Facebook-Gruppe „Netzwerk Freiburg“ bietet Nachbarschaftshilfe und Zündstoff STADTGEPLAUDER | 23.03.2016

Immer mehr Menschen vernetzen sich in Facebook-Gruppen. „Verschenk’s Freiburg“ (13.000 Mitglieder), „Flüchtlingshilfe Freiburg“ (2400 Mitglieder), „Musiker Freiburgs“ (1100 Mitglieder) sind nur drei Beispiele. Eine moderne Form der Nachbarschaftshilfe bietet „Netzwerk Freiburg“. Kürzlich hat die Gruppe die 10.000-Mitglieder-Marke geknackt. Viele User sind hilfsbereit, doch manchmal eskaliert’s auch.

Bis zu 100 Mitgliedsanfragen landen täglich bei Theodor Lammich (siehe Bild unten). Der 21-jährige Jurastudent ist einer der beiden Administratoren von Netzwerk Freiburg. „95 von 100 kommen rein“, sagt Lammich. Die Gruppe soll offen für jeden sein, auch für Nicht-Freiburger. Nur Fakeprofile werden von ihm und der zweiten Administratorin Svane Friedrich abgelehnt (siehe Bild unten).

In der Gruppe herrscht reges Treiben: Nadine Re sucht zwei Karten für das SC-Spiel gegen Karlsruhe, Achim K. verkauft zwei Bahntickets, Maya T. sucht Leute, die sich mit undurchsichtigen Zahnschienen auskennen. Jana L. braucht jemanden, der ihren Vertrag im Fitnessstudio Rückgrat zeitweise übernimmt. Fabian Di warnt: „FahrradKontrolle am Hbf !!! Uffpasse“ Emma R. antwortet prompt: „Ab heute überall! Ist auch gut so!“ Antworten gibt es auf die meisten Posts.

Schrei’s raus: Netzwerk Freiburg ist wie ein Megafon in der Innenstadt.

„Die Gruppe ist wie ein Megafon in der Innenstadt“, sagt Lammich. Viele Freiburger hören zu, die Reichweite ist groß. Ziel sei, sich gegenseitig zu helfen. Bei der Suche nach dem besten Friseur, der billigsten Pizza oder der schönsten Wanderung. Doch nicht immer geht’s sachlich zu. Gerade zum Thema Flüchtlinge und Politik kochten die Diskussionen zuletzt hoch. „Manchem gibt man eben lieber kein Megafon“, sagt Lammich.

So entbrannte im Februar eine Diskussion zu diesem Post von Yves A.: „Dieses Netzwerk entwickelt sich zu einer reinen Kritikplattform!! Liebe Admins ihr solltet Euch langsam mal was überlegen!! Sind denn nur noch hirnlose Vollidioten unterwegs?“ Iris R. antwortet: „Ich finde es nicht richtig, dass hier Leute aus dem Forum geschmissen werden, nur weil sie ihre Meinung vertreten. Beiträge werden gelöscht, Kommis werden gelöscht.“

Die Administratoren der Facebook-Gruppe: Svane Friedrich und Theodor Lammich
Etwa drei Beiträge täglich werden Lammich gemeldet. Wenn sie ausarten, greift er ein: „Meist geht es mit einem Presseartikel los, dann radikalisieren sich die Positionen links und rechts.“ Nur einen Vorteil sieht er darin: „Die Vollidioten tummeln sich dann“, sagt Lammich. Auf einen Schlag kann er sie aus der Gruppe verbannen.

Bis gemeldete Beiträge bearbeitet werden, vergehen meist einige Stunden, erzählt der ehrenamtliche Administrator. „Ich checke das sicher einmal täglich, meistens abends.“ Nur im Notfall greift er ein: „Wenn wir sehen, dass sich etwas zusammenbrodelt, lassen wir die Eskalation nicht zu.“

Von solchen Situationen weiß auch der Freiburger Frederik Greve. „Egal, was man schreibt, es gibt immer Stress in dieser Gruppe“, sagt der engagierte Schüler. Er ist Aktivposten im Jugendkulturzentrum Artik und bei „Kein Mensch ist illegal“. Doch aussteigen will er nicht: „Ich hätte die Gruppe längst verlassen, wenn sie auf Grund von Reichweite nicht so wichtig wäre.“

Auch die Soziologin Dominique Schirmer von der Uni Freiburg hat sich die Gruppe näher angeschaut: „Das ist ein gutes Beispiel, wie das Netz sinnvoll genutzt werden kann.“ Man erreiche schnell viele Leute, Reaktivität und Hilfsbereitschaft seien groß. Behindern solche Plattformen nicht echte Kommunikation? „Das zu denken, ist ulkig. Das Gegenteil ist ja der Fall: Die Menschen kommunizieren“, sagt Schirmer. Vor dem chilli-Gespräch hat sie einen Post gelesen, in dem vor einem unguten Friseur gewarnt wird. Vom gleichen Friseur wurde ihr zuletzt auch schon persönlich abgeraten.

Im Netz: www.facebook.com/groups/gruppe.netzwerk.freiburg

Text: Till Neumann / Fotos: © katatonia/fotolia.de, clipdealer.de, privat