Die Tücken des passiven Investierens: Werner Krieger über die zwei Seiten der ETF-Medaille Finanzwelt | 31.05.2024 | Werner Krieger

Werner Krieger Werner Krieger (60): Finanzmarkt­analyst, Gründer und Geschäftsführer der GFA Vermögensverwaltung GmbH

In der Welt des Investierens sind ETFs (Exchange Traded Funds) derzeit in aller Munde.  Immer mehr Anleger setzen auf sie, also auf Wertpapiere, die einfach nur einen Aktienindex abbilden und somit passives Investieren ermöglichen. Vielerorts werden ETFs als das Must-have-Investment für eine sichere Altersvorsorge angepriesen. Doch Vorsicht: ETF-Strategien bergen auch Risiken, die von Privatinvestoren oft übersehen werden.

Investoren können mit ETFs in ganze Indizes von Aktien, Branchen oder Ländern investieren und erhalten genau die Wertentwicklung des gewählten Index, also zum Beispiel des deutschen Leitindex DAX. Durch die breite Streuung über viele verschiedene Aktien versprechen ETFs eine vermeintlich sichere Anlage.

Hohe Gewichtung überbewerteter Titel

Die Konstruktion von Aktienindizes führt in der Realität dazu, dass bestimmte Titel hoch gewichtet werden und das Chance-Risiko-Verhältnis dadurch beeinträchtigt ist. Der Grund dafür ist, dass die Aktien innerhalb eines Index nicht zu je gleichem Anteil gewichtet sind, sondern nach deren Wert an der Börse. Ein Blick auf den weltweiten Index MSCI ACWI verdeutlicht dies: Er beinhaltet über 3000 Aktien aus insgesamt 49 Industrie- und Schwellenländern und scheint damit ein sehr breit gestreutes Investment zu versprechen.

Tatsächlich investiert dieser Index jedoch zu 63 Prozent in US-Aktien, wovon wiederum 17 Prozent auf die sieben größten US-Technologieriesen entfallen – von einer breiten Streuung kann also keine Rede sein. Wenn wir das in Geldwerte umrechnen, so werden von jeder Million US-Dollar, die Anleger in den Index investieren, 630.000 US-Dollar nur in US-Aktien und davon allein 170.000 US-Dollar in die sieben größten Technologieaktien angelegt. Japan kommt beispielsweise als Land mit der zweitgrößten Gewichtung gerade mal auf 5,4 Prozent, und der Anteil von Industrieländern wie Frankreich, Kanada, Deutschland, Schweiz oder Australien ist noch weitaus kleiner.

Japan höher bewertet als USA

Diese Strukturierung der Aktien nach Ihrem Börsenwert führt mit der Zeit zu einer zu hohen Gewichtung überbewerteter Titel im Index. Das Problem: Überbewertete Titel neigen im Rahmen von Crashs dazu, überdurchschnittlich stark an Wert zu verlieren. Noch Ende der 1980er-Jahre war der japanische Aktienmarkt stark übergewichtet und globale Aktienindizes mussten Japan höher gewichten als die USA – heute sieht das bekannterweise anders aus.

In Zeiten größerer Marktschwankungen oder gar einer Wirtschaftskrise – wie 2008 – können reine ETF-Investments zudem zu einer negativen Wertentwicklung über längere Phasen führen. Da sich Aktienmärkte in Zyklen bewegen, sind längere Durststrecken also vor­programmiert.

So investieren Sie besser: Die Welt verändert sich ständig und Indizes reagieren oft zu träge auf diese Veränderungen. Passives Investieren über ETFs mag auf den ersten Blick einfach, risikoarm und bequem sein, doch es lohnt sich, die Tücken dieser Strategie genauer zu betrachten und alternative Anlageformen in Betracht zu ziehen. Um ein besseres Chance-Risiko-Verhältnis zu erzielen, sollten Anleger vielmehr verschiedene Aktienstrategien in Betracht ziehen und ETFs eher als Beimischung, denn als Alleininvestment sehen.

Info

Wer sich tiefer mit der Materie befassen möchte, dem sei der GFA-Podcast „Börsenkrieger“, der GFA-Newsletter oder die GFA-Vorträge und -Webinare empfohlen. Mehr Infos: www.gfa-vv.de.

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