„Alle sagen wow“: Kreativpark startet in der Lokhalle STADTGEPLAUDER | 15.06.2018 | Till Neumann

San Francisco hat das Silicon Valley, Freiburg den Kreativpark. In 24 Hochsee-Containern und neuen Büroflügeln werkeln seit dem 1. Juni rund 100 Kreative. Die Location in der denkmalgeschützten Lokhalle auf dem Güterbahnhofareal ist spektakulär, die Einrichtung bunt, wie ein Gang durch den neuen Hotspot zeigt. Die Mieter sind begeistert, ein Überraschungsgast kündigt sein Kommen an.

Macbook, Sonnenbrille, Ventilator. Christoph Munz sitzt am Rechner und arbeitet (Foto oben). Der 29-Jährige ist Geschäftsführer des Start-ups „jicki“, das digitale Lernprogramme für Fremdsprachen anbietet. „Endlich sind wir hier“, sagt Munz. Zuletzt arbeitete das Team in einer Scheune in Haslach – ohne Heizung.

Mit dem Kreativpark startet für jicki ein neues Kapitel: „Das ist mega geil geworden“, schwärmt Munz. Das 25 Quadratmeter große Containerbüro mit vier Arbeitsplätzen im ersten Stock ist zwar noch spartanisch eingerichtet. Das Drumherum macht dafür einiges her.

Synergieeffekte haben sich schon in den ersten Tagen gezeigt: Mit Kollegen anderer Start-ups trifft sich Munz auf der zentralen Piazza, eine Connection für seine Firma hat er mit einem Container-Nachbarn schon klargemacht. Die kleine Firma zahlt hier zwar deutlich mehr Miete als vorher – etwa 1000 Euro sind es für den Container. Sie hofft aber, das durch Synergien und Netzwerke wieder reinzuholen.

Kreativpark-Chef Hagen Krohn ist überzeugt, dass das klappt. „Ich bin mittlerweile etwas betriebsblind“, sagt der 38-Jährige. Fast durchgehend sei er zuletzt hier gewesen, um den Park startklar zu kriegen. „Das erste Feedback ist super“, erzählt Krohn auf einer der gemütlichen Vitra-Couches im Eingangsbereich. „Die Rückmeldungen tun gut“, sagt der Mitgründer des Co-Workingspaces Grünhof. Schließlich sei der Druck groß, mit dem Park gehe er hohes Risiko: Einen Kredit von 250.000 Euro hat er dafür aufgenommen.

Bunt und ausgefallen: Der Eingangsbereich bietet Sofas, Tische und Lampen – ein Imbiss ist im Entstehen.

Der Plan war, bis Ende des Jahres alle Räume zu füllen. Das ist schon jetzt Realität: „Es ist mega positiv gelaufen, wir sind fast voll belegt“, sagt Krohn. Rund 100 Leute sind Mitglied – haben also entweder einen Teamspace für zwei bis acht Personen, eines der 16 Fixdesks oder einen Flexdesk. Letzteres kann man für fünf Tage, zwölf Tage oder einen vollen Monat mieten. Die Basisversionen kosten 69, 139 oder 199 Euro. Lediglich bei den Flexdesks gibt es noch freie Plätze. Teilzeitmitglieder können an beliebigen Tagen kommen und einen der freien Arbeitsplatz nutzen.

Für alle gibt’s Highspeed-Glasfaser-Internet und 700 Quadratmeter Gemeinschaftfläche. Dazu zählen zum Beispiel eine Küche und eine Dusche. Die Nachfrage ist so groß, dass es für die Büros sogar eine Warteliste gibt. „Bei der Auswahl war uns Diversität wichtig – im Fachlichen und bei der Erfahrung“, sagt Krohn. Eine Voraussetzung für ein funktionierendes Ökosystem, dessen Akteure sich ergänzen, austauschen und pushen. Es seien erfahrene Leute am Start, aber auch „blutige Anfänger“.

Mitglieder haben sechs Wochen Kündigungsfrist. „Der Park ist ein Durchlauferhitzer“, sagt Krohn. Die Akteure teilt er in Kreative, Start-ups und innovative Gruppierungen auf. Es seien Fotografen da, Architekten, Lektoren, Autoren … Während er spricht, läuft ein paar Meter weiter ein offener Workshop zu „Recht in Online-Marketing“, bei dem jeder mitmachen kann. Der Raum ist proppenvoll.

