Tierisch entschleunigt: Mit Eseln unterwegs im Zastlertal Freizeit | 28.06.2020 | Stella Schewe

Esel

Vier Menschen und zwei Esel auf gemeinsamer Wandertour – kann das gutgehen? Nach einer Einführung in die „Eselsprache“ sieht erst mal alles danach aus. Doch im Laufe des Tages stellt sich immer wieder die Frage: Wer ist hier eigentlich der Chef?

Klar ist, wer theoretisch der Chef sein sollte: Das sind wir vier – die Eltern mit ihren beiden erwachsenen Söhnen –, die mit den gestandenen Eseldamen Ida und Emma an einem sommerlichen Tag vom Zastlertal zur Stollenbacher Hütte und zurück wandern. In der Praxis aber ist das, gelinde gesagt, nicht immer ganz so klar. Ida und Emma jedenfalls wissen sehr genau, was sie wollen. Solange wir das auch wissen, ist alles gut. Aber wehe, wir kommen an eine Abzweigung …

Doch der Reihe nach: Solange wir frisch und munter sind, läuft alles ganz geschmeidig – und das, obwohl Rita Gering vom Adamshof gewarnt hatte: „Das erste Stück ist das schwierigste, wenn sich die Esel von der Herde lösen müssen.“ Wichtig sei: Niemals an dem Seil ziehen, an dem man sie führt, ihnen mit Respekt begegnen und immer ein bisschen Abstand zwischen Esel und Mensch lassen. Die beiden Stuten sind ebenfalls frisch und lassen sich willig bergauf führen, was uns prompt mit Stolz erfüllt. „Geht doch“, denken wir. „Schließlich kennen wir uns aus mit Tieren, wir haben ja eine Katze.“

Ganz lässig laufen wir zu sechst zu den Eislöchern – kleine, im Schatten unter Felsen liegende Höhlen, in denen das Wasser oft bis in den Sommer hinein noch gefroren ist. Dort lassen wir die beiden ein bisschen grasen und sind positiv überrascht davon, wie leicht sie sich nach der kurzen Pause zum Weiterlaufen animieren lassen. Entlang eines Bachs mit kleinen Wasserfällen geht es durch sattes Grün nach oben. Geübt und spielerisch suchen sich die Hufe der Eselinnen Platz zwischen den vielen Steinen, behände kraxeln sie Stück für Stück aufwärts.

Weiterlaufen? Fehlanzeige

So weit, so flott. Doch dann kommen wir auf einem breiteren Weg zu einer Abzweigung, und es stellt sich die Chef-Frage: Ein kurzes Zögern unsererseits und schon haben die zwei Eseldamen die Oberhand. Ab ins Gras, sagen sie sich übereinstimmend, und stehen sofort mitten im für sie überaus verlockenden Löwenzahn am Wegesrand. Weiterlaufen? Fehlanzeige. Erst mal ist ausgiebiges Fressen angesagt. Wichtig sei die Grundidee, hat Gering uns erklärt: „Ihr habt die Führung. Das mit der Basisdemokratie gibt es nicht bei Tieren. Ihr müsst mit eurer Aufmerksamkeit immer bei den Eseln sein.“

Das erste Ausbüxen fangen wir denn auch entschieden wieder ein und streben zielgerichtet der Mittagspause zu. Eine idyllische Lichtung lädt zur Rast – das perfekte Plätzchen für alle sechs: zum Vespern für die vier Menschen, zum Löwenzahn-Dezimieren für die zwei langohrigen Grautiere. Ida, die temperamentvolle braune Leitstute, ist mit dem Seil am hölzernen Brunnen angebunden, Emma, mit ihrem grauen Fell und dem edlen dunklen Strich auf dem Rücken, grast frei. „Sie bleiben beieinander“, hatte die Eselexpertin uns vor dem Start versichert.

Eselwanderung

Halten ihre Begleiter auf Trab und verstehen sich prächtig: die zwei Eseldamen Emma und Ida (v.l.).

Das tun sie, auch später noch, als es bergab zur Stollenbacher Hütte geht und wir die beiden, wie uns empfohlen wurde, von der Leine lassen. Emma, sonst die ruhigere der beiden, vollführt einen Freudensprung und galoppiert los, Ida ausgelassen hinterher – was für ein schönes Bild inmitten der sattgrünen Wiesen! „Lauft bloß nicht hinterher“, hatte Rita gewarnt, „sonst laufen sie ohne euch bis nach Hause.“ Also geben wir uns cool und hoffen darauf, dass die beiden auf uns warten. Und tatsächlich: Unten an der Hütte bleiben sie stehen, schließlich ist mal wieder Löwenzahn-Fressen angesagt.

Der letzte Teil der Tour aber – erst parallel zur Stollenbach-Straße und dann auf dem Angelsbachweg zurück ins Zastlertal – hat es in sich. Nach 14 Kilometern und rund 600 Höhenmetern sind wir rechtschaffen müde und die Konzentration lässt nach, sehr zur Freude von Ida und Emma, die das weidlich ausnutzen. „Läufst du zu weit vorne, büxt sie dir hinten aus, bist du hinten, büxt sie vorne aus“, stöhnt der ältere der beiden Söhne leicht genervt. „Jetzt weiß ich, warum es ‚Eselsgeduld‘ heißt.“

Dennoch: Die Jungs sind begeistert, der Ehemann ist es auch. „Das Coolste war, sie frei laufen zu lassen“, lautet sein Fazit. Der jüngere Sohn, der Wandern absolut nicht mag, sagt: „Mit den Eseln hat es richtig Spaß gemacht.“ Und der ältere findet: „Diese Tour bekommt einen Like.“ Und was sagt Rita Gering, die seit fünf Jahren solche Wanderungen anbietet? „Ich habe schon so viel gelernt von meinen Eseln. Eigentlich sind sie ja nicht meine Liga, ich bin vom Typ her ein bisschen schneller und eher hektisch. Aber bei ihnen muss ich entschleunigen, das tut gut.“

Eseleinschild

www.eselwandern-suedschwarzwald.de

Fotos: © Stella Schewe