Wo die Wilden Bäche rauschen – Knackige Tagestour durch Bannwald und Felsmeer mit grandiosen Ausblicken Freizeit | 21.03.2020 | Nicole Kemper

Schwarzwaldhaus

Plätschern wäre eine Verniedlichung: Es prasselt, rauscht, tost, dröhnt. Das schäumende Nass springt über Steine, umspült moosbewachsene Felsbrocken, lässt sich von Böschung zu Böschung schubsen und stürzt über unzählige kleine Wasserfälle herab. Die von den Sturzfluten verwirbelte Luft legt sich feucht und kühl auf die vom Aufstieg erhitzten Gesichter.

Die Wildbach-Tour in Simonswald hat Wanderern vieles zu bieten: eine abwechslungsreiche Tagestour durch wildromantische Schluchten und Bann­wald, schöne Aussichten und ein stärkendes Vesper in einer der urigsten Wanderhütten des Schwarzwalds. Aber sie verlangt auch einiges ab: Beim schweißtreibenden Aufstieg zum Hintereck brennen die Wadenmuskeln, beim noch steileren Abstieg vom Spitzen Stein zum Ausgangspunkt sind volle Konzentration und leidensfähige Zehen gefragt. Ein ausgewachsener Muskelkater am nächsten Morgen ist nicht unwahrscheinlich. Dabei fängt alles so harmlos an: Vom Wanderparkplatz in Obersimonswald führt der rote Wildbach-Tour-Wegweiser ein paar Meter entlang der Straße, um dann auf einen sonnigen Wiesenpfad abzuzweigen. An Damwildgehegen und Schwarzwaldhöfen vorbei geht es an der hier noch munter im breiten Bett plätschernden Wilden Gutach entlang. Hinter dem historischen Gebäude des Zweribachwerks ist erst mal Krisensitzung angesagt: Der Wanderweg führt über eine Kuhweide, das neugierige Fleckvieh belagert bereits den Eingang. Das andere Ende ist nicht in Sicht, ein Überqueren mit Hund nicht ohne Risiko. So fällt die Entscheidung für den heftigen Querfeldein-Anstieg zur Straße, der die Waden das erste Mal brennen lässt. Nach dem kurzen Umweg geht es auf dem wiedergefundenen Wanderweg weiter, immer begleitet vom lauter werdenden Bächlein zum gleichnamigen Ort Wildgutach.

Ein Wegweiser an der Pfaffenmühle legt die Marschrichtung fest: Es geht aufwärts! Noch 3,5 ­Kilometer und 350 Höhenmeter durch den Bannwald in der Teichschlucht bis zum Hintereck. Zunächst geht es eher sanft hinauf und Augen und Ohren sind so beschäftigt, dass der Aufstieg kaum eine Rolle spielt. Die rauschenden Wasserfälle, Farne und Moose, skurrile Felsformationen und das Spiel von Licht und Schatten unter den alten Bäumen bieten eine aufmerksamkeitsheischende Kulisse. Nach einem Kilometer markiert eine steil aufragende Felswand das Ende der Idylle. Der Weg biegt in einer Spitzkehre ab und lässt den Teichbach unter sich zurück. Die Konzentration gebührt nun jedem Tritt – ein Felsenmeer hat hier alpine Wegverhältnisse geschaffen.

Rast an Schwarzwaldhütte

Erfordert sportliche Anstrengung: Die Wildbach-Tour in Simonswald.

Nach dem Überqueren der Straße geht es auf einem breiteren Waldweg weiter hinauf, die letzten hundert Höhenmeter bis zur Vesperstube Hintereck in 950 Meter Höhe winden sich in kräfteraubend steilen Serpentinen. An deren Ende ­bietet der Brunnen am Fuß der Hütte eine erste Erfrischung, dann folgt als Lohn der Mühen eine kalorienspendende Rast. Sonnige und schattige Sitzplätze finden sich rundum, die meisten mit grandioser Aussicht auf das Simonswäldertal. Ehrenamtliche Helferteams des Schwarzwaldvereins servieren an der Selbstbedienungstheke Erzeugnisse aus heimischer Produktion. Der längste Teil ist geschafft, und auch der höchste Punkt der Tour wird nach der Einkehr bald erreicht. Dies bedeutet allerdings auch einen knackigen Abstieg. Der Wildsauweg führt auf schmalem Pfad zum „Unteren Spitzen Stein“, einer ehemaligen keltischen Kultstätte.

Der weitere Weg erfordert je nach Ausstattung Stock- und Handeinsatz über Felsen und Wurzeln, ein weiter Blick über Baumwipfel ins mäandernde Tal lässt keine Fragen offen, ob es noch eine Weile so weitergehen wird. Die Gespräche sind verstummt, jeder ist mit sich und seinen Füßen beschäftigt. Dann, fast überraschend, ebnet sich der Weg, die ersten Gebäude werden sichtbar, bald ist es geschafft! Kassensturz vor der Heimfahrt: Die Smartphone-App hat auf der 12 Kilometer langen Strecke 20 Kilometer gezählt; aus den offiziellen vier Gehstunden sind sage und schreibe sieben geworden. Gefühlte Distanz: Die App hat Recht! Allgemeine Verfassung: etwas fußlahm, rechtschaffen erschöpft, aber stolz und glücklich über das bestandene Wanderabenteuer.

Wildbachtour

Länge: ca. 12 km
Auf- und Abstieg:
640 Höhenmeter
Dauer:
4 Stunden
Start und Ziel:
Wanderparkplatz am Hohrain, Obersimonswald
Anfahrt: SBG Linie 7272, Haltestelle Mattenhof

Einkehrtipp: Vesperstube Hintereck
Öffnungszeiten: bis ­Allerheiligen Freitag ab
Wann? 14 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertag 11 bis 18 Uhr

www.hintereck.de