Einbruch in die Seele: Rita R.s Wohnung wurde verwüstet STADTGEPLAUDER | 11.06.2016

Als Rita R.* vor einigen Wochen nach Hause kommt, ist alles verwüstet. Bei ihr wurde eingebrochen. Die Diebe haben seltsame Spuren hinterlassen. Seitdem kämpft die 58-Jährige aus der Oberau mit den Folgen. Statistisch wird in Freiburg fast vier Mal so häufig eingebrochen wie etwa in Titisee-Neustadt (siehe Infobox). Obwohl die Tendenz rückläufig ist, ist die Verunsicherung spürbar. Sich zu schützen, ist gar nicht so schwer.

Irrglaube: Einbrecher sehen selten aus wie im Film, warnt die Polizei. Sie kommen meist in Zivilkleidung und ohne Brechstange.

Irrglaube: Verbrecher sind selten maskiert und kommen mit Brechstange.

Es ist ein Donnerstag, Mitte Februar. Rita R. kommt wie immer spät nach Hause. Als sie die Wohnung im dritten Stock des Altbaus in der Oberau betritt, ist das Entsetzen groß: die Tür aufgebrochen, alle Schränke durchwühlt, die Küchenfenster gekippt, die Heizungen aufgedreht, der Wasserhahn in der Toilette an, das Bett zerwühlt, eine Flasche Wodka geleert, eine Flasche Whiskey weg. „Die haben planlos einfach alles rausgerissen, ein völliges Durcheinander“, erinnert sich R.

Trotz des Alkoholpegels waren die Täter erfolgreich. Sie erbeuteten Bargeld und Schmuck im Wert von 6000 Euro. Ihr Verhalten war untypisch. In der Regel wollen Einbrecher die Wohnung schnellstmöglich verlassen, sagen Experten – Schnaps zu trinken, passt dazu nicht. Zumal die Täter mit WC-Reiniger rumspritzten und zwei Schrauben in die Toilette legten. „Die Polizei vermutete einen Racheakt“, berichtet R.. Sie weiß aber nicht, wer etwas gegen sie haben könnte.

Panik hatte die Alleinlebende nicht. „Man steht so unter Schock, hat so viel zu tun, da kommt man nicht groß zum Nachdenken“, sagt Rita R.. Die erste Nacht verbrachte sie bei einer Nachbarin, dann ging es zurück in die eigenen vier Wände. Angst spürte sie nicht, doch unterbewusst rumorte es. Trotz starker Schlafmittel konnte sie wochenlang kaum schlafen. Beim Betreten ihrer Wohnung hat sie noch immer Herzklopfen.

R. ist nur eines von Hunderten Opfern in Freiburg. „Fast jeder kennt einen Nachbarn, bei dem schon eingebrochen wurde“, sagt sie mit ruhiger Stimme. „Einbrüche sind hier ein gravierendes Problem, das Thema wird uns so schnell nicht loslassen“, bestätigt Peter Egetemaier, Leitender Kriminaldirektor im Polizeipräsidium Freiburg. Im vergangenen Jahr hat sich die Freiburger Polizei gezielt auf Einbrüche konzentriert. Unter anderem mit einer Einsatzgruppe Wohnungseinbrüche, bei der Fahndung, professionelle Spurensuche und intensive Ermittlungen ineinandergreifen. Das habe sich gelohnt, sagt Egetemaier.

395 Einbrüche in Freiburg hat die Polizei 2015 verzeichnet. 92 weniger als noch 2014. Nur zwölf Prozent wurden aufgeklärt. Bundesweit ist die Zahl der Einbrüche um rund 10 Prozent gestiegen. „Im Landesvergleich sehen wir gut aus“, sagt Egetemaier. Man wolle sich aber keinesfalls zurücklehnen. Die Zahl sei weiterhin hoch. Das liege auch am begrenzten Polizeipersonal. „Sind mehr Streifen unterwegs, gibt es mehr wachsame Augen und Ohren“, betont Egetemaier.

Einbruch

Raffiniert: Einbrecher finden meist einen Weg, um in ein Haus zu kommen.

Wie groß die Verunsicherung in der Bevölkerung ist, zeigte zuletzt eine Infoveranstaltung der Polizei in Zähringen. Sicherheitsexperte Frank Erny berichtete dort etwa 50 besorgten Bürgern von Schwachstellen an Häusern, typischen Einbrechermethoden und Maßnahmen, um sich zu schützen. „Sie müssen nicht immer Geld in die Hand nehmen. Manchmal reicht es, ihre Gewohnheiten zu ändern“, sagte Erny. Fenster nicht gekippt lassen, wenn man das Haus verlässt, Wertsachen im Keller statt im Nachttisch aufbewahren, die Polizei zügig informieren, wenn Verdächtige vor dem Haus herumspazieren.

