Reise: Freiburger macht acht Tage Trekking auf den Lofoten-Inseln Reise | 11.06.2021 | Hendrik Sexauer
Moskenesøya, Flakstadøya, Vestvågøy, Gimsøya, Austvågøya. Die Lofoten-Inseln im Norden Norwegens werden auch nach Corona auf der To-do-Liste vieler Skandinavien-Reisender stehen. Bereisen kann man die Inseln mit den Schiffen der Hurtigruten oder mit dem Wohnmobil. chili-Autor Hendrik Sexauer und seine Schwester gingen zu Fuß. 115 Kilometer, 8 Etappen. Mit Zelt, Rucksäcken und 14 Packungen Fertigreis.
Zunächst ist da eine Wand. Reist man per Fähre vom norwegischen Festland an, aus Bodø, zeichnen sich die Lofoten als ein graues Band am Horizont ab. Eine Wand eben, nördlich des Polarkreises, die je näher man kommt umso schroffer, zackiger und steiler erscheint. Auf der beheizten, vor Wind schützenden Fähre kommen dann doch die Zweifel: „Da wollen
wir drüber wandern? Kann man da überhaupt wandern?” Doch die nordatlantischen Winde wehen die Sorgen ebenso schnell weg wie die Wolken. Für unsere Lofoten-Überquerung scheint die Sonne.
Startet man im Süden der Inselgruppe, beginnt die Tour auf Moskenesøya. Im kleinen Dorf Reine, zwischen rot-weißen Holzhäusern und zum Trocknen aufgehängtem Kabeljau, besteigen wir einen kleinen Kahn, der uns zum Ausgangspunkt im Kirkefjord kutschiert. Obwohl wir dicht gedrängt auf dem kleinen Boot sitzen, merken wir schnell: Die meisten Touristen bleiben am Küstenstreifen oder gleich direkt auf dem Boot. Unserem Wanderweg ins Inselinnere folgt niemand.
Die Wanderei beginnt bergauf. Der Topografie der Inseln muss man sich im Voraus bewusst sein. Bis zu 1200 Meter überragen die Berge auf engstem Raum den Atlantik. Viel Platz für sanft ansteigende Aufstiege gibt es nicht. Die Höhenprofile der Etappen ähneln daher meist einer Pyramide: steil bergauf, steil bergab. Immer mit Rucksack und Zelt auf dem Rücken.
Schon am ersten Abend zeigt sich der Trekking-Vorteil Norwegens. Wildes Campen ist außerhalb von privaten, eingezäunten Flächen und der Sichtweite von Siedlungen erlaubt. Einschränkungen, die nicht wirklich einschränken. Dicht besiedelt ist der Norden Norwegens nicht, sodass man jeden Abend aufs Neue schnell einen Platz für sein Zelt findet. Somit müssen sich Wanderrouten auch nicht am Angebot von Hotels oder Campingplätzen orientieren. Reserviert und garantiert haben wir die Schlafsäcke mit Meeresblick.
Norwegen oder doch Martinique? Ein Lofoten-Highlight folgt am zweiten Tag: Kvalvika. Der feine Sandstrand, eingebettet zwischen Klippen, lässt Sommerurlaubsgefühle aufkommen und gehört zu den seltenen Orten der Überquerung, an denen die Inselgruppe uns als der touristische Hotspot begegnet, der sie nun mal ist. „Erwandert“ man sich den Strand vom südlichen Selfjord aus und läuft nicht ab dem Parkplatz bei Fredvang, kommt man in den Genuss des ruhigeren, weniger besuchten, von den Klippen versteckten zweiten Teils des Strandes. Und wen das türkisblaue Wasser täuscht, der hält entweder den kleinen Zeh ins Wasser oder wirft einen Blick auf Google Maps: Nicht Dominica liegt Kvalvika gegenüber, sondern die grönländische Ostküste.
