Der neue Breuninger-Chef Alexander Entov will Amazon & Co. trotzen STADTGEPLAUDER | 16.03.2018 | Tanja Senn

„Ich bin ein Breuningerkind“, sagt Alexander Entov. Wer seit seiner Ausbildung beim selben Modehändler arbeitet und mit 36 Jahren bereits Geschäftsführer im zweiten Haus der Gruppe ist, darf sich wohl zu Recht so nennen. Dabei ist Entov niemand, der sich aus Bequemlichkeit auf dem immer gleichen Schreibtischstuhl fläzt.

Alle paar Jahre geht es für ihn in eine neue Stadt – immer auf der Suche nach der nächsten Herausforderung. Seit Januar bringt er nun frische Ideen ins Freiburger Traditionskaufhaus.

Durch die Kaiser-Joseph-Straße bläst ein eisiger Wind. Doch im Kaufhaus Breuninger hat der Frühling bereits Einzug gehalten: Die Rolltreppe gleitet vorbei an Wänden mit Blumenprints und Ständern mit pastellfarbenen Klamotten. Im vierten Stock hat sie ihren Zenit erreicht. Wer in Entovs Büro möchte, muss ab hier die Treppe nehmen.  

 Doch meist trifft man den neuen Geschäftsführer sowieso im Laden an. Der 36-Jährige ist keiner, der über den Dingen schwebt. „Der Faktor Mensch“ stehe bei ihm im Mittelpunkt. Das ist nicht nur Philosophie, sondern Notwendigkeit. Schließlich ist es das Einzige, das Amazon, Zalando & Co. nicht bieten können. „Es reicht längst nicht mehr, nur Ware bereitzustellen“, sagt Entov, „die Leute gehen in einen Laden, weil sie sich dort wohlfühlen.“ Breuningers Erfolg beruhe unter anderem auf langjährigen Mitarbeitern, die nicht nur die modischen Vorlieben ihrer Kunden kennen, sondern auch die Namen von deren Kindern und Haustieren. „Das sind innige Beziehungen, wie sie das Internet nie erreichen wird.“  

Das zweite Erfolgsgeheimnis: Einkaufen zum Erlebnis machen. Dazu gehören für Entov Events wie Modenschauen und Abendveranstaltungen. Die neue Nespresso Boutique im Untergeschoss. Der Barbier, der Männer frisiert und rasiert, während ihre Frauen einkaufen. Und der zukünftig zu einer Art Männerlounge erweitert werden soll mit Fußballübertragungen und Bier. Auch eine Bar hätte Entov gerne: „Wir prüfen, was sich machen lässt.“ Ganz oben auf seiner Agenda stehe allerdings „das Multikanalthema“: Wie man Menschen sowohl online als auch vor Ort erreichen kann. Schließlich erwirtschaftet Breuninger rund 20 Prozent seines Umsatzes im eigenen Online-Shop.  

Der Mann mit Vollbart und perfekt sitzendem Anzug bringt frischen Wind ins Traditionskaufhaus, das 1881 mit drei Mitarbeitern in Stuttgart gestartet ist. Dort hat Breuninger im vergangenen Jahr ein über 200 Millionen Euro teures Luxus-Einkaufsquartier eröffnet. Auch Entov hat schon im schwäbischen Flagship-Store gearbeitet. Ebenso wie in Reutlingen, Karlsruhe und Düsseldorf sowie zuletzt als Geschäftsführer in Erfurt. Als „Dreiergespann“ zieht der Familienvater mit Frau und zweijährigem Sohn von Stadt zu Stadt. „Dadurch bleibt man flexibel im Kopf“, sagt er.  

In die Provinz versetzt fühlt sich der aufstrebende Geschäftsführer durch den neuen Posten nicht: „Freiburg gehört zu den wichtigsten Häusern.“ Die Lage im Dreiländereck und der „Medical Tourism“ spülen internationale Kunden ins Geschäft. Nur die Baustellen machen dem Kaufhaus zu schaffen. Zwar ist die Kaiser-Joseph-Straße wieder frei, die Arbeiten an der Kronenbrücke oder dem Rotteckring würden aber immer noch Leute davon abhalten, in die Stadt zu fahren, glaubt Entov.  

Ob sich das auch am Umsatz ablesen lässt, verrät er nicht. Das Unternehmen ist mit Zahlen zurückhaltend. In den vergangenen zwei Jahren, als die Umsätze der Branche um zwei Prozent eingebrochen sind, habe Breuninger allerdings ein deutliches Wachstum verzeichnet. So haben die elf Häuser 2016 rund 800 Millionen Euro umgesetzt. Ob Freiburg da mitmacht? „Auch Breuninger in Freiburg entwickelt sich positiv, hat aber noch Luft nach oben“, formuliert es Entov.  

Jede Stadt tickt anders, weiß er. Freiburg sei modisch sehr casual: weniger Anzüge, mehr Sportbekleidung. Und wenn keiner draufsteht, laufen die Rolltreppen hier langsamer. Schließlich sei den Green-City-Bewohnern Nachhaltigkeit sehr wichtig.  

Entov mag die Stadt. Auch, weil seine Frau ein waschechtes Bobbele ist. Ob die Bächlestadt mehr als ein kurzer Zwischenstopp auf der Karriereleiter ist, kann er aber nicht sagen. „Ich brauche stets neue Aufgaben, an denen ich wachsen kann“, erzählt er, „aber in Freiburg könnte ich mir vorstellen, eine Weile zu bleiben.“  

Foto: Tanja Senn