Vorhang auf! – Regionale Theater in der Spielzeit 2024/25 Freizeit | 02.11.2024 | Erika Weisser & Marianne Ambs
Die Theaterhäuser der Region sind in die neue Spielzeit gestartet. Bis zum Sommer 2025 wird viel geboten – von Schauspiel, Tanz, Oper, Konzert bis zu Kabarett, Musical, Lesungen und einmaligen Gastspielen. Hier gibt es einen Überblick über die Produktionen der nächsten Monate, außerdem haben wir eine Auswahl an freien Spielstätten zusammengestellt.
Foto: © L‘Opera national du Rhin
Theater Freiburg
Tosca, Pique Dame und die Methusalems
Im Theater Freiburg ist die letzte Spielzeit unter der Leitung von Intendant Peter Carp angebrochen. Das ist indessen nicht wirklich zu spüren; in der laufenden Saison gehen einige Stücke unter seiner Regie über die Bühne, etwa Peter Tschaikowskis Oper „Pique Dame“, die am 30. November Premiere hat. Oder Poul Ruders’ dystopisches Werk „The Handmaid’s Tale“ (Foto), das noch wenige Male auf dem Programm des Großen Hauses steht. Sogar eine Uraufführung ist darunter: am 8. Februar ist Premiere eines Schauspiels, das die Freiburger Dramatikerin Theresa Walser eigens für das Ensemble schreibt und von dem es bisher nur den Arbeitstitel gibt: „Erwartung“. Man darf gespannt sein.
Zum Auftakt zur neuen Spielzeit wurde Giacomo Puccinis Oper „Tosca“ gegeben – in einer fulminanten Inszenierung der Nachwuchsregisseurin Ulrike Schwab und unter der musikalischen Leitung von GMD André de Ridder. Dieser hochspannende Polit-Psycho-Thriller um drei in ein fatales Dickicht aus Liebe, Eifersucht, Glaube, Verrat, Intrigen und Mord verstrickte Menschen ist am 3., 9., 14. und 23. November im Großen Haus zu erleben.
Doch nicht nur große Oper, spannendes Schauspiel wie Kafkas „Prozess“ oder Ibsens „Peer Gynt“ sowie Konzertreihen mit Kompositionen von Johannes Brahms stehen auf dem Programm. Wieder dabei sind im November und Dezember die Methusalems mit ihrer Adaption des Romans „Erste Wahl“ der Freiburger Autorin Kathrin Pläcking über Ausgrenzung alter Menschen. Und auch das Junge Theater ist mit von der Partie.
Foto: © Paul Leclaire
Theater Basel
Brecht, Bärfuss und Carmen
Auch das Theater Basel hat in dieser Saison wieder viel vor. Etwa in der Oper: Hier wird ab 3. November Georges Bizets Werk „Carmen“ (Foto) wieder aufgenommen; das Drama um die verführerische, unabhängige und rebellische Frau, die als Projektionsfigur für männliche Exotismusfantasien gilt, lief schon in der letzten Spielzeit sehr erfolgreich.
Ganz neu im Programm – und regelrecht futuristisch – ist hingegen die Inszenierung von Ray Bradburys sozialkritischer Erzählung „Chroniken vom Mars“. Dieses Schauspiel, das von der zerbrechlichen Existenz der Menschheit und ihrem zwiespältigen Verhältnis zur Natur erzählt, hat bis zum Januar 16 Vorstellungen, vier davon im November. Auch Bert Brechts „Mann ist Mann“ ist neu im Programm, bis Juni gibt es 16 Aufführungen.
Der Renner der Wintermonate ist das Märchenspiel „Die Eiskönigin“ nach Hans-Christian Andersen; nach der Premiere am 8. November wird es bis zum 4. Januar weitere 21-mal gespielt. Auch Friedrich Dürrenmatts „Physiker“ und Hermann Hesses „Steppenwolf“ stehen auf dem Programm des Schauspielhauses, im Dezember kommt dann ein ganz neues Stück hinzu: Die Bühnenfassung des Romans „Die Krume Brot“ von Lukas Bärfuss. Dieses vom Autor selbst für die Basler Compagnie adaptierte exzellente Stück über Armut und Reichtum hat am 13. Dezember Uraufführung.
Foto: © Ingo Höhn
100 Jahre Alemannische Bühne
Herzlichen Glückwunsch an die Alemannische Bühne: Vor 100 Jahren, im März 1924, gründeten einige in Freiburg lebende Elsass-Lothringer um Desiré Lutz das „Elsässische Theater Freiburg i. Br.“, das als Vorläufer des heutigen Ensembles gilt. Vergleichbares, nämlich reine Mundarttheater, gab es hierzulande damals nicht. Dieses spielfreudige Laientheater trat bis in die ersten Kriegsjahre auf, unterbrach dann seine Aktivitäten und machte ab 1950 als „Alemannische Heimatbühne Freiburg“ als reines Tourneetheater weiter, das in ganz Südbaden gastierte – weiterhin unter der Leitung von Desiré Lutz. Eine feste Spielstätte, eine etablierte Saalbühne hat das Ensemble, das seit 1962 „Alemannische Bühne“ heißt und vom elsässischen auf oberbadisches Alemannisch umstellte, seit 1978 im großen Gastraum der früheren Feierling-Brauerei-Ausschank-Wirtschaft in der Gerberau. Hier denken sich die Ensemblemitglieder ihre Stücke aus, die sich in heiterem oder nachdenklichem Ton um Alltagsthemen und -probleme sowie menschliche Schwächen drehen. Hier proben sie und absolvieren knapp 100 Auftritte im Jahr – immer freitags, samstags und sonntags.
