Baumpaten sorgen in Freiburg für blühende Straßenränder STADTGEPLAUDER | 14.07.2019 | Heide Bergmann

Baumscheiben

Viele Stadtbäume haben Stress: platt getretener Boden, Mülleimer, Hunde-Urin, parkende Autos und Fahrräder. Baumbeete rings herum können helfen. Freiburger Baumpaten zeigen, wie es geht.

Stadtviertel werden zunehmend von Autos beherrscht. Auf den zweiten Blick überraschen aber einige Wohnstraßen mit bunten Blumeninseln. Da blühen blaue Iris unter alten Kastanien, Goldlack und Mohn leuchten zwischen Stoßstangen, und Polster aus Frauenmantel und Storchschnabel peppen schattige Häuserzeilen auf. Manche Baumbeete sind wahre Hingucker. Man bleibt stehen, um zu staunen. Es ist aber nicht nur ihre Ästhetik, die sie so besonders macht.

Sie sind auch eine Wohltat für den Baum: Wenn niedrige Pflanzen in der Umgebung des Stammes wachsen, kann das Regenwasser besser eindringen, die Feuchtigkeit bleibt im Boden, und durch den Eintrag von Humus entsteht ein reges Bodenleben. Die Baumwurzeln bekommen Luft und wachsen nicht beengt. Zudem dienen solche grünen Oasen als Areale für Insekten, Vögel und andere Tiere, die sich so mitten in der Stadt ansiedeln können. Gerade in den Stadtvierteln mit Nachverdichtung und zunehmendem Straßenverkehr sind solche Blühflächen wichtig.

„Auch wenn die Baumscheibe manchmal minimal klein ist, bedeutet sie immer eine Grünfläche, die lebt“, erklärt Monika Borodko-Schmidt vom Garten- und Tiefbauamt der Stadt Freiburg. Seit 2009 ist sie zuständig für „Freiburg packt an“, ein Programm für bürgerschaftliches Engagement und Stadtökologie auf öffentlichen Grünflächen. Über ihren Schreibtisch laufen die Anfragen für die Baumpatenschaften, Rückmeldungen bei Problemen, Tipps und Kontakte.

„Jeder Anwohner kann mitmachen, Privatpersonen, Schulen, Firmen oder Vereine. 350 Freiburger Baumbeete sind bis jetzt registriert, wir schätzen, dass es noch mal so viele gibt, ohne angemeldet zu sein“, so Borodko-Schmidt. „Das wird aber toleriert“, ergänzt sie augenzwinkernd. Zunächst muss geklärt werden, ob der Eigentümer mit einem Baumbeet vorm Haus einverstanden ist. Denn nach der städtischen Gehweg-Satzung ist er für den Bürgersteig zuständig. Nach der Registrierung, mit der man die Vorgaben für die Anlage und Pflege der Baumscheibe akzeptiert, kann es losgehen.

Baumscheibe Herdern

Freiburger Baumpaten verwandeln karge Flächen in blühende Areale für Insekten und Vögel – und tun damit auch dem Baum etwas Gutes.

Eine Broschüre informiert über alles Nötige. So darf etwa keine Gefährdung durch Steine oder Zäune ausgehen. Zudem dürfen keine Wurzeln beschädigt und keine großen Sträucher gepflanzt werden, da sie mit dem Baum konkurrieren. Eine kleine Tafel mit dem Hinweis „Baumpatenschaft“ sagt den städtischen Arbeitern, die für Grünflächen zuständig sind, dass sie die Fläche aussparen sollen.

Baumpatin mit grünem Daumen

Eine der Freiburger Baumpatinnen ist Olivia Besters aus Herdern. Seit mehr als 20 Jahren ist sie aktiv. Seit sie umgezogen ist und ihren 1000 Quadratmeter großen Garten nicht mehr hat, betreut sie vor ihrem Haus und in einigen angrenzenden Wohnstraßen 26 Baumbeete. Besters gärtnert leidenschaftlich gerne, und das sieht man den Baumbeeten an. Sie sind abwechslungsreich gestaltet, immer blüht etwas anderes: im Frühling Tulpen, Akelei und Kalifornischer Mohn, gefolgt von Flockenblumen, Margeriten, Mutterkraut und Skabiose. Im Sommer kommen Ringelblumen, Vexiernelken und Stockrosen, im Herbst Sonnenhut und Astern dazu.

Olivia Besters

Statt eines eigenen Gartens bepflanzt Olivia Besters 26 Baumbeete in Herdern – dafür gibt es Saatgut und Tipps von der Ökostation.

Jeder Standort ist anders. Unter schattigen Kronen hat Besters Storchschnabel, Goldfelberich und Frauenmantel gepflanzt. Nächstes Jahr möchte sie noch mehr Phlox ausprobieren. Besonders freut sie sich über die Dahlien. Von ihrer Mutter hatte sie vor Jahren ein paar Knollen geerbt. Inzwischen hat sie mehrere Kisten davon im Winterlager, denn jedes Jahr vermehren sich die Dahlien um sensationelle 30 Prozent. Kleiner Nebeneffekt beim Baumscheiben-Gärtnern: Es gibt keine Schnecken! Denn Schnecken kriechen nur ungern über Asphaltwüsten.

