere „Brot der Armen“ gilt heute als schmackhaftes „Superfood“ – und die markanten Bäume als Trumpfkarten im Klimawandel.

Das eigentlich im mediterranen Raum heimische Gehölz wurde einst, wie auch die Weinrebe, von den Römern mitgebracht. Die Früchte beider Gewächse sollten die Legionäre bei ihren Feldzügen nördlich der Alpen stärken und bei Laune halten. Die damals eingeführten Pflanzenarten haben die Jahrtausende überdauert und sind inzwischen ein fester Bestandteil der heimischen Flora im Südwesten Deutschlands geworden. 

Kastanien Naturdenkmal

Esskastanien zählen zu den ältesten Kulturpflanzen. Im warmen Weinbauklima gedeihen sie besonders gut.

Fast ein Viertel aller Esskastanienbäume Deutschlands wachsen in der Ortenau, vor allem rund um Oberkirch. Aber auch im Südschwarzwald werden die botanisch Castanea sativa genannten Gehölze seit Jahrhunderten kultiviert. Neben uralten Höfen stehen oft fast ebenso alte Esskastanienbäume. So etwa im oberen Suggental bei Waldkirch, wo an einem hohlstämmigen, aber immer noch vitalen Baumriesen ein Schild verkündet: „Naturdenkmal Kastanie ca. 1670“. Der markante Baum wurde und wird andernorts in Deutschland vorwiegend als Ziergehölz in Parks oder Landschaftsgärten gepflanzt, aber dies meist ohne Hoffnung auf Früchte. Denn die reifen nur im milden Weinbauklima zuverlässig aus.

Kein Wunder, dass im Südwesten die Esskastanien zu den beliebtesten Herbsttrophäen zählen, es gibt sie hier reichlich. Da wir Menschen ja bekanntlich Jäger und Sammler sind, wecken die reifen Baumfrüchte archaische Gelüste. Obwohl mittlerweile eher Schnäppchen im Discounter oder Internet angesagt sind, ist das Sammeln in der Natur immer noch beliebt. Doch darf im Wald einfach drauflos gesammelt werden? Wie für fast alles in Deutschland gibt es auch hierfür gesetzliche Bestimmungen. In bestem Amtsdeutsch heißt es im Waldgesetz für Baden-Württemberg (BWLWaldG): „Jeder darf sich Waldfrüchte, Streu und Leseholz in ortsüblichem Umfang aneignen.“ In öffentlich zugänglichen Wäldern ist das Sammeln von Esskastanien, auch Maronen genannt, also ausdrücklich erlaubt – solange dies nicht gewerblich geschieht.

Esskastanien können aber auch im Garten kultiviert werden, vorausgesetzt, der ist groß genug. Sie gedeihen am besten an einem vollsonnigen bis lichtschattigen Standort. Auch trockene Böden werden toleriert, was angesichts des Klimawandels wichtig ist. Förster plädieren deshalb dafür, die Esskastanie öfter bei der Aufforstung von Wäldern einzusetzen. Wer im eigenen Garten Sämlinge aus Wildbeständen aussät, braucht sehr viel Geduld, denn die blühen und fruchten frühestens im Alter von 20 Jahren und werden über 30 Meter hoch. Für Hausgärten finden sich in Baumschulen Sorten wie „Ecker 1“, „Marigoule“, „Marsol“ oder „Großfrüchtige von Lyon“, die maximal zehn Meter hoch wachsen und schon in jungen Jahren große, schmackhafte Früchte hervorbringen. Einmal gepflanzt, sind bei den Bäumen übrigens keine weiteren Pflege- oder Schnittmaßnahmen nötig.

Köstlich gesunde Leckerei

Esskastanien

Esskastanien enthalten Kalium, viele Kohlenhydrate und Vitamine. So zahlreich wie die Inhaltsstoffe sind auch die Zubereitungsmöglichkeiten: Ob gekocht, gebraten oder gedünstet – die herzförmigen Früchte sind ein schmackhafter Genuss.

Und wie werden Ess-Kastanien genießbar? Einfach die Schale der Früchte am oberen oder unteren Ende kreuzweise einschneiden und in einer trockenen, gusseisernen Pfanne bei niedriger Temperatur rösten. Dabei sollten die Kastanien nicht kohlrabenschwarz werden. Kochen in Wasser geht aber auch. Zwanzig Minuten sind ausreichend, auch beim Rösten in der Pfanne. Ist die Schale abgepult, kann das mehlige Fruchtfleisch genussvoll geknabbert werden. Oder es wird durch Pürieren in ein leckeres Mus, eine Suppe oder in die Füllung einer Martinsgans verwandelt. Die botanisch als Nüsse klassifizierten Früchte sind reich an Eiweiß, Kohlenhydraten, Vitaminen und Spurenelementen. Und weil Esskastanien glutenfrei sind, schätzen Allergiker das daraus erzeugte Mehl als Ersatz für Getreideprodukte. Die braunschaligen Baumfrüchte gelten wegen ihrer wertvollen Inhaltsstoffe neuerdings als „Superfood“. Das waren sie aber auch schon früher. Denn als „Brot der Armen“ sättigten sie einst im Tessin, wo Getreide kaum gedeiht, die ärmere Bevölkerung, weil die sich importiertes Getreide nicht leisten konnte. Noch heute erinnern im Süden der Schweiz die herbstlichen Kastanienfeste an die enorme Bedeutung, die diese Frucht dort früher hatte.

Fotos: © Frank von Berger; iStock.com/ohne Titel