Auch Tricks seien legitim: „Es ist nicht verboten, ein Hundeschild anzubringen, wenn sie keinen Vierbeiner haben“, riet ein Kollege von Erny. Ein Bekannter habe dem Kriminalhauptkommissar gar erzählt, dass er täglich 500 Euro auf dem Essenstisch liegen lasse. In der Hoffnung, dass sich Einbrecher damit wieder aus dem Staub machten. „Das ist vollkommener Quatsch“, betonte Erny.

Den Fall von Rita R. stuft er in einigen Punkten als typisch ein. Altbau, dritter Stock. Viele gingen davon aus, dass Einbrecher vor allem da einsteigen, wo der Fluchtweg am kürzesten ist. Falsch. „Bei einem Mehrfamilienhaus wird über das Erdgeschoss in den meisten Fällen nur von außen eingestiegen. Die Einbrüche über die Wohnungstür erfolgen oft über das Dachgeschoss, da die Einbrecher hier die wenigsten Zeugen vermuten“, klärt Erny auf. Das Dachgeschoss sei der gefährdetste Bereich, den dort seien am wenigsten Zeugen. Altbauwohnungen seien zudem beliebt, da man relativ leicht hineinkomme.

Auch der Einbruch am frühen Abend sei typisch. Bei Dämmerung sehen die Einbrecher am Licht, ob jemand zu Hause ist, berichtet Erny. So war es wohl auch bei Rita R.. Erny bittet darum, in Verdachtsfällen schnellstmöglich die Polizei zu verständigen. Auch mit dem Notruf 110. Die Nummer sei für viele eine große Hürde. Es sei jedoch gewünscht, sich dort in Notlagen zu melden.

Mehrere Bürger berichteten bei der Infoveranstaltungen, von ihren Tricks: Sie lassen das Licht brennen oder das Radio laufen, um ihre Anwesenheit vorzutäuschen. Dazu rät auch Erny. Wer noch mehr Sicherheit möchte, kann in stabile Türen, Fenster und Alarmanlagen investieren. Ein normales Fenster lasse sich schließlich in weniger als zehn Sekunden aufhebeln, berichtete Erny.

Auf Alarmanlagen hat sich die Firma Sicherheitstechnik Hirth in Gundelfingen spezialisiert. „Eine gute mechanische und elektronische Sicherung kostet etwa 5000 bis 8000 Euro“, sagt Geschäftsführer Manfred Hirth. Die Nachfrage sei trotz sinkender Einbruchszahlen konstant. Die Kosten schreckten jedoch viele ab. „Fort Knox ist nicht zu kriegen, aber es gilt: Je mehr man investiert, desto sicherer ist es“, sagt Hirth.

Einbruch

Strategisch: Einbrecher kommen oft in der Dämmerung.

Kostenlos ist dafür die Sicherheitsberatung der Polizei. Dafür kann man sich telefonisch bei Frank Erny und seinen Kollegen anmelden. Sie kommen dann für eine 60- bis 90-minütige Beratung in die Wohnung. „Wo wir beraten haben, ist noch nicht eingebrochen worden“, berichtet Erny stolz. Auch Rita R. ließ sich nach dem Einbruch beraten. Seitdem hat sie ein zusätzliches Türschloss sowie drei Zeitschaltuhren für Radio und Licht, um ihre Anwesenheit vorzugaukeln.

Der Einbruch hat ihr Leben zeitweise auf den Kopf gestellt. Um Hilfe zu bekommen, wandte sie sich an den Weißen Ring. Dort finden Kriminalitätsopfer und ihre Angehörigen Unterstützung. Von der Außenstelle Freiburg bekam sie unter anderem einen Gutschein für Traumatherapie. Das hat ihr geholfen. Der Einbruch hat sie mitgenommen. Sie empfiehlt daher jedem, sich von der Polizei beraten zu lassen. Von den 6000 Euro hat sie bisher 1000 von der Versicherung erstattet bekommen. Sie hofft, es wird noch mehr. Wichtiger ist ihr aber, das Geschehene verarbeiten zu können. Nicht nur in ihre Wohnung wurde eingebrochen, auch in ihre Seele.

Info

  • Die Polizei bietet eine kostenlose Sicherheitsberatung an. Dafür kann man sich anmelden unter Telefon: 0761 882 1015
  • Der Weiße Ring (Außenstelle Freiburg) unterstützt Kriminalitätsopfer. Telefon: 0761/131066. Mail: weisserring-fr@gmx.de

* Name von der Redaktion geändert

Text: Till Neumann / Foto: © Tim Reckmann/pixelio.de & Karl-Heinz Laube / pixelio.de & Bernd-Kasper / pixelio.de