Besters hat sich für die Bepflanzung auch gärtnerischen Rat geholt. „Einmal kam der Gärtnermeister der Ökostation zur Beratung. Das war sehr hilfreich. Er brachte Wiesensalbei, Kartäusernelke und andere Wildpflanzen mit, die sich prächtig etabliert haben, sodass ich sie teilen und weitergeben konnte.“ Die Freiburger Ökostation ist seit 2004 Kooperationspartnerin des Projektes. Man kann sich dort beraten lassen oder an einer Pflanzaktion teilnehmen.

Auch Listen mit Pflanzempfehlungen, spezielle Saatgutmischungen und zum Teil auch Pflanzen stellt die Ökostation zur Verfügung, sodass man für die jeweilige Baumscheibe das Richtige findet. Unter mächtigen Stadtbäumen etwa sind wegen der Wurzeln und dem verdichteten Boden nur Blumenzwiebeln oder Irisknollen pflanzbar. Junge Bäume sind für ein Baumbeet besser geeignet. Das vorhandene Substrat, das anteilig aus Ziegelsplitt, Lava oder Schlacke besteht, ist locker und unkrautfrei, sodass die Fläche im Nu bepflanzt ist. Da die Bäume noch keine richtige Krone gebildet haben, erhalten die Pflanzen ausreichend Sonne.

Baumpaten Freiburg

Viele Bäume haben Stress: platt getretener Boden, Hunde-Urin, parkende Autos und Fahrräder.

Allerdings muss man beachten, dass die ersten zwei Jahre für Jungbäume kritisch sind. Ihre Wurzeln dürfen keinesfalls nach oben wachsen, sondern müssen in möglichst tiefe Erdschichten vordringen. Nur so können sie sich auf Dauer selbst versorgen. Die Stadt beziehungsweise die zuständige Gartenbaufirma wässert die Bäume alle zwei Wochen mit einem Tankwagen. Der Gießrand um den Stamm herum muss daher frei bleiben.

Baumpaten sollten auf diese Baumscheiben eher trockenheitsliebende Pflanzen setzen und nur mäßig gießen, um die Baumwurzeln nicht zu irritieren. Mediterrane Kräuter wie Lavendel, Rosmarin und Thymian oder Stauden wie Dost, Steinquendel, Katzenminze, Gamander, Nachtkerze oder Färberkamille sind hier goldrichtig. Auch heimische Wildblumenmischungen, die man – nachdem sie gekeimt und angewachsen sind – weitgehend sich selbst überlassen kann, kommen hier gut und bilden im Lauf der Jahre eine artenreiche Bienen- und Schmetterlingsweide.

„So entsteht Vielfalt“

Um Baumbeete ansprechend zu erhalten, brauchen sie eine gewisse Pflege. Besters möchte den Aufwand im Rahmen halten. Im Frühjahr setzt sie neue Pflanzen, die sie zu Hause vorgezogen hat. Im Sommer schneidet sie hohe Stängel zurück, die über den Rand wachsen, und wenn sich von alleine Gehölze etabliert haben, entfernt sie diese. Im Herbst schafft sie Ordnung, teilt Stauden und gräbt die Dahlienknollen aus. Die meiste Arbeit ist das Gießen, vor allem wenn es heiß und trocken ist wie letztes Jahr. Das Wasser schöpft sie aus den nahe gelegenen öffentlichen Brunnen oder dem Gewerbekanal. Dann gibt es viel zu schleppen. Letztes Jahr haben ihre Kinder ihr einen Fahrradanhänger mit zwei 35-Liter-Kanistern geschenkt. Jetzt ist es einfacher.

Sich ehrenamtlich zu engagieren, macht Besters Freude. „Ich identifiziere mich mit dem Stadtteil. Ich habe viele Kontakte mit Nachbarn. Oft bleiben Passanten stehen und sprechen mich an, wollen auch ein Baumbeet anlegen. Dann gebe ich meine Erfahrungen und – wenn ich habe – Ableger gerne weiter.“ 20 neue Baumbeete sind nach ihrem Vorbild in Herdern entstanden. Olivia Besters Engagement wurde von der Stadt Freiburg mit einer Urkunde gewürdigt. „Das Schönste ist, wenn ich andere motivieren kann und wenn jeder in seiner Baumscheibe seine individuellen Ideen umsetzt. So entsteht Vielfalt.“

Jetzt nimmt das Baumpaten-Projekt noch mal Fahrt auf: Zum 900-jährigen Stadtjubiläum sollen 900 Baumbeete aufblühen. Die Freiburger Bürgerstiftung hat sich dieses Ziel gesteckt und möchte mit einer breiten Kampagne dafür werben. Bei einer Auftaktveranstaltung in der Gartenstraße am 27. September um 17 Uhr werden Vorzeigebeete angelegt und über das Projekt informiert. Wer Baumpatin oder -pate werden möchte, ist dazu herzlich eingeladen.

Info

Ansprechpartnerin für Baumpatenschaften: Monika Borodko-Schmidt
Stadt Freiburg Garten- und Tiefbauamt
Tel.: 0761/201-47 12
fpa@stadt.freiburg.de

Gärtnerische Beratung:
Ökostation Freiburg
Ute Unteregger
Donnerstags 14 – 17 Uhr
Tel.: 0761/89 23 33
ute.unteregger@oekostation.de

Foto: © Stadt Freiburg, Heide Bergmann