Auch Freiburger trinken während Corona-Pandemie mehr Alkohol STADTGEPLAUDER | 13.11.2020 | Liliane Herzberg

Getränkestapel

Problembewältigung, Linderung der Einsamkeit, Bindeglied zwischen Freunden – Alkohol findet seinen Weg in viele Lebenssituationen. Laut Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung wiesen im Jahr 2019 in Deutschland rund 18 Prozent der Männer und 14 Prozent der Frauen einen riskanten Alkoholkonsum auf. Zahlen zum Corona-Jahr 2020 gibt es bislang noch nicht – Freiburger Suchtberatungsstellen und Supermärkte berichten aber von deutlich gestiegener Nachfrage bei Hilfsangeboten und Alkoholverkauf.

April 2020, Deutschland befindet sich im Lockdown. Viele Menschen sind in Kurzarbeit, im Home-Office oder gar arbeitslos geworden. Bei manchen steigt das Stresslevel, bei anderen siegt die Langeweile, einige fühlen sich einsam. Und viele greifen auf Alkohol als Mittel zur Bekämpfung ihrer Probleme zurück. Genaue Zahlen nennen Aldi und Alnatura auf chilli-Anfrage nicht, bestätigen aber eine Absatzsteigerung im Frühjahr bei Bier, Wein und Schaumwein sowie Spirituosen.

Gründe für den Griff zur Flasche seien Einsamkeit, Neigung zur Depression und vor allem Ängste, die durch Corona zusätzlich verstärkt werden, erklärt Thomas Hodel von der Suchtberatung Freiburg. Bei ihnen sei ein signifikanter Anstieg der Beratungsanfragen im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. Während der zweiten Welle rechne er außerdem mit einem weiteren Anstieg: „In der dunklen Jahreszeit wenden sich mehr Menschen an uns, das ist jetzt durch Corona noch verstärkt, und es würde mich nicht wundern, wenn die Zahl noch steigt.“ Menschen in allen Lebenslagen suchten bei ihnen Hilfe, gerne denke er deshalb an den einstigen Leitsatz der Caritas: „Aus ganz normalen Familien kommen ganz normale Suchtkranke.“

Die Wirkung von Alkohol ist Teil der Ursache einer Sucht. Der für Menschen in kleinen Mengen verträgliche Trinkalkohol Ethanol erreicht schon wenige Minuten nach Aufnahme über die Blutbahn das Gehirn und wirkt dort auf verschiedene Neurotransmitter. Unter anderem setzt er Dopamin frei. Die Folge: das Verlangen nach mehr Alkohol. Auch die Bildung des Neuro-transmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA) wird angeregt, was eine angstlindernde und beruhigende Wirkung zur Folge haben kann.

Beim Verzehr von Alkohol wird unterschieden zwischen risikoarmem, riskantem, gefährlichem und Hochkonsum. Risikoarm bedeutet, dass auf einen langen Zeitraum bezogen bei gesunden Menschen mittleren Alters keine gesundheitlichen Schäden entstehen. Männer können diesen Werten nach täglich einen halben Liter Bier oder einen viertel Liter Wein trinken, Frauen einen viertel Liter Bier und ein achtel Liter Wein, erklärt Hodel. In der Woche müssen außerdem mindestens zwei alkoholfreie Tage eingehalten werden, am besten hintereinander.

Sabine Lilli, Sozialpädagogin von der Regio-PSB Freiburg, erklärt, dass jeder sein Trinkverhalten anhand der Suchtkriterien selbst überprüfen könne. Die Gründe, warum jemand zu trinken beginne, seien sehr verschieden. Auch wie schnell sich beim Einzelnen eine Abhängigkeit entwickle, sei unterschiedlich. Aber auch in ihrer Beratungsstelle sei deutlich geworden, dass die Zeit zugesetzt habe: „Die Beschränkungen haben ihre Spuren hinterlassen.“

Um den aktuellen Lockdown besser zu überstehen, rät die 51-Jährige, Zukunftspläne zu schmieden, sich zu beschäftigen oder Sport im Freien zu treiben. Hodel empfiehlt, auf einen festen Rhythmus zu achten, regelmäßige Mahlzeiten zu sich zunehmen und möglichst viel Normalität zu bewahren und zu konstruieren, um so der Lust nach Alkohol entgegenzuwirken.

 

Info

www.suchtberatung-freiburg.de
www.regio-psb-freiburg.de

Foto: © Th G/Pixabay