Frieden, Feuer & Eis – Unterwegs im friedlichsten Land der Welt Reise-Special | 13.10.2025 | Lars Bargmann
1 Die „Blaue Lagune“ bei Reykjanes
Wir landen gegen Mitternacht auf dem Airport Keflavik. Aus der Ferne leuchten die Lichter der Hauptstadt. Reykjavik. Die Isländer sagen gerne, sie leben an der Grenze der bewohnbaren Welt. Verbürgt ist, dass sie im friedlichsten Land der Welt leben – wie es noch während unseres Aufenthalts erneut durch die weltweiten Nachrichten ging. Island, ein paar Kilometer südlich vom nördlichen Polarkreis, ist ein Land der Extreme. Extrem spannend. Extrem schön. Extrem heiß. Extrem kalt.

Gegen halb zwei nachts erreichen wir unser Hotel. Auf den Gassen ist Highlife. Ob das „just another fucking Saturday“ ist, frage ich die Rezeptionistin. Nein, die Leute feiern den Geburtstag der Stadt, der „Rauchbucht“. Der Sage nach gab der Norweger Ingólfur Arnason der Siedlung ihren Namen. 870 war das. Die die nördlichste Hauptstadt Europas wirkt klein, überschaubar, maritim.

2 Rainbow Street in Reykjavik
Ist aber kulturell durchaus eine Metropole. Am Wasser steht das futuristische Konzerthaus Harpa, seit 2013 trägt der Glaspalast den renommierten Mies-van-der-Rohe-Award. Drei Steinwürfe weiter hat ein Punk-Museum sich in einer ehemaligen Toilette unter der Bankastræti Fans gemacht. Die Hausnummer lautet: 0.

3 Konzerthaus Harpa in Reykjavik
Deutlich bunter geht es auf der Skólavörðustígur zu, die Fußgängerstraße ist in Regenbogenfarben bemalt und führt schnurstracks zur Hallgrímskirkja, zum evangelisch-lutherischen Wahrzeichen von Reykjavik. Mit dem Aufzug und auf Treppen geht es hoch hinauf auf die Plattform. Nirgendwo hat man einen besseren Blick auf die Stadt, das Hinterland, den Nordatlantik.

4 Der Wasserfall Skogafoss
Reykjavik – das Perlan-Museum lohnt längst nicht nur wegen der begehbaren Eishöhle – ist sehr lässig, aber für die allerwenigsten der Grund für eine Island-Reise.

Wir fahren mit dem 880-PS-Boot raus, sehen Minkwale, Buckelwale beim Brunchen nur ein paar Meter neben uns – wenn sie ihre Schwanzflosse in die Höhe recken und dann abtauchen: wirklich atemberaubend. Keiner spricht. Gefühlt steht mir der halbe Tag der Mund offen. Der Geysir Strokkur bricht alle paar Minuten wie aus einem brodelnden Kochtopf Dutzende Meter in die Höhe (früh hinfahren oder gleich im gleichnamigen Hotel übernachten), ein paar Kilometer weiter versetzt der Gullfoss nicht nur Kinderaugen in Erstaunen. Stundenlang könnte man dem wilden Treiben zuschauen. Der „goldene Wasserfall“. Es donnert über die Kaskaden, bis sich die Wassermassen in eine tiefe Schlucht stürzen. Rohe Kraft, aber irgendwie auch feingliedrig wie eine Sinfonie. Ein Naturschauspiel.

6 Lässt nicht nur Kinderaugen staunen: Gullfoss
Wir parken an einem anderen Tag am Nationalpark Þingvellir. Hier driften die eurasische und die nordamerikanische Kontinentalplatte spektakulär auseinander. Jedes Jahr ein paar Zentimeter. Bald stecken wir in Trockenanzügen und schnorcheln in der Silfra-Spalte. Das Wasser ist etwa so klar wie kalt: zwei Grad. Sichtverhältnisse wie wohl nirgendwo auf der Welt. Das Wasser in der Spalte hat 30 bis 100 Jahren zurückgelegt, wurde durch Vulkangesteine gefiltert. Du gleitest über zwei Kontinente, die sich den Rücken zukehren – irgendwie sinnbildlich für die aktuelle politische Lage. Man könnte auch ganz trocken über die Miðlína-Brücke gehen. Sie ist nur 15 Meter lang und hängt über einem Graben, der Europa von Amerika trennt.

7 Ein Buckelwal lässt sich blicken
Weiter Richtung Süden. Wer an der Küste entlangfährt, könnte ohne jeden Darsteller und ohne jeden Ton einen mystischen Dokumentarfilm drehen, indem er einfach sein Handy auf Video stellt. Man fährt durch Landschaften, fühlt sich an die Jules-Verne-Romane erinnert, eine ganze Parade landschaftlicher Höhepunkte zieht vorbei. Hinter jeder zweite Kurve ein Postkartenmotiv: der elegante Skógafoss, einer der meistfotografierten Wasserfälle des Landes, dessen feiner Sprühnebel fast immer einen Regenbogen zaubert; der schwarze Strand von Reynisfjara bei Vík, wo der Atlantik mit urwüchsiger Gewalt auf Basaltsäulen trifft; das Kap Dyrhólaey mit seinem beeindruckenden 120 Meter hohen Felsentor.

