Bodenpreis durchbricht die 1000-Euro-Grenze: Ende April wird vorm VGH über die Klage gegen den geplanten Stadtteil Dietenbach verhandelt STADTGEPLAUDER | 27.03.2021 | Lars Bargmann

Dietenbach zeichnung So könnte das neue Zentrum mal aussehen: K9 Architekten aus Freiburg hat den Wettbewerb für den neuen Stadtteil gewonnen und plant nun weiter in die Tiefe.

Die Normenkontrollklage gegen den geplanten Stadtteil Dietenbach in Freiburg wird am 27. April vor dem Verwaltungsgerichtshof mündlich verhandelt. Die beiden von der Stadtverwaltung angekündigten Enteignungsverfahren sind indes gestoppt. Der Bodenpreis hat zum Jahresbeginn derweil die 1000-Euro-Grenze überschritten. Ob sich Stadt und Sparkasse Freiburg am Ende über die sogenannte Abwendungsvereinbarung einigen können, ist weiter völlig offen. Auch offen ist, wie eine fiktive Mietspiegelmiete gefunden wird, anhand derer die Mieten im sozialen Mietwohnungsbau ermittelt werden können.

„Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Normenkontrollklage erfolgreich ist“, sagt Projektleiter Rüdiger Engel. Angestrengt hatte die Klage ein Privatmann. Gegen den gemeinderätlichen Satzungsbeschluss für die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) Dietenbach. Die Stadt selber betreibe, anders als noch im vergangenen Juni angekündigt, derzeit keine Enteignungsverfahren, „weil wir inzwischen davon ausgehen, dass es in allen zuvor als problematisch eingestuften Fällen eine Einigung geben wird oder bereits gibt“, so Engel.

Ob es diese Einigung zwischen Stadt und der Sparkasse Freiburg bezüglich der Grundstückskonditionen geben wird, ist indes weiter offen. Die Sparkasse hat mit ihrer Tochter Entwicklungsmaßnahme Dietenbach GmbH & Co. KG (EMD) mit fast 450 privaten Eigentümern im Entwicklungsgebiet Optionsverträge für knapp 80 Hektar große Flächen geschlossen. Für 65 Euro pro Quadratmeter.

Da nur die Hälfte dieser Flächen auch Bauland werden, kostet die Bank der vermarktbare Quadratmeter 130 Euro, plus die aufgelaufenen Kosten, etwa Grunderwerbssteuer, Notargebühren, Zinsen und Verwaltungskosten. „Wir müssen unsere Grundstücke am Ende für etwa 200 Euro mehr verkaufen können als die Stadt es kann“, sagt der Sparkassenvorstandsvorsitzende Marcel Thimm. Die Frage sei, ob der Markt das auch hergibt. Und warum diese Grundstücke 200 Euro mehr wert sein sollen als die der Stadt.

Es geht um die nur schwer aufzuzählenden Wünsche der Politik wie „klimaneutral“ und „inklusiv“, 50 Prozent sozialen Mietwohnungsbau und auch noch preisgedämpften Wohnungsbau, Holzbauweise, Solaranlagen, „weitgehend autofrei“, begrünte Fassaden und Dächer und vieles mehr. Das alles wirkt sich wenig positiv auf den Kaufpreis aus, den ein Investor bereit ist, zu zahlen, den ein Käufer einer Wohnung bereit ist, zu zahlen.

Engel erarbeitet mit seiner Gruppe aktuell tatsächlich auch noch ein tragfähiges Modell für preisgedämpften Wohnungsbau – zusätzlich zum öffentlich geförderten Mietwohnungsbau, mit dem rund 3250 Wohnungen gebaut werden sollen. „Es gibt Menschen, die liegen knapp oberhalb der Einkommensgrenzen für den geförderten Mietwohnungsbau, denen wollen wir auch ein Angebot machen können“, sagt Engel.

Dass die Stadt die Grundstücke nur in Erbpacht vergeben und nicht verkaufen darf, macht die Sache nicht einfacher. „Es wird derzeit sehr fleißig gerechnet, wie das gehen kann.“ Allen Beteiligten sei aber klar, dass die vier Prozent Erbbauzinsen auf den Bodenrichtwert kein taugliches Modell mehr sind. „Der Zins muss deutlich runter.“

Die Verwaltung, sagt Engel, werde dem Gemeinderat „sehr nahelegen“, die,Rahmenbedingungen für die Investoren so zu gestalten, „dass wir das Versprechen einlösen können, preiswertes Wohnen zu ermöglichen.“ Es wird mutmaßlich gar nicht anders gehen, als ein paar Lieder aus dem Wunschkonzert zu streichen.

Die Sparkasse wird die sogenannte Abwendungsvereinbarung mit der Stadt nur unterzeichnen, wenn sie marktfähige Grundstücke mit marktfähigen Parametern anbieten kann. Andernfalls zieht sie die Reißleine und bietet dem Rathaus die EMD an. Und die müsste auch zugreifen, um ein Fiasko zu vermeiden. Dann aber gäbe es gar keine Grundstücke mehr zu kaufen, sondern nur noch zu mieten. Wenn der Gemeinderat dem Beschluss treu bleibt, städtische Grundstücke nur noch in Erbpacht zu vergeben.

Es war bemerkenswert, dass unlängst die CDU-Fraktionsvorsitzende Carolin Jenkner sagte, man müsse künftig auch mal ganz normale Standards setzen und nicht immer nur auf teure Leuchtturmprojekte, immer nur Superlativen, „dem Höchsten, Besten, Ersten, Größten oder Neuesten“ nachzujagen. Das kann man auch dem neuen Stadtteil wünschen.

Während Thimm die Eckpunkte der Vereinbarung gerne in diesem Jahr noch kennen würde, sagt Engel, diese dürfe erst dann unterzeichnet werden, „wenn wir auch das erste Baurecht haben“. Dazu braucht es neben einem ersten Bebauungsplan auch einen städtebaulichen Vertrag. Und das wird vor Ende 2022 nicht klappen.

Geplant ist, dass der Gemeinderat Mitte Dezember die Offenlage des Plans für den ersten Bauabschnitt beschließt und ein Jahr später mit der ebenfalls nötigen Änderung des Flächennutzungsplans den Bebauungsplan und auch den städtebaulichen Vertrag. Erst dann könne die Abwendungsvereinbarung vor Notar protokolliert werden. So sehe es das Reglement der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme vor.

Der erste Bauabschnitt im Zentrum des neuen Stadtteils umfasst knapp 50 Hektar, das sind 70 Fußballfelder. Auf denen könnten die ersten 1600 Wohnungen gebaut werden. Der Stadt gehören 40 Prozent, der Sparkasse fast 60 Prozent. Das Investitionsvolumen für Dietenbach liegt laut Baubürgermeister Martin Haag bei rund drei Milliarden Euro. Es sei ein „Riesenprogramm für die regionale Bauwirtschaft.“ Zuvor aber müssen die Weichen so gestellt werden, dass das Riesenprogramm auch starten kann.

Visualisierung: © K9 Architekten, Latz+Partner und StetePlanung