Fluch oder Segen? Neue Tier- und Pflanzenarten STADTGEPLAUDER | 24.06.2019 | Frank von Berger

Nilgaense

Buchsbaumzünsler oder Japanisches Springkraut: Neue Tier- und Pflanzenarten breiten sich wegen des Klimawandels und der Globalisierung auch im Dreiländereck aus. Das ist nicht immer positiv.

Die Fachwelt nennt die Einwanderer Neophyten (Neupflanzen) und Neozoen (Neutiere). Die neuen Arten haben in unserem Ökosystem kaum natürliche Gegenspieler und können sich deshalb ungezügelt vermehren. Schon seit Langem werden in Europa immer wieder neue Arten eingeschleppt oder eingeführt. So etwa Kulturpflanzen wie Kartoffel, Tomate oder Paprika, die ursprünglich aus Amerika stammen. Diese „Fremdlinge“ sind eine echte Bereicherung und werden in der Natur nie lästig.

Invasionsartig: 4000 Samen pro Pflanze

Andere Neuzugänge sind weniger zahm. Etwa die im 17. Jahrhundert eingeführte Kanadische Goldrute (Solidago canadensis), die wildwütig an Bahndämmen, Brachflächen und in Gärten wuchert. Oder das aus Asien stammende Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera), im 19. Jahrhundert als Gartenpflanze in Europa eingeführt. Es verbreitet sich inzwischen invasionsartig. Jedes Exemplar der einjährig wachsenden Pflanze bildet bis zu 4000 Samen aus.

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Der Japanische Flügelknöterich durchbricht den Asphalt am Straßenrand: Nicht alle eingewanderten Arten sind eine Bereicherung.

Ähnlich aggressiv verhält sich der Japanische Flügelknöterich (Fallopia japonica). Die staudig, also mehrjährig wachsende Pflanze wurzelt überall dort, wo sie halbwegs fruchtbaren Boden vorfindet. Und wenn sie im Asphalt am Straßenrand einen Spalt findet, bricht sie mit ihren starken Trieben dort einfach durch. „Insgesamt listet das Bundesamt für Naturschutz für Deutschland 433 etablierte Neophyten auf. Als invasiv, also sich aggressiv ausbreitend, werden 38 Arten eingestuft“, berichtet Reinhold Treiber, Leiter des Landschaftserhaltungsverbands (LEV e. V.) Breisgau Hochschwarzwald. „Manche der Neupflanzen, etwa das Beifußblättrige Traubenkraut, besser bekannt unter dem Namen Ambrosia, können bei Menschen sogar Allergien auslösen.“

Bei den Neozoen, also neu eingewanderten Tierarten, ist der nordamerikanische Waschbär (Procyon lotor) eines der bekanntesten Beispiele. Mitte der 1930er-Jahre wurden einzelne Exemplare in Nordhessen ausgesetzt. Inzwischen haben sich die putzigen Pelztiere so stark vermehrt, dass sie vielerorts zur Plage geworden sind. Ein weiterer invasiver Neuzugang ist der im Jahr 2007 erstmals im badisch-schweizerischen Grenzland gesichtete Buchsbaumzünsler. Der Kleinschmetterling wurde mit Pflanzenimporten aus Ostasien eingeschleppt. Mittlerweile hat sich der Schädling über halb Europa verbreitet und bedeutet wohl das Ende der abendländischen Buchsbaumpopulation.

Mehr als nur lästig ist auch die aus den Tropen eingeschleppte Grüne Reiswanze (Nezara viridula). Beim Namen Reiswanze könnte man davon ausgehen, dass für unsere Kulturpflanzen keine Gefahr besteht, denn die asiatische Körnerfrucht wird hierzulande bekanntlich nicht angebaut. Aber genau das ist das Problem. Wo der Reis fehlt, saugt die Wanze gierig an allem, was sich ihr bietet. Und die Schäden kennt inzwischen jeder Hobbygärtner: mit kleinen braunen Flecken übersäte Früchte, die vor der Reife zu faulen beginnen. Ähnlich lästig wird vermutlich bald die aus Ostasien eingeschleppte Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha holys).

Grüne-Reiswanzen,-Nymphenstadien

In Ermangelung von Reis saugt die Grüne Reiswanze an allem, was wächst.

Ein weiterer Einwanderer rückt dem Menschen noch näher auf die Pelle. Die aus Südeuropa stammende Riesenzecke Hyalomma marginatum verbreitet sich derzeit in der Region. Das auch als „Rennzecke“ bezeichnete, etwa fünf Millimeter große Spinnentier verfolgt seine potenziellen Opfer bis zu hundert Meter weit. Und auch sonst gibt es immer wieder Neuzugänge im Naturreich. „Regional besonders auffällig ist die massive Ausbreitung des Schmalblättrigen Greiskrauts (Senecio inaequidens) aus Südafrika“, sagt Treiber. Ob das eine Bereicherung oder eine Gefahr für die heimische Pflanzenwelt ist, wird sich erst mit der Zeit zeigen.

Manche Neuankömmlinge sind aber durchaus eine Bereicherung. „Die Zaunammer, ein früher bei uns extrem seltener Singvogel, breitet sich nun flächig am Kaiserstuhl aus. Mittlerweile gibt es dort zahlreiche Brutpaare“, erzählt der Experte. „Viele einst hier heimische, aber mittlerweile selten gewordene oder gar ausgestorbene, wärmeliebende Arten wandern jetzt von Süden her wieder zu. So etwa die Italienische Schönschrecke und eine hierzulande 1956 ausgestorbene Holzbienenart.“ Auch der Bienenfresser, ein überaus farbenprächtiger Vogel, findet seit 1990 in den Lösswänden am Kaiserstuhl eine neue Heimat. Also Augen auf beim Spazierengehen: Vielleicht sieht man ja einen der Neuankömmlinge.

Fotos: © Frank von Berger