"Egal welche Farbe": Freiburgerin Vivian Hösch will Medaille bei Paralympics STADTGEPLAUDER | 06.03.2018 | Till Neumann

Nach Olympia ist vor den Paralympics: Am 8. März starten die Wettkämpfe für Sportler mit Handicap in Südkorea. Mit von der Partie ist Vivian Hösch. Die Freiburger Biathletin ist blind und war bereits vor vier Jahren bei Olympia in Sotchi. Am Schießstand ist das wie beim Rückwärtseinparken, erzählt die 26-Jährige im Interview mit chilli-Redakteur Till Neumann. Ihr Ziel: eine Medaille.  

  chilli: Frau Hösch, wie intensiv waren die Vorbereitungen?  

Hösch: Super. Trainingsauftakt war im April. Nach acht Wochen hatte ich schon 120 Stunden trainiert. Ich mache jetzt deutlich mehr als vor Sotchi. Damals hatte ich eine 60-Prozent-Stelle bei der Freiburger Stadtverwaltung. Jetzt sind es nur noch 25 Prozent. Vor den Spielen gehe ich nicht mehr ins Büro. Das Risiko, sich irgendwo anzustecken, ist zu groß.

  chilli: Was haben Sie sich für Ihr zweites Olympia vorgenommen?  

Hösch: Mein Ziel ist eine Medaille. Egal welche Farbe. Ich will die Wettkämpfe genießen und meine bestmögliche Leistung abrufen. Die Konkurrenz ist stark. Vor allem aus der Ukraine, Russland und Deutschland. Am Tag X muss alles passen.  

chilli: Biathlon ohne etwas zu sehen – wie geht das eigentlich?  

Hösch: Ein Guide läuft vor mir und gibt Kommandos. „Hop“, heißt geradeaus. Mit Uhrzeiten sagt er mir die Richtung an. „Drei“ heißt scharfe Rechtskurve, „Elf“ ist eine Linkskurve. Beim Schießen arbeiten wir mit Laser. Wenn ich ziele, höre ich ein Geräusch. Bin ich weit weg, ist es tief und stockend, liege ich richtig, ist es hoch und durchgehend. Das klingt wie der Abstandsmesser beim Rückwärtseinparken.  

chilli: Ihr Guide muss ganz schön fit sein.  

Hösch: Ja, man sagt, er muss etwa 20 Prozent fitter sein als der Läufer. Er gibt ja die ganze Zeit Kommandos, das ist anstrengend. Mit Florian Schillinger klappt das super. Er ist früher selbst Weltmeisterschaften gelaufen, wir sind sehr eingespielt. Er ist bei allen Trainingseinheiten dabei.  

chilli: Haben Sie die Olympiade in Südkorea verfolgt?  

Hösch: Klar, ich habe viel Olympia geschaut. Auf ARD und ZDF gab’s die Spiele in diesem Jahr zum ersten Mal mit Audiodeskription. Das ist toll für Blinde, da werden viele Dinge erklärt, die man sonst sieht. Ich habe so zum ersten Mal erfahren, dass Laura Dahlmeier ein grünes Gewehr hat.  

chilli: Welche Farbe hat denn Ihr Gewehr?  

Hösch: Erwischt, das weiß ich gar nicht (lacht).  

chilli: Verdienen Sie etwas mit dem Sport?  

Hösch: Verdienen kann man das nicht nennen. Für mein WM-Bronze 2015 in den USA gab’s zum Beispiel nichts. Ein Sponsor unterstützt mich aber. Und die Sportförderung der Stadt Freiburg. Wenn ich in Südkorea Gold hole, gibt’s 20.000 Euro. Seit 2014 ist das der gleiche Satz wie für die Sportler ohne Handicap.  

chilli: Bei Olympia ist schummeln verboten. Haben Sie in der Schule mal getrickst?  

Hösch: Nein. Ich war viel zu ehrlich dafür. Meinem Gesicht würde man das sofort ansehen. Ich war die einzige Blinde am Berthold-Gymnasium in Freiburg. Wäre ich mit Tricks aufgefallen, hätten sie mich von der Schule nehmen können.  

Freiburger bei den Paralympics

  Die Paralympics steigen vom 9. bis 18. März in Südkorea. Neben Biathletin Vivian Hösch sind drei weitere Sportler aus Freiburg am Start: Martin Fleig und Nico Messinger starten ebenfalls im Biathlon und Skilanglauf. In der Disziplin Ski Alpin geht Anna-Lena Forster ins Rennen. Die Freiburger Studentin startet für ihren Heimatverein Radolfzell.  

Vivian Höschs größter Erfolg bisher war die Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft 2015. Vor wenigen Tagen hat sie bei den Deutschen Meisterschaften Gold im Langlauf und Biathlon geholt. Am 4. März ist sie nach Südkorea geflogen, am 10. März ist ihr erstes Rennen. Bei der Abschlussfeier am 18. März wird sie 27 Jahre alt. Bis zu ihrem neunten Lebensjahr hatte sie drei Prozent Sehstärke. Sie sah Schatten, Umrisse und kräftige Farben. Seitdem ist sie komplett blind.  

www.vivian-hoesch.de  

Fotos: Pam Doyle