In der aktuellen Spielzeit (bis 8. Februar 2025) steht die turbulente Kömodie „De König vo de Narre“ auf dem Programm. Das amüsante Spektakel mit den urkomischen Wortspielen ist in Freiburg vor langer Zeit angesiedelt. Und es geht darin um intrigante Machtspiele zwischen dem diktatorischen Roten Roderich und einem falschen Hofnarren, um unerwünschte Verheiratungspläne, um fatale Verwicklungen, folgenschwere Verwechslungen und ein paar gewitzte Aufständische, die schließlich für einen unerwarteten Showdown sorgen.
Die Bühne ist aber auch frei für Musik, etwa am 15. Dezember für die Boogie-Connection und am 6. Januar für Helmut Dold und sein Dixiequartett.
Foto: © Alemannsiche Bühne
Wallgrabentheater
„Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“ lautet das Motto der vier perspektivlosen Gesellen, die in der Not zu Freunden werden und als Bremer Stadtmusikanten in die Märchengeschichte eingegangen sind. Das Wallgraben-Ensemble greift den von Martin Heckmanns zu einer ausgelassenen Umsturzfantasie umgearbeiteten Stoff nach dem großen Erfolg in der vergangenen Saison erneut auf: ab 6. November ist das Stück wieder auf der Bühne des kleinen Kellertheaters im Rathaus zu sehen.
Darin bilden die abgearbeiteten, geschlagenen und geflüchteten Tiere eine Gemeinschaft gegen kapitalistische Ausbeutung, die über- und wagemutig die Widersprüche und Auseinandersetzungen in angstgeprägten Zeit angeht. Und Visionen von einem befreiten Miteinander findet.
Foto: © Mathias Lauble
Theater im Marienbad
Neben den Kinderstücken steht im Theater im Marienbad das Gerichtsdrama „Corpus Delicti“ (Foto) wieder auf dem Spielplan, empfohlen ab 15 Jahren. Das Theaterstück von Juli Zeh kommt in einer Fassung von Matthias Kaschig auf die Bühne. Nach dem preisgekrönten Coming-of-Age-Roman von Juliane Pickel haben Jana Vetten und das Theater im Marienbad das Jugendstück „Krummer Hund“ um Freundschaft, erste Liebe und Überforderung inszeniert.
Foto: © Marienbad
Theater Baden-Baden
Das Theater Baden-Baden ist eines der schönsten Theatergebäude in der Region. Das Ensemble um Noch-Intendantin Nicola May will mit komischen und konfliktreichen Situationen auf der Bühne das Publikum zum Nachdenken anregen. Im Sommer 2026 läuft Mays Vertrag aus, den sie nach 20 Jahren in Baden-Baden nicht verlängern will. In den verbleibenden zwei Jahren freut sich die Intendantin noch auf einige spannende Produktionen. Aktuell kann das Publikum den von Gernot Plass für die Bühne bearbeiteten Schlüsselroman „Meister und Margarita“ (Foto) nach Michail Bulgakow sehen. Neu im Spielplan ist die heitere Theaterfassung von Erich Kästners „Drei Männer im Schnee“.
Foto: © Theater Baden-Baden
Musical Theater Basel
Das Musical „Phantom of the Opera“ gilt als eine der schönsten Produktionen überhaupt. Zuletzt 1995/96 in der Schweiz, kommt der Welterfolg nun wieder ans Musicaltheater in Basel. Das Stück wurde neu inszeniert, ohne das ursprüngliche Meisterwerk zu vernachlässigen. Bei der Europapremiere steht mit Nadim Naaman als Phantom und Georgia Wilkinson als Christine eine Weltklassebesetzung auf der Bühne.
Foto: © Giulia Marangoni
Theater der Immoralisten
Eines der größten Theaterstücke der Weltliteratur haben sich die Immoralisten für diese Saison vorgenommen: William Shakespeares Macbeth. Das Stück, sagt Ensembleleiter und Regisseur Manuel Kreitmeier, ist nicht nur „ein hochspannender Thriller der Extraklasse“, sondern auch eine „bis heute gültige Metapher für Diktaturen in der ganzen Welt“.
In Kreitmeiers Inszenierung macht das spielfreudige Ensemble das Drama, das im tiefsten Mittelalter in Schottland spielt, die gewaltsame und intrigante Machtergreifung und den noch gewaltsameren Machterhalt eines Einzelnen thematisiert, zu einer Parabel auf so manche politischen Entwicklungen, die heute in vielen Ländern zu beobachten sind. Premiere ist am 28. November; in der Titelrolle glänzt James Foggin.
