Bauverein "Wem gehört die Stadt" kritisiert Rathaus STADTGEPLAUDER | 05.03.2016

Im vergangenen Mai hat der Freiburger Gemeinderat mit der knappsten aller Mehrheiten beschlossen, dass künftig bei größeren Neubaugebieten jede zweite Wohnung eine öffentlich geförderte Mietwohnung sein muss. Das hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Seither gibt es einen Glaubenskrieg: Die einen glauben, dass damit mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird, die anderen, dass angesichts der dürftigen öffentlichen Zuschüsse bald gar kein sozialer Mietwohnungsbau mehr hergestellt wird.

Hochhaus auf den Gutleutmatten:  Für dieses Projekt sind 50 Prozent Mietwohnungen mit einer begrenzten Miete und einer Mietbindungsdauer vorgschrieben.

Bisher ist die 50-Prozent-Klausel ein stumpfes Schwert, im Prinzip liegt kein einziger Bauantrag auf dem Tisch von Baurechtsamtschef Rüdiger Engel, in dem ein Bauträger nach der neuen Quote bauen will.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Baubürgermeister Martin Haag nicht zu den Fans des Beschlusses zählt. Wenn es nach ihm, Oberbürgermeister Dieter Salomon und vielen anderen im Gemeinderat ginge, müsste der Beschluss zurückgenommen werden. Dagegen hat sich Ende Januar der Bauverein „Wem gehört die Stadt?“ mit einem offenen Brief gewandt.

Der Verein, der zum Mietshäuser Syndikat zählt, spielt die Quote für den neuen Stadtteil Dietenbach durch. Nach den bislang geltenden baulandpolitischen Grundsätzen müssen Bauträger, private oder auch die Freiburger Stadtbau, 30 Prozent geförderten Wohnungsbau herstellen.

Diese Quote kann durchaus je zur Hälfte in Miete oder Eigentum gesplittet werden. Im Dietenbach sollen rund 5000 Wohnungen gebaut werden. Mit der neuen Quote wären darunter 2500 soziale.

Mit der alten Quote wären es, bei 30 Prozent und davon je hälftig Miet- und Eigentumswohnungen, nur 750. „Ganze 750 Wohnungen mit Mieten von dann etwa 7–8 Euro/m2 gegenüber 4250 Wohnungen für Menschen mit mindestens 6-stelligem Eigenkapital, die von den Wohnungseigentümern zwar auch vermietet werden können, falls kein Eigenbedarf vorliegt; dann aber mit Mieten vermutlich zwischen 12–16 Euro/m2, da die Mietpreisbremse bei der Erstvermietung von Neubauwohnungen nicht gilt“, heißt es in dem Papier.

Somit werde auch auf Millionen aus den Landeswohnungsbauprogrammen verzichtet – mit dem Segen der Stadtverwaltung. Die Förderung für eine 80-Quadratmeter-Wohnung würde rund 200.000 Euro zinsfrei für 25 Jahre betragen: Somit summierten sie sich bei 1750 Wohnungen auf 350 Millionen Euro. „Will die Stadtverwaltung wirklich darauf verzichten und stattdessen die Baufinanzierung über Kapitalmarktdarlehen ohne Sozialbindung präferieren – damit die Bauoligarchen bei Laune bleiben!“

Es überrasche nicht, wenn die „Oligarchen der Bauwirtschaft“ nicht müde würden, die 50-Prozent-Regelung zu attackieren, mit dem Argument, geförderter Mietwohnungsbau sei unwirtschaftlich. Ein Blick auf die Gutleutmatten zeige, dass bei Bedingungen mit 50 Prozent gefördertem oder gebundenem Mietwohnungsbau die „Investoren Schlange stehen“. Diese Schlagzeile stand auch über dem ersten offenen Brief des Vereins im vergangenen Juli. Die Stadtbau-Spitze um Ralf Klausmann hatte darauf geantwortet, dass sie die Wahrscheinlichkeit, dass das Finanzierungsmodell des Vereins eine Welle von Investoren bewegen würde, als „sehr gering“ einschätzt und dieses – wegen des fehlenden Eigenkapitals – auf ein kommunales
Wohnungsbauunternehmen „nicht übertragbar“ sei. Der Glaubenskrieg geht weiter. Entschieden wird er, um den Ex-Bundesligatrainer Adi Preißler zu bemühen, „aufm Platz“.

Text: bar / Visualisierung: © Siedlungswerk