Die Volkshochschule Freiburg wird 100 Jahre alt STADTGEPLAUDER | 09.09.2019 | Stella Schewe

VHS

Alle Menschen haben ein Recht auf Bildung – mit diesem Anspruch gründeten sich vor 100 Jahren die Volkshochschulen. Heute gibt es deutschlandweit rund 900, darunter auch die Freiburger, die ihr Jubiläum am 19. September feiert.

Der Blick ins 130 Seiten starke Volkshochschul-Magazin ist wie immer verlockend: Womit startet der Herbst? Mit Tango Argentino, einem Grundlehrgang in Malerei, mit Zubereiten von asiatischem Fingerfood oder lieber Schwedisch für die Reise? Bildung für alle – dieser Anspruch zieht sich durch das aktuelle Programmheft ebenso wie durch 100 Jahre Volkshochschul-Geschichte. Denn damit fing 1919, in der Aufbruchsstimmung nach dem Ersten Weltkrieg, alles an.

Auch in Freiburg, wo sich im September jenes Jahres in der Wirtschaft „Zum Goldenen Apfel“ Arbeiter und Studenten versammelten und die „Freie Volkshochschule“ gründeten. Zwei Strömungen seien es damals gewesen, blickt Direktorin Eva von Rekowski zurück: eine aus Arbeiterschaft und Gewerkschaften, die andere aus der Universität heraus, die nicht nur universitäre, sondern „Bildung fürs ganze Volk“ anbieten wollte.

An der Gesellschaft teilhaben

„Der Schüler soll die Fähigkeit haben zur selbständigen Fragestellung, … zur selbständigen Arbeit … und zur Gestaltung eines harmonischen Lebens.“ Diese Worte des ersten Direktors Bernhard Merten mögen heute etwas altmodisch klingen. Und galten unter den Nationalsozialisten naturgemäß erst einmal nichts mehr: 1933 wurde aus der Schule eine NS-Volkshochschule gegründet, die vor allem von Wehrmachtsangehörigen besucht wurde. Weiter ging es erst im Mai 1946, als französische Besatzer und Stadt gemeinsam die Neugründung wagten.

Seither habe der 1919 formulierte Anspruch wieder Gültigkeit, sagt von Rekowski. „Unser Ziel ist, Menschen dazu zu befähigen, sich weiterzubilden, um an der Gesellschaft und ihrer Entwicklung teilhaben zu können.“ Dafür hat das Freiburger VHS-Team – bestehend aus 51 hauptberuflichen Mitarbeitern, 44 Lehrern an Abendgymnasium und -realschule sowie 650 freiberuflichen Dozenten – im vergangenen Jahr die stolze Zahl von 1952 Kursen und Seminaren angeboten, Tendenz weiter steigend. Darunter berufliche Fortbildungen, Gesundheits- und Bewegungsangebote von Achtsamkeit bis Zumba, Politik-, Musik-, Kreativ- und viele Sprachkurse. Letztere machen allein 50 Prozent der Angebote aus: Gelehrt werden neben Englisch und den romanischen Sprachen auch Jiddisch, Hindi oder „die Sprache, die keiner spricht, die Gebärdensprache“, wie der stellvertretende Direktor Karlheinz Müller ergänzt. Und natürlich Deutsch als Fremdsprache.

VHS Sprachkurs

Heute stark gefragt sind Kurse in „Deutsch als Fremdsprache“.

Seit Kurzem ist die Freiburger VHS eines von acht Grundbildungszentren in Baden-Württemberg. „Das bedeutet, wir unterstützen Menschen, die aus dem Schulsystem herausgefallen sind, vielleicht nur rudimentär schreiben und rechnen können“, so der 59-Jährige. „Wir versuchen, aktiv auf sie zuzugehen, und haben dafür eine halbe Stelle eingerichtet.“ Sowohl Haupt- als auch Realschulabschluss und Abitur können an der VHS gemacht werden.

Unterrichtet wird im Schwarzen Kloster am Rotteckring, wo auch Sitz der Verwaltung ist, im Colombi-Eck in der Friedrichstraße und im VHS-Atelier in der Radstation am Hauptbahnhof, das mit seinem tollen Ausblick einen schönen Rahmen für Kreatives wie Aquarell- oder Aktzeichenworkshops bildet. Hinzu kommen mehr als 60 Standorte in der Stadt, darunter viele Schulen. Was das Finanzielle angeht, fühle man sich – nach Kürzungen in den 1990er-Jahren – heute gut unterstützt, betont Müller. Rund 20 Prozent des Budgets kommen als Zuschuss von der Stadt Freiburg, weitere 20 Prozent für Personalkosten und Abendschulen vom Land Baden-Württemberg, und die restlichen rund 60 Prozent aus Teilnahmegebühren und Projektmitteln.

Und was steht in Zukunft an? Zuwanderung, Digitalisierung, Grundbildung zählt Müller als wichtige Themen auf, und von Rekowski ergänzt: „Dazu zählt auch die Demokratiebildung – sie ist momentan aktueller denn je.“ Sorgen um die Zukunft machen sich die beiden nicht. „Trotz aller Youtube-Tutorials mache ich mir keine Gedanken“, sagt Müller. „Schließlich ist die Volkshochschule nicht nur ein Lern-, sondern auch ein sozialer Ort.“

Auch von Rekowski – die mit ihren 65 Jahren ihren Vertrag als Direktorin nochmal um zwei Jahre verlängert hat – ist zuversichtlich. „Was wir hier alle machen, ist inhaltlich so wichtig und wertvoll. Ich denke niemals, wenn es das nicht gäbe, wäre es nicht so schlimm – ganz im Gegenteil: Etwas machen zu können, von dem man das Gefühl hat, es wird gewünscht und gebraucht, das ist
für mich ein Traumjob.“

Info

Volkshochschule Freiburg
Rotteckring 12,
Tel.: 0761/3 68 95 35
www.vhs-freiburg.de

100 JAHRE VHS FREIBURG – Tag der offenen Tür
Do., 19.9., 15.30 bis 19 Uhr
Bühnenprogramm, Mitmachangebote, Vernissage u. a.

Fotos: © VHS Freiburg