Das chilli fragt, Jess Jochimsen und Oberbürgermeister Martin Horn antworten STADTGEPLAUDER | 25.08.2021 | Jess Jochimsen, Martin Horn, Lars Bargmann

Jess Jochimsen Jess Jochimsen, Baujahr 1970, Kabarettist, Autor und Fotograf, gewann den Kleinkunstpreis Baden-Württemberg, den Deutschen Kabarettpreis, den Prix Pantheon, das Passauer Scharfrichterbeil oder auch den Swiss Comedy Award.

Kabarettist Jess Jochimsen und Oberbürgermeister Martin Horn haben Fragen beantwortet, die ihnen das Freiburger Stadtmagazin chilli gestellt hat. Ihre Antworten sind mal lustig, mal spannend – und mal unerwartet ernst.

Das chilli fragt: Jess Jochimsen

Ein Oberbürgermeister ist einer, der …
30mal mehr Follower auf Instagram hat als ein Kabarettist. Vielleicht, weil der eine dort oft private Inhalte teilt und der andere oft politische.

Aus der Corona-Krise gelernt habe ich …
dass die Wirtschaft Vorrang vor allem anderen hat, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, dass CDU und Korruption … also eigentlich nichts, was ich nicht schon vor Corona gewusst hätte.

Die Bundestagswahl im September ist für mich …
„angstbesetzt“, weil unsere nächste Bundeskanzlerin ein Mann sein könnte.

Die Zukunft der EU sehe ich so, dass …
Nationalisten vor Wut schäumen.

Ich lebe in Freiburg, weil …
ich nach dem Studium hier hängengeblieben bin.

Ich würde noch lieber in Freiburg leben, wenn …
es gleichberechtigt wäre, wer hier hängenbleibt – und keine Frage des (elterlichen) Geldbeutels, des Geburtsortes, des Geschlechts, der Hautfarbe usw.

Meine größte Jugendsünde ist …
ein nachgemachter Generalschlüssel für meine damalige Schule.

Meine größte Heldentat ist …
dass ich mit diesem Schlüssel nicht die anstehenden Klausuren entwendet, sondern das Musikzimmer zum Bandproberaum umgewidmet habe.

Ich bin kein Oberbürgermeister geworden, weil …
sich meine Fantasie, was man mit einem Schlüssel fürs Rathaus alles anstellen könnte, nicht mit den Aufgaben des Amtes hätten vereinbaren lassen.

Ich würde aber gerne mal mit Martin Horntauschen, weil …
einer muss es den Menschen in Freiburg schließlich sagen: Liebe Bürger·innen, sehen Sie mir meine Wortwahl nach, aber die ganze sexistische und rassistische Kackscheiße lassen wir jetzt prinzipiell mal bleiben! Die Zeit der Blockierer und Blockwarte ist vorbei, das Leben spielt sich auf den Straßen und Plätzen ab, Anrufe wegen Ruhestörung und anderem „Mimimi“ sind zwecklos. Bis auf Weiteres verboten sind Dreiviertelhosen bei Männern sowie Altherrensätze wie „wenn das alle machen würden“ oder „die Natur kann’s brauchen“ (das Einzige, was die Natur wirklich brauchen kann, ist eine andere Politik!). Die Stadt gehört den Menschen und nicht den Autos. Und fast hätte ich’s vergessen: Lassen Sie sich impfen und zwar dalli! Ach ja, und Fleisch ist aus. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss mich um die Zukunft kümmern.

 

Das chilli fragt: Oberbürgermeister Martin Horn

Martin Horn

Martin Horn, Baujahr 1984, parteilos, gewann 2018 auf Anhieb die Wahl zum Oberbürgermeister von Freiburg. Horn ist Vater von drei Kindern und hat fürs jüngste eine vierwöchige Elternzeit in Anspruch genommen.

Ein Kabarettist ist einer, der …
oder eine, die mit hintersinnigem Witz und schlauer Wortgewalt Politik und Gesellschaft aufs intellektuelle Korn nimmt. Ein guter Kabarettist lenkt den Blick auf Verborgenes, demaskiert, führt Missstände vor Augen und begeistert dabei mit Schlagfertigkeit und Selbstironie.

Aus der Corona-Krise gelernt habe ich …
dass es nicht nur 80 Millionen BundestrainerInnen, sondern auch 80 Millionen VirologInnen gibt.

Die Bundestagswahl im September ist für mich …
richtungsweisend: Gerade beim Klimaschutz und Fragen der sozialen Gerechtigkeit brauchen wir mehr Engagement!

Die Zukunft der EU sehe ich so, dass …
man jetzt bei Corona und dem „Green Deal“ verstanden zu haben scheint, dass es nur miteinander geht. Die großen Herausforderungen der Zukunft kennen keine Ländergrenzen!

Ich lebe in Freiburg, weil …
mir Kirch- und Münstertürme nicht immer hoch genug sind. Manchmal muss es auch der Schauinsland sein. Welche andere Großstadt hat schon einen 1284 Meter hohen Berg auf ihrem Stadtgebiet?

Ich würde noch lieber in Freiburg leben, wenn …
wir einen Dagobert Duck hätten, der uns eine Eishalle, überall WLAN in top sanierten Schulen, ein Außenbecken fürs Westbad, günstige Wohnungen, ne Straßenbahn für St. Georgen und den Tuniberg sowie neue Kulturstätten finanziert.

Meine größte Jugendsünde …
waren Dreadlocks für vier Wochen … ich sah aus wie Tingeltangel-Bob von den Simpsons.

Meine größte Heldentat …
sind meine drei Kinder.

Ich bin kein Kabarettist geworden, weil …
ich zwar schnell reden kann, aber nicht durch große Worte, sondern durch konkrete Taten etwas verändern will.

Ich würde aber gerne mal mit dem Kabarettisten Jess Jochimsen tauschen, weil …
ich dann tief in die Freiburger Kabarett- und Kleinstkunstszene eintauchen könnte. Bei dem Rollenwechsel könnte ich mir für manchen Schlagabtausch im Gemeinderat gute Tipps besorgen.

Fotos: © Brit Schilling, Stadt Freiburg/P. Seeger