Fledermausmobil: Freiburger entwickeln System für selbstfahrende Autos STADTGEPLAUDER | 24.01.2018 | Till Neumann

Was Google kann, kann Freiburg erst recht: Ein Team des Roboter-Forschers Wolfram Burgard fährt ein Auto, das dem Street-View-Wagen des Internetriesen in nichts nachsteht. Es will so selbstfahrende Fahrzeuge präziser machen. Burgard hat dem chilli sein Fledermausmobil gezeigt. Die Laserkanone auf dem Dach ist präzise, aber ungefährlich.  

Dass dieser blaue Audi kein gewöhnlicher Dienstwagen ist, sieht man gleich. Das Dach ist voller Technik: Kameras, Kabel, drehende Sensoren. Sieht eher nach Mondlandung aus als nach Straße. Der anvisierte Fortschritt ist Neil-Armstrong-verdächtig: ins Auto setzen, Autopilot an, Nickerchen machen, nach Hause bringen lassen.  

Spätestens seit Mai ist das Thema aktuell. Bundestag und Bundesrat haben Autonomes Fahren in Teilen ermöglicht. Fahrzeuge dürfen seither in gewissen Situationen die Kontrolle übernehmen. Dort setzt Burgard an: Er will es Autos ermöglichen, selbstständig und sicher zu manövrieren – auch in Städten.

„Voraussetzung ist eine präzise Lokalisierung“, sagt der 56-Jährige. Er sitzt in Jeans und blauem Hemd am Steuer des Audi und lenkt ihn langsam über den Asphalt der Technischen Fakultät. Im Kofferraum rattern zwei Rechner, neben dem Lenkrad leuchtet ein Display: Es zeigt in bunten Farben den Laserscan der Umgebung. In Echtzeit. „Wir wollen das grüne Etwas finden“, so Burgard.  

Das grüne Objekt der Begierde sind Straßenlampen. „Die kann man sehr genau bemessen“, sagt der Forscher. Wisse der Wagen, wo die Lampen stehen, könne er sich selbstständig bewegen. „So zumindest die Hoffnung“, betont Burgard. Sein Team betritt Neuland.  

Das Fahrzeug ist seit September in Freiburg unterwegs. „120.000 Euro sind auf dem Dach verbaut“, erklärt der Forscher. Die Geräte scannen die Umgebung wie eine Fledermaus, so Burgard. Nur nicht mit Ultraschall, sondern mit drei Laserscannern. Das Batmobil der Roboterforscher jagt damit Lampen im Freiburger Stadtgebiet. Denn urbane Räume sind für Autonomes Fahren schwierig: „Zu viel Rauschen, zu viel Mensch“, sagt Burgard. Knifflig seien vor allem große Kreuzungen mit vielen Ampeln.  

Mit Navigation kennt er sich aus. Sein Team hat den Roboter „Obelix“ entwickelt, der sich mehrfach selbstständig den Weg durch Freiburg bahnte. „Ein Weltstar“, bestätigt der Erfinder. Schon Ende der 90er-Jahre entwickelte Burgard die Navigationstechnik Particle Filters, die heute in Autos Standard ist.  

Jetzt soll der nächste Coup gelingen. Bei einer Ausschreibung von Samsung hat er den Zuschlag fürs Projekt bekommen. Das Unternehmen finanziert ein Jahr lang die Stelle des indischen Forschers Abhinav Valada. „Einer der Topleute im Bereich Autonomes Fahren“, sagt Burgard. Schon länger weckt sein Team Begehrlichkeiten. „Facebook, Google und Apple stehen Schlange“, sagt er. Sechs Ex-Kollegen arbeiten im Silicon Valley.    

So weit wird das Fledermausmobil nicht fahren. 50 Kilometer hat es bis Ende November zurückgelegt. Und dabei 20 Terrabyte Daten gesammelt. Bis April sollen weitere 2500 Kilometer folgen. Burgard, der 2019 die internationale IEEE Robotics and Automation Society leiten wird, ist optimistisch: Was in Freiburg funktioniert, könnte irgendwann auch in anderen Städten klappen.  

Autos ohne Lenkrad sind für ihn keine Fiktion. „2050 vielleicht“, sagt Burgard. Er hofft, das noch erleben zu dürfen. 89 Jahre alt ist er dann. Die Chancen stehen gut: Sein Vater ist schon 91.

 http://chilli-freiburg.de/start/roboter-der-uni-freiburg-macht-chilli-praktikum/  

 Foto: Till Neumann