Firmen wappnen sich für Brexit STADTGEPLAUDER | 21.07.2016

Die IHK Südlicher Oberrhein hat ihre Mitgliedsunternehmen gefragt, welche Folgen der Brexit für sie haben könnte. Antwort: Jedes dritte Unternehmen befürchtet einen Rückgang der eigenen Exporte ins Vereinigte Königreich. Ein Fünftel beabsichtigt zudem heute schon, Importe aus Großbritannien, etwa Rohstoffe und Vorprodukte, einzuschränken. Wenn die Briten die EU wirklich verlassen, will fast die Hälfte der Betriebe die Waren aus anderen Märkten beziehen.

Brexit

„Offensichtlich planen die Unternehmen, die Zeit der Verhandlungsphase zu nutzen, um sich neue Zulieferer in anderen Ländern zu suchen, damit sie für etwaige Handelsbarrieren nach dem Austritt gewappnet sind“, interpretiert IHK-Präsident Steffen Auer die Ergebnisse.

73 Prozent gaben an, eine hohe Bürokratiebelastung durch Zolldokumente, Ausfuhrbescheinigungen, Quoten oder unterschiedliche Rechtssetzungen zu fürchten. Und 64 Prozent, dass Zölle und Steuern erhoben werden könnten. Auch eine mögliche Abwertung des Britischen Pfunds und damit einhergehende Wechselkursrisiken werden von 66 Prozent als Risiko für die Handelsbeziehungen zwischen den Ländern gesehen. Auer: „Mehr als die Hälfte unserer Unternehmen sehen durch die aktuelle Unsicherheit ein Risiko für die eigenen Geschäfte.“

Auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung am Oberrhein dürfte die Entscheidung jedoch nur einen nachrangigen Effekt haben. So geben fast alle (95 Prozent) Unternehmen an, dass der Brexit keinen Einfluss auf ihre Investitionstätigkeit in Deutschland haben werde. Mit 93 Prozent sind es fast ebenso viele, die auch keinen Effekt auf die eigene Mitarbeiterzahl erwarten. Zwar zählt Großbritannien zu den sechs wichtigsten Exportmärkten für baden-württembergische Produkte, es zeige sich jedoch, dass die Unternehmen am Oberrhein breit genug aufgestellt sind, um die Effekte beeinträchtigter Handelsbeziehungen zum Vereinigten Königreich abfedern zu können, so Auer.

Großbritannien aber muss mit gravierenderen Auswirkungen rechnen. Das zeigen deutschlandweite Ergebnisse einer Befragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Demnach will mehr als ein Drittel der Unternehmen mit Tochterunternehmen, Zweigstellen oder Filialen in Großbritannien die Investitionen dort zurückfahren. Mehr als ein Viertel plant, die eigene Mitarbeiterzahl auf der Insel zu reduzieren. Für Deutschland könnte das Referendum kurzfristig sogar positive Folgen haben: So geben 24 Prozent der deutschen Tochterunternehmen britischer Konzerne an, als Konsequenz des Referendums die Beschäftigtenzahl hierzulande zu erhöhen.

Auf den Kapitalmärkten ist die Lage deutlich dramatischer: So verweigern etwa bereits die ersten offenen Fonds ihren – auch deutschen – Anlegern die Auszahlung ihrer Anteile. Nach Einschätzungen des Bundesverbands Deutscher Banken sind derzeit mehr als 21 Milliarden Euro auf diese Weise blockiert. Womöglich sinken nach dem Brexit die – gerade in London – exorbitanten Immobilienpreise. Nicht zuletzt, weil sich Unternehmen oder Banken, die für ihr Geschäft einen Sitz in der EU brauchen, andere Sitze suchen werden. Sinken die Preise, sinken die Renditen der Anleger – oder drehen ins Minus. Die möglichen Folgen von einbrechenden Immobilienwerten sind seit der weltweiten Finanzkrise bekannt. Wenngleich London allein eine solche Bewegung nicht auslösen kann.

Text: Lars Bargmann / Visualisierung: © bib