Wanderlust: mit Werner Kästle auf dem Bettlerpfad Freizeit | 12.07.2019 | Nicole Fischer

bettlerpfad

Wandersleut mit Rucksack und Vesper, Fotografen mit ihrer Kamera, Maler, Liebhaber der Flora und Fauna – sie alle finden auf dem Bettlerpfad zwischen Merzhausen und Badenweiler ihr ganz persönliches Kleinod.

Er beginnt bescheiden an der Weberstraße im schönen Merzhausen. Man findet ihn leicht, denn an dieser Stelle wurde ein kleiner Platz mit einem markanten Brunnen errichtet – zu Ehren des italienischen Künstlers Giorgio Morandi. Es ist ein modernes Kunstwerk aus alten Wasserkannen, mit dem schlichten Namen „Trinkwasserbrunnen“. Biegt man nun links ab, beginnt das Abenteuer Bettlerpfad. Sein Weg führt auf rund 26 Kilometern von Merzhausen nach Badenweiler. Vorbei an Wittnau, Bollschweil, Staufen, Grunern und Sulzburg. Über Stock und Stein.

Breite Wanderwege münden in enge, von Büschen gesäumte Trampelpfade. Von hochgipfelnden Bergkuppen aus wandert der Blick über die idyllisch gelegenen Dörfer, Berge und Täler. Mit ihren ausgeprägten Facetten zaubert die Natur zu jeder Jahreszeit eine beeindruckende Landschaft entlang des Bettlerpfads. Im Frühling recken die ersten Blumen ihre bunten Köpfchen zwischen saftigem Grün aus der Erde. Der Sommer lässt die Ernte reifen. Überall tummeln sich große und kleine Tiere. So kann man hier und da Eidechsen beim Sonnenbaden beobachten. Wiederkehrende Waldabschnitte bieten bei brütender Hitze angenehme, kühlende Wegstrecken. Im September läuten herrliche Spätsommertage den Herbst mit seiner bunten Vielfalt ein.

Wahrscheinlich kennt niemand den Bettlerpfad besser als der Freiburger Werner Kästle und seine Frau Asta. Dutzende Male haben sie ihn erkundet. Daraus entstand ein umfangreicher Wanderführer im praktischen Pocketformat, der vor einigen Jahren im Schillinger Verlag erschienen ist: „Der Bettlerpfad – Ein klassischer Wanderweg vom Breisgau ins Markgräflerland“. Er ist reichhaltig gespickt mit Geschichten aus der Heimatkunde sowie Wissenswertem zur Botanik, Flora und Fauna. Der Autor nimmt seine Leser im wahrsten Sinne des Wortes mit auf die Wanderschaft. In heiterer und zugleich fesselnder Erzählweise lässt er sie an den teils gut behüteten Geheimnissen rund um den Bettlerpfad teilhaben.

Kennt den Bettlerpafd wie kaum ein anderer: Autor Werner Kästle.

Allem voran fragt man sich, wie der Bettlerpfad zu seinem Namen kam. Viele Mythen ranken sich darum. Von Mönchen aus Freiburg und Eremiten, die sich bei den Markgräfler Bauern Speis und Trank erbettelten. Letztere versprachen, als Gegenleistung für das Seelenheil der Bauersleut zu beten. Von alledem scheint jedoch eine ganz andere Geschichte am ehesten der Wahrheit zu entsprechen: Der Schnee lag frisch, es war um die Jahreswende 1870/71. Ein Handwerksbursche befand sich auf der Durchreise nach Freiburg. In Richtung Merzhausen verlor er durch die einbrechende Nacht und den dichten Nebel die Orientierung. Erschöpft und vom Hunger geplagt, ließ er sich neben einem Apfelbaum nieder. Er schlief ein. In der Nacht sanken die Temperaturen weit unter die Frostgrenze. Am nächsten Morgen fanden ihn die Bauersleute in der Nähe des Hauerhofes – erfroren. Zur Erinnerung an ihn ließ Familie Hauer kurz darauf ein Wegkreuz errichten. Zur damaligen Zeit nannte die Bevölkerung die Handwerksburschen oft auch Bettler. Mit Blick auf dieses Ereignis prägte sich rasch der Name „Bettlerpfad“ ein.