Elche aufschrecken auf eigenen Pfaden
Lofoten-Inseln, das bedeutet Meer und Berge. Tiefes Blau wechselt sich ab mit dem satten Grün der Bergwiesen und den schroffen Einsprengseln grau-schwarzer Felsen. Die Lofoten, das bedeutet Natur: Und die war da, bevor Wanderwege markiert wurden. Wenn dann eine Wiese zum Hochmoor mutiert, versinkt so mancher Weg. Wie geht’s dann weiter? Querfeldein. Im Unterholz wird die Lofoten-Wanderin zur Elchaufschreckerin und Inselentdeckerin auf neuen, ganz eigenen Pfaden. Das bedeutet allerdings, dass man sich Zielpunkte wie Bergspitzen verinnerlichen und eine Karte einpacken sollte – wenn auch digital.
Wer zu Fuß die Inselgruppe überquert, stößt an ein, zwei Stellen auf Asphalt. Gerade die Europastraße 10 ist mit deutschen, italienischen und französischen Wohnmobilen dicht befahren. Hier empfiehlt sich für kurze Strecken der Bus oder die Weiterreise per Anhalter. Die fünfte Etappe beginnen wir mit dem Bus und setzen vom Örtchen Napp nach Leknes, auf Vestvågøy, über. Wir lassen uns von Verkehr und Bebauung nicht direkt wieder auf die Berge und Klippen verjagen. Was jedoch nicht an den (spärlichen) architektonischen Reizen des Städtchens liegt.
Leknes ist der ideale Ort, um sich mit Vorräten für die folgenden drei Tage einzudecken. Im Supermarkt finden wir Porridgetüten mit Trockenfrüchten fürs Frühstück, Haferkekse für zwischendurch und Fertigreispackungen für den abendlichen Gaskocher (Geschmacksvarianten mexikanisch oder provençale: welch ein Luxus). Im Café des kommunalen Kulturzentrums, dem Meieriet, bietet es sich dann noch an, Akkus von Handy und Kamera aufzuladen und die menschlichen Energiespeicher mit Cappuccino und Kanelboller, norwegischen Zimtschnecken, aufzustocken.
Wieder unterwegs wird uns besonders bewusst, was das Überqueren der Lofoten ausmacht, abgesehen von einzigartigen Aussichten: die Stille. Bewegt man sich außerhalb der Radien von Fähranlegestellen und Wohnmobilparkplätzen, ist man meist alleine; eine Erklärung. warum manche Wege weniger ausgetreten, weniger leicht zu finden sind. Dafür sitzt der Wanderer dann an einer Steilküste, unter sich der Fjord, am Horizont ein vor sich hin schaukelnder Fischkutter, und lässt die Beine baumeln. Ein komplettes Panorama nordischer Landschaftsstereotypen ganz für sich alleine.
Nach acht Tagen mit bis zu 20 Kilometer langen Strecken kommen wir in Svolvær an. Gebührend gefeiert wird die Durchquerung der Lofoten. Den Tütenreis tauschen wir gegen einen Einmalgrill und das Wildcampen gegen einen Campingplatz mit Kochnischen und Duschkabinen. Obwohl die Sonne nicht untergehen mag – den nordischen Sommernächten sei Dank –, tragen uns die müden Beine bald ins vertraute Zelt.
Svolvær, mit nicht einmal 5000 Einwohnern die größte Stadt der Lofoten, ist ideal angebunden. Per Bus oder Fähre kommt man zurück aufs Festland. Lässt es die Urlaubsplanung zu, kann man mit dem Nachtzug von Narvik über Kiruna durch schwedische Wälder bis nach Stockholm fahren. Oder man schlägt den Weg gen Norden ein. Schnell ist man auf der Inselgruppe der Vesterålen. Die alpine Insel Senja ist dann auch nur einen Fjord entfernt. Und warum dann nicht durch die borealen Weiten der Finnmark bis ans Nordkap reisen?
Detaillierte Beschreibungen der Etappen für die Lofoten-Durchquerung gibt‘s online auf www.rando-lofoten.net. Hier stehen auch Infos zu Verpflegung, Übernachtungsmöglichkeiten, ÖPNV und Kartenmaterial.
Fotos: © Hendrik Sexauer