Anne-Christine Brehm freut sich auf ihre Arbeit als Münsterbaumeisterin in Freiburg STADTGEPLAUDER | 28.05.2021 | Erika Weisser

Freiburg Schlossbergbahn und das Freiburger Münster

Yvonne Faller leitete 16 Jahre lang die Freiburger Münsterbauhütte – auch während der komplizierten und ein ganzes Jahrzehnt währenden Sanierung des Turmhelms. Aus Krankheitsgründen legte sie ihr Amt nun nieder; Ende März schied sie aus dem für sie „schönsten Beruf auf Erden“. Neue Baumeisterin ist Anne-Christine Brehm. Sie übernimmt im Juli die Verantwortung für die vielen Baustellen an der äußeren Steinhülle des gotischen Kirchbaus mit dem „schönsten Turm auf Erden“, wie der Basler Kunsthistoriker Jakob Burckhardt das 116 Meter hohe architektonische Meisterwerk vor 150 Jahren nannte.

Wie ihre Vorgängerin ist auch Brehm Architektin. Nach ihrer Schulzeit in Lörrach absolvierte die heute 41-Jährige, die aus dem Kanderner Ortsteil Feuerbach stammt, ab 1999 ihr Studium an der Technischen Hochschule der Universität Karlsruhe, schloss 2006 mit dem Diplom ab und ging direkt danach zum Promotionsstudium über. Dabei lag ihr Schwerpunkt auf Forschungsbereichen, für die sie sich „schon seit sehr langer Zeit interessierte“: die Architektur der Gotik und der Spätgotik sowie die mittelalterlichen Bautechniken. Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Recherchen zu dieser bauhistorischen Epoche befasste sie sich auch „sehr intensiv“ mit dem Freiburger Münster – und fand dabei das Thema ihrer Doktorarbeit, mit der sie 2010 promoviert wurde: Hans Niesenberger von Graz, der seit 1471 Münsterbaumeister in Freiburg war und somit gewissermaßen auch einer ihrer zahlreichen Vorgänger in der 800-jährigen Geschichte der hiesigen Bauhütte.

In ihrer Dissertation beschreibt sie diesen „Architekten der Spätgotik am Oberrhein“ als einen Mann, der zugleich als Baumeister und Bauunternehmer auftrat und „an mehreren Großprojekten gleichzeitig arbeitete“. Dabei seien dem aus Österreich stammenden Werkmeister „oft statisch schwierige Bauten anvertraut“ worden. Auch in Freiburg: Unter seiner Leitung wurde der Chor, dessen Wände „sich vor seinem Amtsantritt zu neigen begonnen hatten“, so umkonstruiert, dass 1482 der gewichtige Dachstuhl schadlos auf die Binnenwände aufgesetzt werden konnte. Dieser Chor wird die nächste große Sanierungsbaustelle am Münster sein – und die erste, für die Brehm als neue Baumeisterin die Verantwortung übernimmt.

Anne-Christine-Brehm

Generationenübergreifende Aufgabe: Die neue Baumeisterin vorm schützenswerten Meisterwerk.

Auf diese Arbeit und alle zukünftigen Aufgaben – freut sie sich sehr. Zumal sie für die Leute, mit denen sie bald zusammenarbeiten wird, auch keine Unbekannte ist: Im Zusammenhang mit der Dissertation knüpfte die damalige Doktorandin erste und „in jeder Hinsicht sehr bereichernde Kontakte“ zur Freiburger Münsterbauhütte und deren Mitarbeitern. Freilich ohne damit zu rechnen, dass sie diesen traditionsreichen Betrieb einst selbst leiten würde.

Und ohne zu ahnen, dass sie, als sie feststellte, „welch fähige Frauen und Männer dort arbeiten“, gerade dabei war, ihre künftigen Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen. Umso glücklicher sei sie jetzt über die völlig unerwartete Möglichkeit der „praktischen Zusammenarbeit“ mit den derzeit 15 Steinmetzinnen und Steinmetzen, vor deren Leistung sie „großen Respekt“ hat. Vor der heutigen wie vor der historischen Leistung: Es ist für sie „immer noch erstaunlich, was diese Handwerker vor mehr als einem dreiviertel Jahrtausend zustande gebracht haben und wie lange ihr Werk erhalten geblieben ist“.

Im Zuge ihrer Forschungsprojekte während und vor allem nach der Promotion hatte die Architekturhistorikerin genügend Gelegenheit, die handwerkliche Qualität der spätgotischen Maßwerkarbeit kennen- und schätzen zu lernen. Von 2008 bis 2018 arbeitete sie als akademische Angestellte am Institut für Kunst- und Baugeschichte an derselben, inzwischen zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) umbenannten Technischen Hochschule. Dort wirkte sie an größeren Projekten mit und publizierte zahlreiche Beiträge zum Themenkreis des gotischen Bauhüttenwesens.

»Ein lachendes und ein weinendes Auge«

Zudem übernahm sie als Privatdozentin dort auch Lehraufträge zu ihrem Lieblingsthema Gotik und Spätgotik. „Netzwerk Gotik“ war denn auch ihr eigenes Forschungsprojekt benannt, in dessen Rahmen sie eine umfassende Studie über „das Ulmer Münster im Zentrum von Architektur- und Bautechniktransfer“ erstellte, mit der sie 2018 habilitiert wurde.

Seit 2019 ist Brehm im Freilichtmuseum Ballenberg in der Schweiz tätig, wo sie als Leiterin der Abteilung Architektur und Hausforschung ein Instandhaltungskonzept für mehr als 100 historische Gebäude verantwortete. Von dort geht sie „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“. Die Arbeit habe ihr großen Spaß gemacht, doch eine solche Chance wie jetzt in Freiburg „bekommt man nur einmal im Leben“.

Deshalb habe sie „nicht allzu lange überlegt“, als sie von der Stellenausschreibung erfahren habe. Zumal sie die Bauhütte ja schon kannte und wusste, „wie gut Yvonne Faller den Betrieb aufgestellt“ hatte. An der neuen Aufgabe findet sie besonders reizvoll, dass hier neben dem hohen handwerklichen und architektonischen Niveau auch Forschung wichtig ist. Und dass sie ihr „theoretisches Wissen über die mittelalterliche Bautechnik jetzt praktisch anwenden und damit zum Erhalt des großartigen Münsters für die kommenden Generationen beitragen kann“.

Fotos: © Alexandre Goebel, ewei