Tod eines Balztollen Freizeit | 13.10.2019 | Arwen Stock

Laurentius Auerhahn

Er ist charakteristisch für den Schwarzwald. Einst oft gesehen und gern gejagt, prangt sein Name heute noch an vielen Gasthäusern: der Auerhahn. Doch was ist das für ein Tier, das heute ganze Windparkplanungen vereitelt und jüngst Gegenstand unglaublicher Schlagzeilen war?

Zwei alkoholisierte Männer erschlagen einen Auerhahn mit einer Flasche. Das streng geschützte Tier soll sie zuvor bedroht haben. Andere Besucher des Laurentiusfestes am Feldberg beobachten die beiden und greifen sie daraufhin an. Das teilt die Polizei über den Notruf mit, der am späten Nachmittag des 10. August bei ihr einging. Die Meldung machte auf dem Laurentiusfest mit schätzungsweise bis zu 15.000 Gästen schnell die Runde. Bald war der sogenannte Auerhahn-Mord in sämtlichen Medien Thema. Sogar über den großen Teich schwappte die Nachricht.

„Ich bin gar nicht so begeistert, dass das bis zur New York Times gegangen ist“, sagt Achim Laber. Der 55-Jährige ist seit 30 Jahren Feldberg-Ranger. Er warnt davor, den Vorfall für Polarisierungen zu instrumentalisieren. Da seien vor allem die ganz schnell dabei, die sich sonst überhaupt nicht für das Auerwild oder dessen Schutz interessieren.

Das Auerwild ist die größte europäische Hühnerart. Der Hahn mit seinem auffallenden Federkleid erreicht eine Größe von 90 Zentimetern, eine Flügelspannweite von 1,2 bis 1,4 Metern und ein Gewicht von 3,5 bis 6 Kilogramm. Die Henne ist deutlich kleiner, unscheinbarer und brütet am Boden. Das Auerwild besiedelt Zonen oberhalb von 1000 Metern. Sein Verbreitungsgebiet reicht von Schottland bis nach Sibirien und von den Pyrenäen bis nach Skandinavien. Im Schwarz-
wald hat sich in den vergangenen zehn Jahren die Population der Hähne von 300 auf rund 160 Exemplare verringert. In Deutschland steht das extrem scheue und sensible Auerwild als vom Aussterben bedrohte Tierart bundesweit auf der Roten Liste. Umso schwerer wiegt der Tod dieses Auerhahns vom Feldberg.

„Er zählte zu den Friedfertigen unter den Balztollen“, berichtet Laber, der das Tier zu Lebzeiten gut kannte. Bis auf vier Meter war eine Annäherung an ihn möglich. Anders als seine extrem scheuen, wilden Artgenossen ließ er sich sogar fotografieren (siehe Fotos oben). Was aber ist ein „balztoller“ Auerhahn? Das sind Vertreter dieser Art, die ihre natürliche Scheu verloren haben und das ganze Jahr über balzen. Manche von ihnen werden zahm, andere glauben, ständig ihr Revier verteidigen zu müssen. Vermutlich ist eine gestörte Hormonausschüttung für das seltsame Verhalten verantwortlich.

„Es gibt hier mehrere solcher Auerhähne, die in der Regel auch Namen haben“, berichtet der Feldberg-Ranger. Der bekannteste sei „Heini“ am Stübenwasen, der dort im Winter regelmäßig die Loipe kreuzt. Bei Begegnungen mit ihm oder generell mit wilden Tieren in der Natur ist es wichtig, sie nicht zu stören und einen Bogen um sie zu machen: „Ab einem gewissen Annäherungspunkt gehen jedoch alle zur Verteidigung über.“
Diesen Punkt haben die zwei Männer am Laurentiusfest vermutlich unterschritten. Was die beiden verbotenerweise knapp 100 Meter unterhalb des Todtnauer-Hüttenweges gemacht haben, kann sich Laber nur durch den Polizeibericht erklären: „Da war wohl Alkohol im Spiel.“ Nähere Erkenntnisse gibt die Polizei aufgrund der laufenden Ermittlungen noch nicht heraus.

Das Erschlagen, das Eingreifen der Besuchergruppe und was sich dann daraus entwickelt hat, der Feldberg-Ranger hat „sowas noch nicht erlebt“. Ihm tut es vor allem um den getöteten Auerhahn leid, der aus traurigem Anlass nun zu einem Namen kam: Er wird der Laurentius-Hahn genannt.

Foto: ©  Hubertus Ulsamer