Kästles „Handbuch für Wanderer, Abenteurer und Genießer“ ist in fünf Abschnitte eingeteilt. Zu Beginn eines jeden Kapitels liefert eine handgezeichnete Skizze den Überblick zum nächsten Etappenziel. Auf dem Weg eröffnen sich dem Wanderer zahlreiche Sehenswürdigkeiten und Einblicke in das Leben bekannter Personen. So kommt man am Schloss der Schriftstellerin und Dichterin Marie Luise Kaschnitz vorbei. Sie war in der ganzen Welt unterwegs, weilte aber zeitlebens immer wieder in ihrem Elternhaus in Bollschweil.

Auf den Spuren von Old Shatterhand

Auf dem Weg nach Staufen kommt man dann am Lehenhof vorbei. Auf den ersten Blick ist er nichts Besonderes. Doch hier wohnte Friedrich Ernst Fehsenfeld – Verleger der Romane um Winnetou, Hadschi Halef Omar und Old Shatterhand. Ihr Autor Karl May verbrachte etliche Tage auf dem Hof, um mit Fehsenfeld die Manuskripte vor der Herausgabe der Bücher zu besprechen, die später weltberühmt wurden und etliche Generationen prägten. Steinzeithöhlen und das Haus von Johann Christian Wentzinger gibt es ebenfalls entlang des Bettlerpfads zu bestaunen.

Bettlerpfad

Das Wegkreuz am Hauerhof erinnert an den erfrorenen Handwerksburschen.

Natürlich führt der Weg auch durch die Fauststadt Staufen. Wer Zeit hat, sollte unbedingt den von Kästle empfohlenen Stadtrundgang mit einplanen. Danach geht es weiter zum Schlossberg. Der Aufstieg zur Ruine ist zwar etwas mühsam, jedoch entlohnt die herrliche Aussicht zu den Vogesen die Strapazen. Rund sechs Kilometer Fußmarsch sind es bis nach Sulzburg. Hier erfahren die Wanderer von den Römersiedlungen und vom Sulzbach als uralte Grenzlinie. Wer erinnert sich heute noch daran, dass Sulzburg eine alte Bergbaustadt war und 1515 sogar zum Residenzstädtchen ernannt wurde?

Immer wieder zeigt Kästle auch die Pflanzenvielfalt auf, die entlang des Bettlerpfades blüht. Von der schönen, aber tödlichen Herbstzeitlosen über den Huflattich bis hin zu Salbei und dem Löwenzahn. An verschiedenen Stellen unterbricht der Autor seine Beschreibungen. Kurze Gedichte, Zitate und kleine Anekdoten von Johann Peter Hebel, Marie Luise Kaschnitz oder Hubert Baum laden den Leser zum Nachdenken und Schmunzeln ein. Auch unbekannte Dichter kommen in dem Büchlein zu Wort.

Nach weiteren sechseinhalb Kilometern Marsch endet der Bettlerpfad beim Kurhaus in Badenweiler. Viele, die ihm einmal gefolgt sind, unternehmen immer wieder die (ent)spannende Reise vom Breisgau ins Markgräflerland. Manch einer rollt den Pfad auch von Badenweiler nach Merzhausen auf, um Neues zu entdecken. Egal aus welcher Richtung man startet, auf dem Bettlerpfad findet jeder sein kleines, eigenes Paradies.

Info

Dauer: rund 7,5 Stunden
Länge: 25,8 Kilometer
(auch in Etappen möglich, z.B. Merzhausen-Staufen / Staufen-Badenweiler je 13 km)
Aufstieg: 543 Höhenmeter
Abstieg: 457 Höhenmeter

Fotos: © Thomas Coch, Nicole Fischer