8 Tauchen durch die Silfra-Spalte
Immer wieder regnet es plötzlich, immer wieder geht die Sonne auf. Island hat sicher die höchste Regenbogendichte seit Beginn der Zählungen von Regenbogendichten. In Island gilt der Spruch: If you don’t like the weather, wait five Minutes.

9 Wasserfall im Þingvellir-Nationalpark
Weiter östlich funkelt der nun endgültig vollkommen surreale Diamond Beach: Da ziehen majestätisch meterhohe Eisschollen von der Gletscherlagune Jökulsárlón am mit offenem Mund staunenden Betrachter vorbei ins Meer oder werden an den schwarzen Lavastrand gespült, wo sie wie riesige Edelsteine im Sonnenlicht glitzern. Keiner spricht. Magisch.

10 Der Gletscher Mýrdalsjökull hinter dem Mýrdalssandur
James Bond, Lara Croft, Stirb an einem anderen Tag, Batman Begins, Game of Thrones – nur die Spitze des Eisbergs an Filmen, die hier gedreht wurden.
Wir fahren nach Reykjadalur ins rauchende Tal und parken an einem Infopoint. Von hier geht es zwei Stunden bergauf, bis wir an einem Bach landen – in dem Menschen baden. Klamotten aus und rein ins warme Thermalwasser, das sich aus dem Hengill-Vulkansystem speist. Zum Gefühl, zwischen moosbewachsenen Hügeln, brodelnden Wasserlöchern, kaltem Wind in einem natürlichen Jacuzzi zu liegen, fällt mir keine Metapher mehr ein. Einmalig.

11 Am Hafen von Stykkisholmur
Weiter geht’s in die Westfjorde, wo uns eine völlig andere Welt erwartet: Kaum Touristen, abgelegene Dörfer, große Entfernungen, Stille, unberührte Natur. Steile Klippen wie Látrabjarg, wo im Frühsommer Hunderttausende von Papageientauchern nisten, bieten spektakuläre Ausblicke auf den Nordatlantik. Wir umrunden die Halbinsel Snæfellsnes, sehen am Strand Kegelrobben, trinken im idyllischen Fischerdorf Grundafjördur einen Kaffee und staunen über den berühmten Berg Kirkjufell – ein beliebtes Motiv für Fotografen aus aller Welt. Der 463 Meter hohe Kirkjufell ist kein Vulkan, er bekam seine kegelförmige Gestalt von zwei Gletschern, zwischen denen er lag.

12 Der Berg Kirkjufell auf der Halbinsel Snæfellsnes
Zurück in Reykjavik machen wir einen Abstecher in die Blaue Lagune. Islands berühmtestes Thermalbad. Das wegen vulkanischer Aktivitäten seit 2023 immer wieder kurzzeitig geschlossen werden musste. Am 1. April 2025 wurde das Bad wegen eines immer stärker werdenden Erdbebenschwarms in der Region sogar evakuiert. Der Vulkan Sundhnúksgígar spuckte Lava und Rauch, begrub Straßen unter sich. Ein Feuerwerk aus Orange und Rot. Als wir dort ankommen, sehen wir noch dampfende tiefschwarze Lavafelder. Die dann an die milchig-blau-weiße Lagune grenzen. Ein krasser Kontrast, der sinnbildlich für die Insel aus Feuer und Eis steht. Wir heben mit unserer Maschine wieder gegen Mitternacht ab, Demut vor der Natur und den Inselbewohnern im Herzen – und werden wiederkommen.

13 Der Diamond Beach, ein schwarzer Strand in der Nähe der Gletscherlagune Jökulsárlón

14 Island beherbergt die weltweit größte Population an Papageientauchern.
Info
Anreise:
Mit dem Flugzeug: Seit diesem Jahr fliegt EasyJet vom EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg aus zwei Mal in der Woche (dienstags und samstags) nach Island. Mit dem Camper: Auf der Straße ins norddänische nach Hirtshals, dann mit der Fähre Norröna über die Faröer Inseln nach Island.
Lektüre:
Jörg-Thomas Titz: Island, Reise Know-How, 9. Auflage, 2024. Wedeson Verlag: Reiseführer Island – Sagenhafte Routen durch das Land aus Feuer und Eis, 2023. Anna Jónsdóttir: Der abenteuerlichste Island-Reiseführer, Ehrengut Verlag 2023, top für Wandertouren.
- Reykjavik Torf-Burger
- Reykjavik Sun-Voyager
- Heiße-Quelle in Hveragerði
- Mulagljufur-Canyon
- Akranes Street-Art
- Jökulssarlon Gletscher
- Dorf in Stykkisholmur
- Diamond-Beach