Vollendet ist der Park längst nicht. Ein Café am Eingang wird gerade fertiggestellt, Meeting-Cubes sollen aufgestellt und Straßennamen vergeben werden. „So was wie Big-Lebowski-Straße“, sagt Krohn und lacht. Über ihm hängen bunte Lampen an noch bunteren Seilen, getragen von einer Bambus-Konstruktion. Alles soll in Ruhe wachsen – auf auf Initiative der Mitglieder.

Ein paar Meter weiter laufen zwei Kreative zum zentralen Marktplatz. „Freiburgs Silicon Valley“, raunt einer und macht es sich auf der Couch bequem. Über ihm hängen Glühbirnen und die saftig grünen Blätter einer Pflanze. Vögel zwitschern unter dem Hallendach.

Auch eine Etage höher ist das Gezwitscher zu hören. Dort hat sich der Social Innovation Lab des Kreativparks eingerichtet. Junge Kreative können an 14 Arbeitsplätzen ein Jahr kostenlos werkeln. Die meisten sind Teil des Grünhof-Förderprogramms Sozionauten. „Es ist sehr inspirierend hier zu arbeiten“, schwärmt Projektleiterin Jella Riesterer (31). „Schon am ersten Tag haben wir Kontakte und Erfahrungen ausgetauscht“, ergänzt ihre Kollegin Vivien Riener (28). In der Ecke stehen gold glänzende Sanduhren.

„Der Park ist ein Durchlauferhitzer“: Hagen Krohn vom „Grünhof“ ist Leiter des Kreativparks.

Gebaut haben den Kreativpark „zwei Verrückte“, scherzt Projektentwickler Frank Böttinger. Er und sein Geschäftspartner Lars Bargmann führen die Geschäfte der Planwerk Freiburg GmbH und sind seit 2011 Eigentümer der Lokhalle. Im 1500 Quadratmeter großen Mittelschiff haben sie das knifflige Großprojekt verwirklicht. Unser bisher „persönlichstes, mit dem meisten Herzblut“, erzählt Böttinger an seinem Schreibtisch im Ostflügel der Halle.

Denkmalschutz versus Brandschutz – so die Herausforderung. Viel Aufwand sei betrieben worden, um beides in Einklang zu bringen, sagt Böttinger. Das Ergebnis sei dafür mehr als zufriedenstellend. „Jeder, der reingeht, hat dieses Wow-Gefühl“, schwärmt der Entwickler.

Planwerk hat den Kreativpark an die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) vermietet, die wiederum an das Grünhof-Team um Hagen Krohn und Martina Knittel. Auf zehn Jahre ist der Vertrag angelegt. Böttinger ist sicher: „Das Konzept wird über Generationen funktionieren.“

Einer der Väter des Kreativparks ist Bernd Dallmann, bis Ende 2017 war er Chef der FWTM: „Der Kreativpark in der Lokhalle ist ein neuer Hotspot für junge Unternehmer. Ein innovatives Konzept gepaart mit kreativen Ideen vom Grünhof inmitten einer charmanten Industriearchitektur – ein bisher nicht gekannter Standort für Freiburg und die Region.“

Ähnlich angetan ist Freiburgs Noch-Oberbürgermeister Dieter Salomon. Er hat das Projekt als FWTM-Aufsichtsratsvorsitzender von Anfang an unterstützt. Nach seiner Wahlniederlage im Mai hatte er angekündigt, bis zur Amtsübergabe an Martin Horn keine öffentlichen Termine mehr wahrzunehmen. Doch für den Kreativpark macht er eine Ausnahme: Bei der Eröffnungsfeier am 22. Juni wird er als Redner erwartet. Salomons Vorfreude ist groß: „Die Eröffnung liegt mir am Herzen und wird für mich einer der letzten offiziellen Termine sein. Deswegen ist das für mich doppelt besonders!“

Mehr Infos auf: gruenhof.org/kreativpark

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Fotos: © Till Neumann

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