Foto: © Theater der Immoralisten
Cargo Theater Freiburg
Die Freude beim Freiburger Cargo-Theater ist groß: Im Juni konnte eine eigene Spielstätte in der Haslacher Straße 15 bezogen werden – vorerst bis Juni 2025. Diese Situation macht das Theater zum Programm und hat die neue Spielzeit „Theater im Entstehen“ genannt. Spannend: Im Abendprogramm fragen die Akteure in „Die Schmetterlingsfrau – Maria Sibylla Merians Reise zu den Insekten“, wie ein Zusammenleben aller Lebensformen gelingen kann.
Foto: © Cargo Theater Freiburg
Vorderhaus
Das Vorderhaus steht für hochkarätiges Kabarett und Theater. Hier geben sich Urban Priol, Florian Schroeder oder Matthias Deutschmann die Klinke in die Hand. Bea von Malchus präsentiert in ihrem Erzähltheater „Die 7 Todsünden“ eine Sitz-Revue für Eremiten, und in „Queens“ geht es um den Kampf zweier Powerfrauen um Englands Thron. Zudem entfesselt Tina Teubner (Foto) mit „Protokolle der Sehnsucht“ ein Feuerwerk der Melancholie.
Foto: © Lars Laison
Burghof Lörrach
Hier spielt die Musik – in Lörrach und Umgebung. Aber auch von weiter her kommen kulturinteressierte Menschen in den Burghof. In der Spielzeit 2024/25 stehen rund 80 Veranstaltungen aus den Sparten Musik, Tanz, Show, Theater, Literatur, Kabarett und Kinder im Programmheft. Ein Schwerpunkt ist die Tanzsparte. Aufhorchen lässt etwa das Gastspiel der Delattre Dance Company, die mit atemberaubenden Choreografien neue Horizonte eröffnet.
Foto: © Nicolaj Lund
Die Schönen/Musiktheater im E-Werk
Willkommen – Bienvenue – Welcome! Noch bis Mitte November wird in dem kleinen, gemütlichen Wohnzimmertheater im Untergeschoss des E-Werks das Musical „Cabaret“ (Foto) gegeben. Dabei wird die Bühne zum Kit Kat Club, dem heißesten Undergroundclub im Berlin der 1920er-Jahre: eine Welt zwischen Glanz und Abgrund, zwischen Traum und Trauma, ein Ort der geschichtlichen Brüche. Ab 22. November geht es bis Februar weiter mit dem Songdrama „Ewig jung“, einer völlig überdrehten Ü-90-Party im Altersheim. Nach der Weihnachtspause wird unter der Leitung von Stefanie Verkerk und Martin Schnurr gespielt: Die beiden langjährigen Ensemblemitglieder treten dann das Erbe von Leopold Kern und Wolfgang Herbert an, die dieses ganz besondere Musiktheater vor 47 Jahren gründeten.
Foto: © Milad Adrah
Kumedi Riegel
Kleine Bühne für den großen Auftritt: Die „Kumedi“, seit 1998 im Kopfbahnhof in Riegel zu Hause, bietet in der neuen Spielzeit viel Abwechslung. Zu Gast sind etwa Matthias Deutschmann (Foto) oder Volkmar Staub mit politischem Kabarett. Jetzt schon vormerken: Johannes Kirchbergs musikalische Annäherung an den Dichter Hans Leip, der den Text zu „Lili Marleen“ schrieb. Am 16. Februar 2025 ist Kirchberg in der Kumedi zu Gast.
Foto: © Kumedi Riegel
L‘Ópéra national du Rhin
Drei Spielorte – ein Haus: Die Opéra national du Rhin ist in Straßburg, Mulhouse und Colmar zu Hause. Sie wird von den drei Städten gemeinsam verwaltet, die jeweils ihren eigenen Schwerpunkt haben: die Oper ist in Straßburg beheimatet, das Ballett in Mulhouse, das Opernstudio in Colmar. In der Spielzeit 2024/25 stehen Produktionen auf dem Programm, die den Weg ins Elsass lohnen. Die Neuproduktion der Opéra du Rhin, Georg Friedrich Händels Oper „Ariodante“, ist weiterhin zu sehen. Reizvoll nicht nur aber auch für Kinder ist eine Oper von Didier Puntos in neun Bildern.
Vom fantasievollen Werk des elsässischen Zeichners Tomi Ungerer fasziniert gab die Opéra beim Komponisten Didier Puntos eine neue Kammeroper in Auftrag, die in der Welt von Ungerers Werk „Die drei Räuber“ angesiedelt ist. Uraufführung ist am 13. November in Colmar, am 11. Dezember ist die Oper im Kulturforum „Art’Rhena“ auf der Rheininsel bei Breisach zu sehen. An einer Produktion in der Sparte Tanz kommen Ballettfreunde ab Februar 2025 nicht vorbei: Das Ballett der Opéra zeichnet die Erneuerung des Tanzes durch den amerikanischen Choreografen William Forsythe während seiner Zeit in Frankfurt nach. Ein eklatantes Programm, das der Geschwindigkeit und Kraft der Körper zur Ehre gereicht.
Foto: © Agathe Poupeney