Ran an die Sprossen: Vitamine von der Fensterbank Haus & Garten | 05.01.2021 | Heide Bergmann

Sprossen

Um gut durch den Winter zu kommen, braucht unser Körper Vitamine, Mineralien und Vitalstoffe. Knackige Sprossen, Keimlinge und Grünkräuter von der Fensterbank sind dafür ideal – die kleinen Kraftpakete stecken voller Überraschungen.

Samen keimen lassen hat eine jahrtausendealte Tradition. Ein Heilkundiger aus China empfahl bereits vor 5000 Jahren Sojasprossen gegen vielerlei Krankheiten. Vor 250 Jahren wurden die Vitamin-C-reichen Sprossen in der Seefahrt als Superfood gegen Skorbut eingesetzt. Tatsächlich steckt ein Samenkorn voller Power. Kommt es mit Feuchtigkeit und Wärme in Berührung, quillt es auf. Die Keimung beginnt. Der Samen mobilisiert jetzt die gespeicherten Vorratsstoffe und verwandelt sie in verwertbare Vitamine, Mineralien, Enzyme und sekundäre Pflanzenstoffe, damit der Spross austreiben kann. Dies ist ein höchst dynamischer Prozess und geht rasend schnell vor sich, geradezu explosionsartig. Der Vitamingehalt eines Sprösslings kann sich in nur drei Tagen um bis zu 700 Prozent potenzieren. Sein gesundheitlicher Nährwert ist beachtlich. So enthalten Keimlinge und Sprossen Vitamin C, B1, B2 und E, Niacin, Biotin, Carotin, außerdem Eisen, Kalium, Kalzium, Zink, Magnesium und Spurenelemente. Sprossen von Kreuzblütlern wie Brokkoli, Senf, Rucola oder Radieschen enthalten Senföle, die zu den sekundären Pflanzenstoffen zählen und antibakteriell wirken.

Bunte Keimlinge

Mittlerweile gibt es eine große Auswahl an Sprossen, die man fertig oder als Keimsamen zum Selberziehen kaufen kann. Beliebt sind die Alfalfa-Sprossen, die mild und nussig schmecken. Sie keimen besonders leicht und sind für Einsteiger sehr zu empfehlen. Ebenso erfolgversprechend ist das Keimen von Mungobohnen-Sprossen, die leicht mit Sojakeimlingen zu verwechseln sind. Als Topping auf Salaten, in Wok-Gerichten oder Tofubratlingen kommen die knackigfrischen Sprossen gut. Gekeimte Weizenkörner schmecken eher süß, Sonnenblumenkeime nussig. Beide passen prima ins Müsli. Die gehobene Gastronomie hat Sprossen und Grünkräuter längst entdeckt. Da bieten Lauch- oder Knoblauchkeimlinge, pinkfarbene Rote-Beete-Sprossen, Rosabi Sprouts oder dunkelrote Radieschensprossen ein farbenfrohes Finish, das nicht nur optisch besticht, sondern auch geschmacklich mit pikanter Schärfe den Gaumen kitzelt.

Sprossen Keimlinge

Klein, aber oho: Sprossen, und Grünkräuter, wie hier von Brokkoli und Radieschen lassen sich auf der Fensterbank leicht selbst ziehen.

Eine saubere Sache

Eine eigene Sprossenzucht ist leicht machbar, wichtig ist dabei die Hygiene. Denn Feuchtigkeit und Wärme befördern nicht nur die erwünschten Keime, sondern können in seltenen Fällen auch krankmachende Bakterien vermehren. Am besten sprießen die Sprossen in einem Keimglas, das vor der Verwendung mit heißem Wasser gereinigt werden muss. Spezielles Keimsaatgut, nach bestimmten Vorgaben angebaut und mikrobiell gereinigt, ist im Bio-Handel erhältlich. Hygienisches Arbeiten ist von Beginn an angesagt: Die Samen sollten nicht mit den Händen in Berührung kommen. Und so geht’s: In das Glas ein bis zwei Esslöffel Keimsamen füllen, lauwarmes Wasser hinzugeben und einige Stunden stehen lassen. Dann das Wasser durch den Siebeinsatz abgießen, noch mal mit frischem Wasser durchspülen und das Glas über Kopf schräg stellen. So fließt das Wasser ab, die Samenkörner haben genügend Luft und schimmeln nicht. Zweimal täglich werden die Samen auf diese Weise gespült. Bei einer Temperatur von 18–21° C sollten die Keimlinge in drei bis sieben Tagen erntereif sein.

Die meisten Sprossen wie Alfalfa, Mungobohnen oder Linsen können unbedenklich roh verzehrt werden. Einige Hülsenfrüchte wie Soja, Erbsen oder Kichererbsen enthalten allerdings im rohen Zustand gesundheitsschädliche Stoffe und sollten deshalb am Schluss kurz mitgegart werden. Schwangere und Personen mit geschwächtem Immunsystem sollten gar keine rohen Sprossen verzehren. Werden die Sprossen ausreichend erhitzt, steht dem ungetrübten Genuss nichts im Weg.

Smoothie

Microgreens oder Grünkräuter schmecken aufs Butterbrot gestreut ebenso wie im Smoothie.

Microgreens

Microgreens oder Grünkräuter sind ein neuer Food-Trend aus den USA. Die Anzucht funktioniert ähnlich wie bei Kresse, nur zieht man Gemüsearten an. Beliebt sind Rotkohl, Rote Beete, Brokkoli, Mangold, Erbsen oder Rettich. Statt zu warten, bis das ausgewachsene Gemüse erntereif ist, kommen die kleinen, zarten Keimpflanzen auf den Teller, die wenige Zentimeter gewachsen sind. Microgreens sind im Prinzip wie Sprossen, nur erhalten sie noch einen zusätzlichen Wachstumsschub. Dafür brauchen sie Nährstoffe. Deshalb sät man sie in Erde. Nach acht bis zehn Tagen lassen sich die Microgreens „ernten“. Dieser Gemüseanbau im Schnelldurchgang hat erstaunliche Vorteile: Zum einen funktioniert er selbst im Winter auf der Fensterbank, zum anderen besitzen Microgreens erstaunlich viele Inhaltsstoffe. Rotkohl-Microgreen etwa hat 260-mal so viel Beta-Carotin, 40-mal so viel Vitamin E und 6-mal so viel Vitamin C wie der fertige Rotkohl. Die Blättchen enthalten außerdem Chlorophyll. Microgreens schmecken würzig, scharf, pikant und knackig frisch. Ob als Rohkost oder gegart, in Salaten, Smoothies oder einfach übers Butterbrot gestreut – einer kreativen Verwendung in einer gesunden Winter-
küche steht nichts im Wege. Für die Zucht benötigt man eine Aussaatschale, torffreie Anzuchterde und einen hellen Fensterplatz. Auch für die Microgreens sollte Keimsaatgut verwendet werden. Im Internet bietet ein Start-up ein praktisches Set an, mit dem es ganz einfach geht. Es besteht aus Kokosnuss-Schalen, Kokosfaser-Talern und Bio-Keimsaatgut und wurde, ganz nachhaltig, aus Abfallprodukten der Kokosfettgewinnung entwickelt.

Info

www.growgrownut.com

Fotos: © Pixabay, Heide Bergmann