Bio, Bongs und Blättchen: Neuer Hanfladen in Freiburg will weg vom Klischee STADTGEPLAUDER | 24.05.2018 | Till Neumann

Eine Ecke sieht aus wie ein Bioladen. Die andere wie der Fachhandel für Marihuana-Raucher. Freiburgs neuer Laden „Hanfnah“ bietet mehr als Bongs und Papers. Die Betreiber setzen auf Wohlfühlatmosphäre und die Kräfte des THC-freien Hanfs.

Aus den Boxen schallt Reggae. Ein Mittzwanziger plaudert zwischen Feuerzeugen und Hanfpralinen mit dem Geschäftsführer. Eine ältere Dame streift durch die Nahrungsmittelabteilung. Es gibt Bärlauch-Aufstrich, Hanfsamen oder Müsli – auch das mit Hanf.

„Wir wollen Wohlfühlklima bieten, weg vom Klischee“, sagt Tobias Pietsch. Ende April hat der 33-Jährige aus Lahr den Laden an der Freiburger Schwarzwaldstraße aufgemacht. Auf zwei Etagen bietet er mit seiner Schwägerin Milena Pires (25) und zwei Angestellten Produkte rund um Hanf an: Lollies, Kosmetik, Getränke, Pfeifen, Blättchen oder Anbau-Utensilien.

„Hanfläden sind oft ein bisschen zum Verstecken“, sagt er. Bei ihm soll das anders sein. Oft werde er dennoch gefragt: „Habt ihr was, das ballert?“ Darauf antwortet er lachend: „Ja, wir haben Hanfbier und Hanfvodka, da ballert aber nur der Alkohol.“

Er macht kein Geheimnis daraus, früher selbst angebaut zu haben. Doch mit Hanfnah setzt er auf 100 Prozent Legalität. „Wir sind da sehr vorsichtig, unsere Existenz hängt daran“, sagt Pietsch. Als Betreiber stehe er unter Beobachtung. Neu ist das Geschäft für ihn nicht: Seit Ende 2015 leitet er den ersten Hanfnah-Laden in Lahr.

Betreiben den etwas anderen Headshop: Tobias Pietsch und Milena Pires.

„Hanf hat so viele Vorzüge“, ist er überzeugt. Das darin enthaltene Cannabidiol (CBD) sei beispielsweise doppelt so entzündungshemmend wie Cortison. Er selbst kann von der Wirkung berichten: Gegen Neurodermitis verwendet er eine CBD-Creme, die hervorragend helfe. „Die Salbe ist unser meistverkauftes Produkt“, berichtet Pietsch. Selbst seine Mutter nutze sie.

Auf seinem grauen Pulli steht „CBD“. Seine langen Haare hält ein Stirnband zusammen. Der Bart erinnert an Bob ­Marley. „Ich bin in den letzten Jahren zum Aktivisten geworden“, sagt Pietsch. Dass Kiffer kriminalisiert werden, ärgert ihn. Er sehe viele Einzelschicksale. Karrieren oder Familien würden zerstört wegen des Verbotes von Marihuana. Er wolle nicht verharmlosen, doch Alkohol, Zucker oder Fett seien in großen Mengen nicht weniger schädlich.

Vor einigen Jahren arbeitete Pietsch als Werbekaufmann. Im November 2015 startete er „Hanfnah“ in Lahr. „Der Bedarf war groß, ein Angebot gab es nicht“, erinnert er sich. Zuletzt hätten ihn Kunden aus Freiburg „angebettelt“, auch hier ein Geschäft aufzumachen. In der ehemaligen Pfandleihe an der Schützenallee will er nun klischeefrei Kunden erreichen: „Auch meine Mama soll sich hier wohlfühlen.“ Zwei weitere Hanfläden gibt es in Freiburg.

»Kunden kommen mit dem Gehwagen«

Nicht jeder seiner kiffenden Kunden raucht illegal. Marihuana gibt’s mittlerweile in der Apotheke. Pietsch hat wegen Asthma selbst ein Rezept dafür. In Lahr habe er bereits Ärzte und Apotheker, die Patienten zu ihm schickten, berichtet Pietsch. Seine Kunden seien bunt gemischt: „Manche kommen mit dem Gehwagen aus dem Altersheim.“

60 Lieferanten aus Europa versorgen ihn mit Produkten. Demnächst will er selbst produzieren. Für Kunden gibt’s schon jetzt frischen Hanftee oder Kekse. Regelmäßig ist Pietsch auf Fachmessen, zuletzt war er im Bundestag. Ein CSU-Politiker, der gegen die Legalisierung von Marihuana ist, hat ihn eingeladen. Den Abgeordneten habe er zuvor im Netz „ein wenig gepiesackt“.

Kurios sieht’s im Untergeschoss aus. Dort stehen Zelte, Lampen oder Dünger zum Verkauf – alles, was man für den Anbau benötigt. „Für den Anbau von Gemüse“, präzisiert Pietsch. Tipps zum Hochziehen illegaler Pflanzen dürfe er natürlich nicht geben.

Fotos: © tln