Das perfekte Wochenende in Stockholm Reise-Special | 12.07.2019 | Lars Bargmann

Stockholm, die größte Stadt Skandinaviens, breitet sich über 14 Inseln aus. 30 Prozent der Gemarkung sind mit Booten befahrbar. Alle paar Meter kreuzt wieder ein Kanälchen den Weg, tuckert ein Boot vorbei. Es ist allein schon deshalb eine hochattraktive Destination. Mit sehr viel Natur, noch mehr Sehenswürdigkeiten und einer auffallend entspannten Atmosphäre.

Erst spät fällt es mir auf: „Habt ihr, seit wir hier ankamen, mal eine Hupe gehört?“, frage ich meine kleine Freiburger Reisegruppe. Alle schütteln die Köpfe. Und wir sind schon drei Tage hier. Obwohl es nicht nur rund ums Stockholmer Herz, Gamla Stan, wild wuselt: Autos, Räder, E-Roller, Skater (auch die gerne stromgetrieben) und Fußgänger bahnen sich ihre Wege entlang einer Großbaustelle am Hafen; alles läuft lässig ab, die Gehgeschwindigkeit ist eher Freiburg als Hamburg, die Lage am Wasser eher Hamburg als Freiburg. Wäre Stockholm ein Schauspieler, sie wäre eher Vin Diesel als Louis de Funès.

Schloss Drottningholm: Ursprünglich ein königliches Lustschloss, heute Ausflugsziel und privater Wohnsitz der schwedischen Königsfamilie Bernadotte.

Ab auf die E-Bikes und am Hafen entlang nach Djurgarden. Hier steht das Vasamuseet, ein Muss für Touristen. Die Vasa war der ganze Stolz der Seemacht Schweden. Man schrieb den 10. August 1628, als sie zum ersten Mal auslief – nach 1300 Metern volllief und mit ihren 64 Kanonen tief in den Stockholmer Hafen sank. 328 Jahre später entdeckte der hartnäckige Meeresarchäologe Anders Franzén endlich das Schiff, es wurde geborgen, 17 Jahre lang – es mussten 13.500 Einzelteile zusammengefügt werden – restauriert, 1990 wurde das Museum schließlich feierlich eröffnet. Ein um 40 Zentimeter zu hoher Schwerpunkt wurde der Galeone – und je nach Quelle 30 bis 50 Menschen – zum Verhängnis.

Nur ein paar Radminuten weiter östlich lockt ­Skansen, das älteste Freilichtmuseum der Welt, in dem 150 Schwedische Häuser, Hütten, Landhöfe, Pavillons, Gartenhäuschen, Handwerkerstuben, Kirchen aus verschiedenen Jahrhunderten versammelt wurden. „Ach guck mal, wie schön wir schon immer mit Holz bauen können“, könnte ein Slogan sein. Skansen wirkt ein bisschen wie eine Identitätsstiftung fürs schwedische Gemüt. Es ist aber durchaus museal, sich bei der Apotheke seinen Filterkaffee in sicher 70 Jahre alte Tässchen zu schütten. Weiter im Norden breitet sich der Tierpark aus. Die Elche sind ebenso cool wie groß, die Rentiere nicht nur bei Kindern beliebt, die Bären leider irgendwo.

Beliebtes Altstadtquartier: Gamla Stan.

Wir radeln zurück an der Hafenkante nach Gamla Stan, wo das königliche Schloss thront und jeden Mittag fotogen die Wachablösung Touristen anzieht. Shoppen, Staunen, Schlemmen könnte an den Pforten zur größten Stockholmer Insel stehen. Es gibt zig Paläste, Museen, Kirchen: Die Schweden haben sich aus den beiden Weltkriegen – durchaus wendehalsig – immer fein rausgehalten, ein sichtbares Zeichen sind die unzähligen alten Gebäude, die der Stadt einen besonderen architektonischen Charme geben. Auch wenn in diesen Tagen ganz offenbar die inoffiziellen Weltmeisterschaften im Gebäudeeinrüsten ausgetragen werden.

Den strahlt – nach einer kleinen Schifffahrt – auch Schloss Drottningholm aus. Das einstige Lustschloss (fertiggestellt gegen Ende des 17. Jahrhunderts) liegt auf der Insel Lovön, liegt in einer sehr weitläufigen Parkanlage, hat eine eigene Kirche und auch ein bezauberndes Schlosstheater aus dem 18. Jahrhundert, in dem die älteste funktionierende Bühnenmaschinerie während der rund 30 Vorstellungen im Jahr immer noch ihren Dienst tut. Im Schloss residieren Mitglieder der schwedischen Königsfamilie Bernadotte, aktuell König Carl XVI. Gustaf und Frau Silvia.

Das berühmte Fotomuseum Fotografiska im Stadtbezirk Södermalm

Back in town bestellen wir Speis und Trank im Himlen, 104 Meter über dem Grund dem Himmel sehr nah; wer himmlisches Essen erwartet, sollte das aber woanders suchen. Die Aussicht hingegen ist fantastisch, für einen Cocktail ein perfekter Spot. Himlen liegt in Södermalm, wo wir auch logieren, im Hotel Rival, das Abba-Mitglied Benny Andersson 2003 gekauft und dann umgebaut hatte. Kategorie stark empfehlenswert. In Södermalm, der Stühlinger Stockholms, liegt hoch über dem Hafen die Fjällgatan, die tolle Blicke über die Insel Skeppsholmen nach Djurgarden erlaubt und auch einen Abstecher auf einen Steg hoch über Slussen, der berühmten Schleuse, die den Mälaren-See mit der Ostsee verbindet und heute der wichtigste Verkehrsknotenpunkt der Stadt ist.

Nostalgie im Freilichtmuseum Skansen im Westteil der Halbinsel Djurgarden.

Wegen eines Pilotenstreiks kommen wir nicht wie geplant zurück – zum Glück. Denn die Stockholmer Kulturnacht lockt mit Dutzenden von kostenlosen Angeboten. Wir schlendern durch die Altstadt, an einem kleinen Platz lauschen wir einer Frau, die am offenen Fenster im Obergeschoss Gedichte vorträgt. Wenig später spazieren wir in einen Innenhof eines Palais, in dem ein Geiger spielt. Es ist – für eine Aprilnacht – sehr warm. Viele Touristenattraktionen sind aber erst ab Mai zu besuchen. „Hier liegt ja meistens zu der Zeit noch Schnee“, sagt einer. So kommen wir auch nicht auf den Turm am Rathaus, dem Stadshuset, wo alljährlich die Feierlichkeiten der Nobelpreisverleihung inszeniert werden.

Macht nichts. Wir lassen uns noch ein bisschen durch diese Metropole treiben. Dass hier 2,3 Millionen Menschen leben und arbeiten, erstaunt. Irgendwie verschwinden die in all dem Grün, in den Parks, auf den Wasserstraßen. Ein Kanälchen kreuzt den Weg. Und keiner hupt.

Anreise:
Die schwedische Hauptstadt ist vom EuroAirport Basel aus mit Easyjet ohne Umwege zu erreichen.
Lufthansa fliegt von Frankfurt aus direkt. Mit dem Zug geht’s auch – über Hamburg und Kopenhagen oder ab Fehmarn auch mit der Fähre.

 

Fotos: © iStock.com/jojoo64, Brozowska, ferrantraite / Lars Bargamnn