Auf zwei Rädern ans Ende der Welt: Freiburger fährt durch Frankreich, Spanien und Portugal Reise | 01.12.2021 | David Hamann

Radtour Spanien Portugal Frankreich David Hamann Hoch hinaus: David Hamann bei Anstieg zum Col du Tourmalet in den französichen Pyrenäen.

Die Semesterferien bieten Zeit sich auszuruhen – oder man nutzt die Zeit für ein Abenteuer. David Hamann (22) ist Student aus Freiburg. Anfang September ist er mit dem Fahrrad rund 3500 Kilometer von Toulouse im Süden Frankreichs durch Spanien bis nach Portugal getourt und wieder zurück. Fürs chilli berichtet er von einer anstrengenden, aber wunderschönen Reise, auf der nicht immer alles nach Plan lief.

Zu laut für mich

Der erste Tag. Verschlafen falle ich aus dem Bus. Um mich herum ein großes Gewusel: Menschen laufen umher, Motoren laufen, es ist laut – zu laut für mich! Es zieht mich raus aus der Enge der Stadt. Ich strample los, lasse Toulouse hinter mir und beginne erst langsam zu realisieren, wo ich mich befinde. Der Süden Frankreichs empfängt mich mit gleißendem Sonnenschein. Die Sonnenblumen schauen betrübt gen Boden, aber meine Stimmung ist super. Vor mir liegen die Pyrenäen, gleich dahinter Spanien und noch weit in der Ferne Portugal – das heimliche Ziel meiner Reise.

Ein Fahrrad, eine Campingausrüstung und eine Menge Motivation. Viel braucht es nicht, um sich auf eigene Faust durch die Welt zu bewegen. Trotzdem wird letzteres schon früh auf die Probe gestellt. Sieben Pässe und rund 8000 Höhenmeter erschweren meine Pyrenäendurchquerung erheblich. Erschöpft erreiche ich am frühen Abend die zweite Passhöhe des Tages. Die Berge fordern und belohnen mich. In die Abfahrt gehe ich mit einem wachsamen Auge für einen geeigneten Zeltplatz, eine Suche, die sich jeden Tag wiederholen wird. Ich zelte in Wäldern, an Flüssen und Seen, auf Campingplätzen, auf Bauernhöfen, in Gärten – immer da, wo sich etwas Passendes findet. Heute lerne ich Joel kennen, der mir einen Platz mit wunderschöner Aussicht über die Berge auf seinem Grundstück überlässt.

Radtour Spanien Portugal Frankreich David Hamann

Geschafft: Auf mehr als 1500 Metern Höhe ist David Hamann in El Puertu (Spanien).

Wie beflügelt über die Hochebene

In den tiefhängenden Wolken kreisen die Geier, es regnet viel. Nach fünf Tagen in den Pyrenäen folge ich der Sonne über die Grenze nach Spanien. Auf den Spuren des Jakobsweg grüßen mir die Leute freundlich. „Buen Camino“ wünschen sich die Pilger gegenseitig und auch mir – pilgere auch ich? Wie beflügelt durchquere ich die spanische Hochebene. Endlose, an der Schnur aufgezogene Straßen ebnen mir den Weg Richtung Portugal.

Es rüttelt mich durch. Die Portugiesen scheinen Kopfsteinpflaster zu lieben – ich nicht. Seit zwei Wochen bin ich bereits unterwegs, aber die letzten Kilometer bis Porto werden auch durch das ständige Auf und Ab zu einer Geduldsprobe. Es ist höchste Zeit, die bereits überstrapazierten Bremsbeläge zu wechseln. Zwei Nächte genieße ich den Luxus eines Hostelbettes, doch mir wird schnell klar, dass ich mehr sehen will.

Auf einer der höchsten Klippen Europas

Der Küste folgend verlasse ich Portugal wieder und erreiche den westlichsten Punkt Spaniens. Geschichtlich wurde hier das Ende der Welt vermutet. Beim Anblick des offenen Atlantiks scheint mir dieses Missverständnis nachvollziehbar. Kleine, schnörkelige Straßen schlängeln sich im hügeligen Galizien die Küste entlang. Dass ich mich in der regenreichsten Region Spaniens befinde, ist merklich, stören aber tut das nicht. Regen wechselt mit Sonnenschein und Sandstrände mit Steilküsten. In der „Serra da Capelada“ erreiche ich, auf knapp 600 Metern Höhe, eine der höchsten Klippen Europas.

Nach einer Woche an der Küste biege ich ins kantabrische Gebirge ab, um mich die nächsten Pässe hinaufzuquälen. Am Ende der Tour werden es insgesamt 24 Pässe gewesen sein. Belohnt werde ich mit dem Anblick endlos grüner Wälder und beeindruckender Bergpanoramen. Im „Parque Natural de Somiedo“ lasse ich Zelt und Gepäck auf einem Campingplatz zurück und erkunde die Gegend deutlich erleichtert. Die Täler sind eng und steil, sodass ich mich bald frage, wie ich es schaffe, derartige Anstiege normalerweise mit Gepäck zu erklimmen. Entlang der Felswände kreisen Bussarde, Adler und Geier. Ich nehme mir Zeit, die Greifvögel mit dem Fernglas zu beobachten und die umliegenden Bergseen zu erkunden.

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Stop in Lyon: Das Rad des Freiburgers hat viel mitgemacht – fast ohne Pannen.

Mittlerweile ist es Anfang Oktober und das lassen mich auch die Temperaturen spüren. Besonders kalt ist es morgens. Quälend langsam schiebt sich die Sonne hinter den Berggipfeln hervor. Fäustlinge, Mütze und Schal werden zum täglichen Begleiter. Begeistert von dem, was ich zu sehen bekomme, nehme ich es nicht allzu genau mit der Himmelsrichtung, in die ich mich bewege. In einer Woche aber muss ich in Toulouse sein, um den letzten Bus zu erwischen, der mich pünktlich zum Semesterbeginn wieder nach Freiburg bringt. Die rund 800 Kilometer, die da noch vor mir liegen, sollen mein persönliches Finale bilden.

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Ausruhen: Geschlafen hat der Student im Zelt – teilweise in freier Natur.

Endlich Zeit in Toulouse

Ein Knall! Stille. Eine alte Dame schielt hinter ihrem Vorhang hervor aus dem Fenster. Mit geplatztem Reifen stehe ich in einem kleinen Dorf. Ich setze mich auf eine Mauer und blicke mich um. Langsam wird mir klar, dass hier schon lange kein Bus mehr vorbeigekommen ist. Der nächste Fahrradladen ist 60km entfernt. Ein älterer Herr wird auf mich aufmerksam und bietet an, mir zu helfen. Erleichtert und unendlich dankbar stapele ich Fahrrad, Gepäck und zum Schluss auch mich in Fernandos kleines Auto.

Die Sonne strahlt noch einmal um die Wette, ich genieße es im Sattel zu sitzen und ein letztes Ziel vor Augen zu haben. Bald sehe ich in der Ferne die mir bereits vertrauten Pyrenäen, umfahre sie diesmal aber demütig. Am frühen Vormittag erreiche ich Toulouse. Da mein Bus erst am Abend fährt, statte ich der viert größten Stadt Frankreichs noch den Besuch ab, den ich ihr bei meiner Ankunft verweigert hatte. Erschöpft, aber glücklich falle ich in den Bus. Man könnte fast meinen, ich sei nur im Kreis gefahren – zufrieden betrachte ich durch das Fenster die untergehende Sonne.

Fotos: © privat

Bis zum Atlantik: Zwei Freiburger radeln ans Meer