Abriss des Ratsstüble in vollem Gange STADTGEPLAUDER | 14.02.2016

Die Abrissarbeiten am Ratsstüble haben begonnen. Doch noch immer erhitzt das ehemalige Wirtshaus in der Universitätsstraße – eines der ältesten Gebäude der Freiburger Innenstadt – die Gemüter. Eine Gruppe rund um den Freiburger Filmemacher Carsten Böhnke und den früheren Stadtarchäologen Immo Beyer hat Ende Januar eine Petition beim Landtag eingereicht. Ihr Ziel: Zumindest die alte Fassade des Gebäudes zu erhalten. Es ist nicht das einzige denkmalgeschützte Gebäude, das in Freiburg gerade heiß diskutiert wird.
 
Ratsstüble: Der Abriss ist in vollem Gang.
 
Die Schäden, die Bauingenieur Martin Mohnke bei einem Informationsabend zum Abriss des Ratsstübles schildert, sind immens: Wurmbefall, Wasserschäden, Fäulnis, poröse Wände, morsche Balken, Obergeschosse, die sich abgesenkt haben. Was Mohnke hier beschreibt, hört sich an, als könnte bereits der nächste Höllentäler das Haus zum Einsturz bringen.
 
Den Eindruck scheint nicht jeder gewonnen zu haben. „Ich habe in Oberlinden Gebäude saniert mit den gleichen Schädigungsgraden“, kontert der Kirchzartener Architekt Willi Sutter. Er habe schon mehrere Gebäude gerettet, denen Gutachter bereits die Totenscheine ausgestellt hatten.
 
Aktuelles Beispiel: der 270 Jahre alte Meierhof im Stadtteil Waldsee. Nachdem die Denkmalschützer bereits dem Abriss zugestimmt hatten, legte Sutter ein Konzept für die Sanierung vor, das nun geprüft wird. „Die Statiker bewerten das Gebäude so, wie es momentan steht“, erläutert Sutter seinen Ansatz. „Durch Umbaumaßnahmen kann man die alte Substanz aber erhalten.“
 
Auch beim Ratsstüble hatte Sutter angeboten, eine Expertise zu erstellen – kostenlos. Ein Angebot, das die Eigentümerin Martina Feierling-Rombach nicht angenommen hatte. Sie vertraue auf das Gutachten Mohnkes, der in Freiburg mehr als 50 Sanierungen historischer Gebäude begleitet hat, wie etwa des Adelhauser Klosters, des Augustinermuseums, des Friedrichsbaus oder der Kartaus: „Bei den Planungen müssen wir die Sicherheit haben, was am Ende dabei rauskommt. Uns wäre das Risiko zu hoch, dass es zu einer Kostenexplosion kommt, wie bei der Stube in St. Georgen.“ Ein Argument, das Sutter nicht nachvollziehen kann: „Bei all unseren Bauvorhaben lagen die Kosten für die Sanierung unter den Neubaupreisen.“
 
Beim Ratsstüble scheint das letzte Wort gesprochen zu sein. Der Abriss ist in vollem Gange, Anfang Februar haben die Bauarbeiter begonnen, im Inneren Teile auszubauen. Zwar prüft der Landtag momentan noch eine Petition von Böhnke und Beyer, die hoffen, dadurch die Fassade erhalten zu können, doch offiziell wissen weder Baurechtsamt noch Eigentümerin etwas von der Petition, sodass die Abrissarbeiten weiterlaufen.
 
Für die Kritiker geht es mittlerweile nicht mehr nur um den Einzelfall. „In Freiburg geht man mit dem Denkmalschutz zu locker um“, moniert KULT-Stadtrat Atai Keller. Zusammen mit 13 anderen Stadträten hatte er einen Antrag an die Stadtverwaltung gestellt, das Thema „Zukunft des Ratsstübles“ im Gemeinderat zu behandeln. Der wurde abgelehnt. „Der Gemeinderat wurde nicht rechtzeitig informiert, es wurde alles hinter verschlossenen Türen verhandelt“, empört sich Keller über das Vorgehen der Verwaltung. Auch bei anderen Projekten, wie der Bebauung des Parks bei der Reinhold-Schneider-Villa, habe der Gemeinderat „nur schleppend herausbekommen, was passiert“.
 
Auch bei einem weiteren Abriss-Projekt, der Villa in der Wintererstraße 28, fordert Keller gemeinsam mit Vertretern von Stadtbild Deutschland, Freiburg Lebenswert und Für Freiburg weitere Gutachten.
 
„Es wird furchtbar geschlampt“, so Böhnkes Vorwurf an die Ämter. Die Denkmalschutzbehörden würden Gebäude zu schnell aus dem Schutz entlassen, da es an Personal und finanziellen Mitteln fehle, um die von den Eigentümern in Auftrag gegebenen Gutachten kritisch zu hinterfragen. „Wenn die Denkmalschützer weiterhin so vorgehen, wird in Freiburg bald ein Gebäude nach dem anderen fallen.“
 
Text: Tanja Bruckert / Foto: Till Neumann